Versšhnung
9.3.1984 Vachendorf
ãLasst euch versšhnen!Ò Das ist
nicht nur ein vom Papst fŸr das JubilŠumsjahr unserer Erlšsung angegebenes
Jahresthema. Ich mšchte es lieber ein Lebensthema nennen. Wir alle, die wir
arme SŸnder sind, bedŸrfen ja immer wieder unser Leben lang der Versšhnung mit
Gott und der Versšhnung untereinander und beides lŠsst sich voneinander nicht
trennen, wie uns unser Herr und Heiland gezeigt hat, als Er uns im Vaterunser
zu beten lehrte: ãVater unser im Himmel...vergib uns unsere Schuld, wie auch
wir vergeben unseren Schuldigern!Ò Das eine gibt es nicht ohne das andere.
Versšhnung mit Gott gibt es nicht ohne vorausgehende oder mindestens
nachfolgend Versšhnung untereinander. Viele kapieren das leider nicht, plappern
etwa in einer Osterbeichte ihre SŸnden herunter und leben dann danach genauso
wie vorher in GehŠssigkeit und unversšhnlicher Feindschaft mit dem Nachbarn
oder gar mit dem Ehegatten weiter. Vielleicht ist es ihnen nie aufgegangen oder
nie richtig beigebracht worden, dass es zur Versšhnung mit Gott in der SŸndenvergebung
unbedingt auch das gegenseitige Vergeben und Verzeihen braucht. Man mŸsste das
den Kindern von klein auf beibringen. Ich bin da meiner guten Mutter Ÿbers Grab
hinaus dankbar: Sie hat immer verlangt, dass wir Kinder, bevor wir in der Kirche
zur Beichte gingen, vorher zu Vater und Mutter gehen mussten, um sie um Verzeihung
zu bitten und auch zu den Geschwistern, wenn etwa mit ihnen gezankt und
gestritten worden war. Und in meiner Studienzeit im Germanikum in Rom bestand
vor den jŠhrlichen Exerzitien, die wir da machen mussten, der schšne Brauch,
dass man vor Beginn der Exerzitien die Studienkollegen, mit denen es etwa im
Lauf des Jahres MissverstŠndnisse gegeben hatte, auf ihrem Zimmer aufsuchte und
sie um Verzeihung bat.
Ach, wie wŠre das schšn in der
jŠhrlichen Fastenzeit, in der Passionszeit, in der Karwoche, wenn alle, die
sich in einer guten, ehrlichen Osterbeichte zur Versšhnung mit Gott aufmachen,
vorher eine gro§e Versšhnung mit den Mitmenschen in der Familie, im Betrieb, in
der Nachbarschaft, in der Gemeinde herbeifŸhren wŸrden. Da wŸrde dann wahrer
Osterfriede einkehren in den Herzen, in den Familien, in den Gemeinden, und
wenn das Land auf Land ab der Fall wŠre, was wŠre das doch schšn und tršstlich
in einer friedlosen Welt. Vielleicht ist das eine Utopie. Aber eigentlich
mŸsste das unter Christen, die es noch ernst nehmen mit ihrem Glauben, mšglich
sein, weil uns einer dazu die notwendige Kraft und Gnade verdient hat durch
sein Erlšserleiden und uns mit wahrhaft bestem Beispiel vorangegangen ist, da
er noch am Kreuz, in den furchtbarsten Schmerzen und Qualen zum Vater im Himmel
fŸr seine Widersacher betete: ãVater, verzeihÔ ihnen, sie wissen ja nicht, was
sie tun!Ò
Schauen wir nun noch etwas
genauer zu, worum es geht bei der Versšhnung: wir mŸssen da jetzt doch
unterscheiden zwischen der Versšhnung unter den Menschen und der Versšhnung mit
Gott.
1.
Versšhnung unter
den Menschen: Aussšhnung. Hier geht es um die Wiederherstellung einer durch Schuld
oder vermeintliche Schuld zerstšrten menschlichen Gemeinschaft zwischen
Eheleuten, zwischen Geschwistern, zwischen Berufskollegen, zwischen Mitgliedern
einer Hausgemeinschaft, usw.
Was braucht es
um eine solche Versšhnung herbeizufŸhren?
(1) Guten Willen! Oft fehlt es leider an diesem guten Willen.
Die Kirche hat schon recht, wenn sie uns in der Allerheiligenlitanei bei den
gro§en FŸrbitten nach der Anrufung der Heiligen u.a. auch bitten lŠsst: ãVon
Zorn und Hass und allem bšsen Willen, erlšse uns, o Herr!Ò
Was braucht es zur Versšhnung unter den
Menschen noch?
(2) Die Einsicht, gefehlt zu haben durch Beleidigung
des Mitmenschen, durch Lieblosigkeit, durch Zank und Streit, durch ungerechte Behandlung
des anderen usw. Wie schwer ist es aber, das einzusehen! Wie schwer ist es,
einem anderen die Schuld einzugestehen! Und ihn dann gar noch um Verzeihung zu
bitten! Ist das nicht zu viel verlangt?
Da bin ich schon bei einer anderen Frage, die
da lautetet: Was erschwert denn unter den Menschen die Versšhnung?
(1)
Auf Seiten des
Beleidigers, der den begangenen Fehler nicht zugeben und eingestehen will, ist
es oft ein dummer Stolz und die Rechthaberei, in der man sich einbildet, die Schuld
liege nur auf Seiten des anderen. Dabei liegt die Schuld fast immer (auch in der
Ehe) auf beiden Seien. Nur Gott gegenŸber ist es anders. Da liegt die Schuld
nie auf seiner Seite, sondern immer nur auf unserer Seite.
Ich frage nochmals: was erschwert unter den
Menschen die Versšhnung?
(2)
Die
nachtrŠgerische Empfindlichkeit, etwa gar, wenn man nicht blo§ einmal, sondern
schon mehrmals beleidigt worden ist. Wie nachtrŠgerisch kšnnen wir doch dann
sein: ãNein, dem, der mich nun schon zum zweiten, zum dritten Mal beleidigt
hat, kann ich einfach nimmer verzeihen!Ò ãMit dem da kann ich einfach nicht
mehr gut sein!Ò Kannst du es wirklich nicht mehr? Was wŠre wohl, wenn Gott bei
den Beleidigungen, die du Ihm zugefŸgt hast, immer wieder zugefŸgt hast, auch
so dŠchte?! Und was hat Christus auf die Frage des Petrus, wie oft wir
verzeihen sollen, etwa siebenmal, geantwortet? ãNicht siebenmal, sondern
siebzigmal siebenmal!Ò Ach, wir wissen alle, wie schwer das bisweilen sein
kann. Und doch gilt die Mahnung, die der
hl. Paulus im Eph 4,26 gibt: ãLasst die Sonne nicht untergehen Ÿber
Eurem Groll, Ÿber eurem Zorn!Ò
2.
Aber schauen wir
jetzt auf die so wichtige Versšhnung mit Gott:
Durch jede
SŸnde, d.h. durch jedes Handeln gegen Gottes Wille und Gebot wird die Gemeinschaft
mit Gott gestšrt und bei der TodsŸnde sogar zerstšrt. Der Mensch muss die
Folgen davon tragen und zwar so lange, bis er die Beleidigung Gottes wieder
gutgemacht und gesŸhnt hat. Aber kann er denn das? Im AB sŸhnte eigentlich nur
das Blut des SŸnders die begangene Verfehlung (vgl. 4 Mos 35,33). Daneben
bestand in Israel eine von Gott gesetzte Ordnung, nach welcher bestimmte Verfehlungen
und GesetzesŸbertretungen einmal im Jahr durch stellvertretendes Opferblut
gesŸhnt werden konnten (vgl. bes. 3 Mos). Auf diese Weise Israel mit Gott
wieder zu versšhnen, war die Aufgabe vor allem des Hohenpriesters. Am gro§en Versšhnungstag,
dem Jom kippur, der am 10. Tag des 7. Monats jŠhrlich begangen wurde, durfte
der Hohepriester das Allerheiligste des Tempels betreten, um darin fŸr die
eigenen SŸnden, fŸr die SŸnden des Volkes das ãgro§e SŸndopfer der VersšhnungÒ
darzubringen (4 Mos 29,11). Der Versšhnungstag als das Zentrum und der Hšhepunkt
des alttestamentlichen Opferdienstes ist erfŸllt und aufgehoben im Opfertod des
ewigen Hohenpriesters Jesus Christus am Kreuze. Aus dem ãeinmal im JahrÒ (Hebr.
9,7.25) des selber der SŸndenvergebung und der Versšhnung bedŸrftigen
alttestamentlichen Hohenpriesters (Hebr 7,27) ist nun das ãein fŸr alle MalÒ
(Hebr 9,12.26) des sŸndelosen, heiligen, ewigen Hohenpriesters Jesus Christus
geworden, der eine ewig gŸltige Versšhnung erwirkt hat (Hebr 9,12.28;
10,12.14.18), indem er nicht mit Tierblut, sondern mit seinem eigenen Blut dem
durch die SŸnden der Menschen beleidigten Vater eine unendlich kostbare SŸhne
darbot: Er trat an die Stelle eines jeden SŸnders, um uns Versšhnung zu
erwirken. Er lud unsere SŸnden auf sich und litt das, was wir hŠtten erleiden mŸssen. Alle
SŸhneversuche des Alten Bundes und des Heidentums in zahllosen Tieropfern und
sogar Menschenopfern konnten nicht wahre Versšhnung mit Gott und wahre,
vollwertige SŸhne fŸr die SŸnden der Menschen bewirken. Das konnte nur Christus,
der als Mensch fŸr uns stellvertretend eintreten konnte und der als Gottmensch
unendliche SŸhne leisten konnte – Er starb fŸr uns, stellvertretend fŸr
uns. Macht euch das einmal recht klar: Wo Christus stand in seinem Leiden und Sterben,
da hŠtte eigentlich jeder von uns stehen mŸssen. Wir hŠtten eigentlich ans
Kreuz gehšrt. Uns hŠtten eigentlich die Gei§elhiebe, die Dornenkrone und die
SchlŠge gehšrt. Wir hŠtten das alles verdient gehabt durch unsere SŸnden. Da
sprang Christus fŸr uns ein und vertrat uns. Es stimmt schon und ist ganz
richtig, wenn wir im schmerzhaften Rosenkranz beten: der fŸr uns Blut geschwitzt
hat, der fŸr uns gegei§elt worden ist, der fŸr uns gekreuzigt worden ist. FŸr
uns – an unserer Stelle! Denken wir beim schmerzhaften Rosenkranz oder beim
Kreuzweg daran: Uns ging es eigentlich an. Wir hŠtten dorthin gehšrt. Du und
ich, wir alle hŠtten das verdient. Er aber tat es stellvertretend fŸr uns.
Hšrt euch da
eine Geschichte an, die im Jahre 1943 im Dritten Reich sich ereignete. Sie ist
so Šhnlich wie die vom Tod des sel. P. Max. Kobe in Auschwitz: Im Hof eines
GefŠngnisses mussten alle Gefangenen antreten und Aufstellung nehmen. Ein
Gefangener war entwischt. Nun sollte dafŸr jeder Zehnte erschossen werden. Die Gefangenen
zitterten an diesem grauen Morgen vor Angst. Wer wird wohl jeweils Zehnter
sein? Einer aber stand ruhig im Gewirr, ein alter, greiser Priester, der nur,
weil er mutig das Wort Gottes verkŸndet hatte, eingekerkert worden war. Die
Gefangenen kannten ihn alle. Er hatte sie die Nacht vorher getršstet und ihren
Blick immer wieder nach oben gelenkt und dann noch ihre Beichten abgenommen.
Nach erfolgter Aufstellung sah der Priester, wie ein blutjunger Mensch neben
ihm zu stehen gekommen war, Es wurde abgezŠhlt. Wahrhaftig, die 10 traf auf
ihn, den jungen Burschen. Kaum konnte er sich noch auf den F٤en halten.
Plštzlich fŸhlte er sich sacht auf die Seite geschoben. Und der Priester stand
an seinem Platz. Und wie es hie§: Alle mit Nummer 10 vortreten, da trat der Priestergreis
ohne Zšgern aus der Reihe heraus. Und wenige Minuten spŠter lag er mit 20
anderen in seinem Blut am Boden. Dem jungen Menschen aber brannte es sich wie
mit Feuer fŸrs ganze Leben in die Seele ein: Er starb fŸr dich!
Seht, BrŸder und
Schwestern, wir kšnnen am Kreuz nicht vorbeigehen, als ob es uns nichts
anginge. Wir mŸssen vom Kreuz erschŸttert werden. Es muss uns fšrmlich das Herz
umdrehen, wenn wir der Liebe gedenken, die das fŸr uns getan! Er starb fŸr mich,
fŸr dich, fŸr uns alle, er, der Beste, der Reinste, der Unschuldigste, der
Heiligste. Er ist fŸr uns vorgetreten, stellvertretend fŸr uns hat er SŸhne
geleistet, um unsere Versšhnung mit dem Vater zu erwirken.
Und was Christus
zur Vergebung fŸr unsere SŸnden und zu unserer Versšhnung mit Gott erlitten
hat, das kommt uns immer wieder zugute im Sakrament der Bu§e, in der Beichte:
Gewiss beichten
wir bei Empfang des Bu§sakramentes unsere SŸnden dem Priester, der selbst ein
armer, schwacher, sŸndiger Mensch ist; aber der Priester steht doch an Christi
Stelle vor uns. In Christi Namen, in Christi Auftrag, in Christi Vollmacht und
in der Kraft des vergossenen Blutes Christi wird uns die Schuld vergeben und
das Wort der Lossprechung Ÿber uns gesprochen. – Ich wei§, wie wenig
heute weitum im Land das Sakrament der Bu§e geschŠtzt wird. Man glaubt, durch
Teilnahme an einer Bu§andacht viel billiger als durch die Beichte, die
begreiflicherweise schwer fŠllt, von seiner SŸndenschuld befreit zu werden. Und
doch mŸsste man lŠngst wissen, wie notwendig das Aussprechen und Eingestehen
von Schuld ist, um Versšhnung herbeizufŸhren.
(Auch dem Arzt
stellt man sich ja im Krankheitsfall nicht etwa nur mit der allgemeinen Bemerkung:
ãHerr Doktor, ich bin krank, machen Sie mich wieder gesund!Ò Es bedarf der
Šrztlichen Untersuchung; der gewissenhafte Arzt lŠsst sich nichts vormachen;
dem Arzt meines Vertrauens mache auch nichts vor, sondern verrate ihm
aufrichtig auch die verborgensten Defekte und Krankheitsherde.) Man
redet heute so viel von der unbewŠltigten Vergangenheit, tut aber viel zu
wenig, sie wirklich zu bewŠltigen. Im Glauben an die Vergebung der SŸnden im
Bu§sakrament im gro§en Sakrament der Versšhnung, bekennen wir uns immer wieder
zur wahren, echten BewŠltigung der Vergangenheit: Die von den Stammeltern
ererbte schuldbeladene Vergangenheit wird bewŠltigt im Sakrament der Taufe. Und
die eigene, persšnliche Vergangenheit, soweit sie schuldbeladen ist, wird immer
wieder bewŠltigt im Sakrament der Bu§e mit dem reumŸtigen SŸndenbekenntnis und
der sakramentalen Lossprechung durch den Priester. Diese sakramentale
BewŠltigung der Vergangenheit geschieht auf Grund der Tatsache, dass unser Herr
und Heiland Jesus Christus in seinem SŸhnetod am Kreuze stellvertretend durch
sein kostbares Blut fŸr alle Menschenschuld dem himmlischen Vater unendliche
SŸhne geleistet hat: (Ich werfe mich
beim Empfang des Bu§sakramentes im Geiste vor dem gekreuzigten Heiland nieder
und halte Zwiesprache mit Ihm, schon in der Gewissenserforschung und erst recht
in der aufrichtigen Reue und danke ihm dabei, dass Er am Kreuz an mich gedacht
hat; alle meine dunklen Stunden sah Er voraus und sŸhnte sie; all meinen guten Willen,
wie er handgreiflich wird in meinem Beichtvorsatz, sah Er voraus und knŸpfte
daran seine helfende und stŠrkende Gnade. Im aufrichtigen Eingestehen der
SŸnden vor dem Priester als dem Stellvertreter Christi und seiner Kirche sage
ich mich los von meiner Vergangenheit und werde dafŸr dann gnadenhaft
zugerŸstet fŸr einen mutigen Neubeginn und beschenkt mit wahrer Versšhnung mit
Gott und mit tiefem Herzensfrieden.)
Ach, wir sollten
viel dankbarer dafŸr sein, dass wir uns mit der Christenheit der Urkirche im
Apostolischen Glaubensbekenntnis zur tršstlichen Wahrheit von der Vergebung der
SŸnden bekennen dŸrfen und diese Wahrheit im Empfang des Bu§sakramentes dann
auch beglŸckt erfahren dŸrfen und wieder an uns selbst erfahren, wie sehr es
stimmt, was der hl. Paulus im 2 Kor 5,17-20 geschrieben hat:
ãWenn einer
(wieder) in Christus ist, so ist er ein neues Geschšpf. Das Alte ist vergangen,
siehe, Neues ist geworden. Das alles aber kommt von Gott her, der uns durch
Christus mit sich versšhnt hat und uns den Dienst der Versšhnung Ÿbertragen
hat. Ja, Gott hat in Christus die Welt mit sich versšhnt. Er rechnet den
Menschen (sofern sie ihre Schuld bekennen und bereuen) ihre Fehltritte nicht
mehr an und hat unter uns das Wort der Versšhnung gestiftet... An Christi Statt
bitten wir (euch darum): ãLasst euch versšhnen mit Gott!Ò Ihn, der von SŸnde
nichts wusste, hat der Vater fŸr uns zum SŸndopfer gemacht, damit wir in Ihm
Gottesgerechtigkeit wŸrden!Ò
Ja, BrŸder und Schwestern,
in Christus bitte auch ich euch und bitten euch eure Seelsorger: Lasst euch
versšhnen mit Gott und versšhnt euch untereinander, damit wahrer Osterfriede
und Osterfreude in euren Herzen, in euren Ehen und Familien, in euren Gemeinschaften
und im gesamten Volk einziehen kann. Amen