Hl. Messe
Verehrter Herr Doktor!
Darf ich Ihnen schriftlich, aber anonym mitteilen, wie es
mir mit Ihrer Oster-Hausaufgabe ergangen ist?
Die erste Frage Ÿber die hl. Messe hat es mir angetan. Eine
ganz dumme und schwierige Frage. Das war mein erster Eindruck, als ich die
Frage aufschrieb: ãWas fŠllt mir vom psychologischen und pŠdagogischen Standpunkt
aus am Šu§eren und inneren Aufbau der hl. Messe auf?Ò Eine ganz dumme Frage,
weil ich mir dachte: Was hat denn auch Psychologie und PŠdagogik mit der Messe
zu tun? Zudem hatte ich zuerst eine richtige Wut, dass auch sie so wenig
Einsicht hatten und uns Ÿber die kurzen Osterferien noch Aufgaben stellten.
Beim Nachdenken und †berlegen bekam ich aber allmŠhlich Freude an der
gestellten Frage. Meine weiteren Gedanken waren die: Sie sind halt ein
Schlaumeier. Sie haben richtig geahnt, wie wenig uns bisher die hl. Messe
bedeutete. Da wollten Sie es eben auf recht diplomatische Weise versuchen, uns
die Messe nŠherzubringen. Und darum die Frage, die wirklich eher dem Thema
einer Doktorarbeit gleichsieht: ãWas fŠllt dir vom psychologischen und
pŠdagogischen Standpunkt aus am Šu§eren und inneren Aufbau der hl. Messe auf?Ò
Sie hŠtten wohl einfach auch sagen kšnnen: Lerne Wert und Schšnheit der hl.
Messe verstehen. Aber Sie wussten, dass die Einfachheit bei uns eingebildeten
GŠnsen nicht zieht. Sie wussten, welch schaurigen Klang bei uns, die wir den Kopf
schon voll Maturasorgen haben, die Fremdwšrter ãPsychologieÒ und ãPŠdagogikÒ
haben und wollten damit unsern Maturantinnen- Ehrgeiz aufstacheln. Ob es ihm
gelingt, fragte ich mich. Und ich stemmte mich zuerst dagegen mit HŠnden und
FŸ§en und nahm mir zuerst vor, einfach wortwšrtlich den uns in die Hand
gedrŸckten Zettel vom Šu§eren und inneren Aufbau der hl. Messe abzuschreiben.
Aber tatsŠchlich, ich erlag der Versuchung, mein Ehrgeiz lie§ mich nicht ruhen
und noch am Karsamstag (nach der Auferstehung) setzte ich mich (in richtiger
Osterstimmung) in einen stillen Winkel unseres Gartens, nahm den gedruckten
Zettel Ÿber den Aufbau der hl. Messe zur Hand und begann zu lesen und zu
beobachten. Und es fiel mir auch schon allerhand ein, aber meist recht
verworrenes Zeug. Das Wertvollste darunter war jedenfalls dies, dass ich
einsehen lernte, wie die Fremdwšrter Psychologie und PŠdagogik doch etwas, ja
sogar ziemlich viel mit der hl. Messe zu tun haben und dass darum die Formulierung
der Frage doch nicht blo§ ein recht diplomatischer Schachzug Ihrerseits war.
Aber ich wollte erst noch Ÿber all das, was mir eingefallen war, schlafen, bevor
ich zu schreiben begann.
Und am Ostermorgen erwachte ich mit dem Gedanken: Wenn du
Ÿber die hl. Messe etwas VernŸnftiges niederschreiben willst, musst du sie erst
mitgefeiert haben. Und ich, die ich aufrichtig gesagt sonst keine besonders
eifrige Kirchengeherin bin, machte mich auf den Weg in die festlich geschmŸckte
Kirche. Das UnglŸck oder das GlŸck
– wie man es nehmen will, wollte es, dass ich, ohne es zu wissen, in die
Gemeinschaftsmesse der Jugend hineingeriet. Erst war es mir peinlich, mit
vielen meiner ehemaligen Schulkameradinnen und Kameraden zusammenzutreffen,
aber diese Menschenfurcht war bald Ÿberwunden, als ich sah, wie die es fŸr
selbstverstŠndlich hielten, dass ich in ihrer Mitte die Ostermesse mitfeiere.
Und diese wurde mir zum feinsten Ostererlebnis. Es ging mir dabei vor allem ein
Licht auf, wie sehr die Messe fŠhig ist, Gemeinschaft zu bilden. Ich merkte zum
ersten Mal anhand des Messtextes, den man auch mir wie allen andern gab, wie in
den Gebeten der hl. Messe immer wieder das ãIchÒ zurŸcktreten muss und das
ãWirÒ betont wird, Ich merkte weiter, wie taktvoll und fein das psychologische
Empfinden der Kirche im Aufbau der hl. Messe ist, da sie uns, ihre Kinder die
wir aus der Unrast und aus dem LŠrm der Welt kommen, vorbereitet durch Stille
und Besinnung, durch Selbsterkenntnis und Reue, durch Sehnsucht und Liebe und
uns so Schritt fŸr Schritt immer tiefer in das Geheimnis des eigentlichen
Opfers hineinfŸhrt, wenn der feierliche Augenblick der hl. Wandlung kommt. Wie
das bestgeformte Stundenbild einer spannenden, interessanten, feinen
Unterrichtsstunde kam mir auf einmal der Aufbau der Messe vor oder wie ein
gewaltiges Drama mit Steigerung und Hšhepunkt und allmŠhlicher Entspannung. Und
noch etwas fiel mir auf: Das Latein bei der hl. Messe, an dem ich mich frŸher
immer gesto§en hatte, machte mir auf einmal gar keine Schwierigkeit: Alle
hatten ja den abwechslungsreichen Messtext der Osterfestmesse in der Hand. Das
meiste wurde laut von jungen Leuten aus der Gemeinschaft vorgebetet oder vorgelesen,
sodass alle mitkamen und der Handlung folgen konnten. Und die paar kurzen
Worte, die lateinisch oder gar griechisch zwischen Priester und glŠubiger
Gemeinschaft gewechselt wurden, wie das Dominus vobiscum, das Kyrie Eleison,
das Sursum corda usw., schienen von allen aus dieser Jugendgemeinschaft
verstanden zu werden, weil sie so selbstsicher und frisch antworteten auf den
Anruf des Priesters. Ich war Ÿberrascht und beschŠmt, dass mir meine
bŠuerlichen Kameradinnen und Kameraden aus der Volksschulzeit in dieser Hinsicht
an Bildung voraus waren. – etwas vom Erlebnisreichsten wurde mir die
Opferung dieser Gemeinschaftsmesse:
Alle hielten einen Opfergang und brachten einen Teil von
ihren geweihten Osterspeisen (Brot und Fleisch und Eier) an den Altar als Caritasopfer
fŸr arme Kinder der Gemeinde. Da merkte ich, wie diesen jungen Menschen der
tiefe Sinn des Offertoriums und Ÿberhaupt des Messopfers viel mehr als mir
aufgegangen war, und ich erkannte in diesem Augenblick ein StŸck des gewaltigen
pŠdagogischen Wertes der hl. Messe: sie schafft nicht blo§ frohe Gemeinschaft
und Ÿberwindet die Selbstsucht, sondern weckt auch festes Zusammenstehen in
Opferbereitschaft und NŠchstenliebe und bringt uns in Christus nŠher
zueinander.
Und als sich dann bei der hl. Kommunion gar alle dieser
Gemeinschaft wieder das gespendete
Brot gleichsam zurŸckholten, aber verwandelt in himmlisches Brot, in den Leib
des Herrn und so Ostern hielten, da war ich tief beschŠmt, weil diese meine
JugendgefŠhrten eigentlich auch den Sinn der zweiten Aufgabe, die Sie uns
gestellt haben, am besten begriffen haben: So wie die EmmausjŸnger mŸssen auch
wir trotz Kreuz und Leid mit Christus unseren Lebensweg wandern und mŸssen ihn
immer wieder am Brotbrechen echter NŠchstenliebe, die im Brotbrechen des geheimnisvollen
Messopfers entzŸndet wird, erkennen und sollten es Tag fŸr Tag oder doch
Sonntag fŸr Sonntag verstehen, was er uns durch seinen Priester am Schluss der Messe
zuruft: ãIte, missa estÒ: Geht, ihr
seid gesendet! Zu Gro§em und Schšnem: die Welt wieder besser zu machen durch
unser gutes Beispiel, durch unser Gebet und vor allem durch unser Opfer! Und
das alles in Christus, durch Christus und mit Christus.
Dass dieser Brief Gemeinschaftsarbeit mit einer feinen
Lehrerin meines Heimatortes ist und nicht blo§ meine eigene Leistung, werden
Sie verzeihen. Sie sollen ja auch nicht wissen, wer ihnen diesen eigenartigen
Osterbrief geschrieben hat. Es war nur
eine dankbare SchŸlerin