Die Barmherzigkeit Gottes
Sonntag der Barmherzigkeit ist heute, und wer das heutige Sonntagsevangelium
aufmerksam angehšrt hat und ein wenig dabei bedacht hat, wie gŸtig der
auferstandene Herr sich dem unglŠubigen Thomas gegenŸber verhalten hat, wei§
auch schon, wie die Barmherzigkeit den SŸndern gegenŸber eine der schšnsten und
tršstlichsten Eigenschaften des gšttlichen Heilands ist: kein Wort des Tadels
oder gar der Verurteilung gegenŸber diesem Apostel, sondern das gŸtige Eingehen
auf seine freche Forderung, in das gešffnete Herz Jesu die Hand hineinlegen
zu dŸrfen. Und dann nur die Mahnung: "Sei nicht unglŠubig, sondern
glŠubig!"
Es ist etwas geheimnisvoll RŠtselhaftes um die Barmherzigkeit Gottes dem
kleinen, sŸndigen Menschen gegenŸber, der es gewagt hat, sich frech gegen Gott
aufzulehnen in der SŸnde! Gott, der unendlich Gro§e, Erhabene, Heilige, lŠsst
seine Grš§e aufgehen im Erbarmen und stellt seine Allmacht am liebsten in den
Dienst der Barmherzigkeit. Er neigt sich aus seiner unendlichen Hšhe am liebsten
ins tiefste Tal der menschlichen Not. Aber das Erstaunlichste ist dabei, dass
Gott sogar und erst recht seinen Feinden, seinen Beleidigern Barmherzigkeit
erweist: "So wahr ich lebe, Spruch des Herrn, ich habe kein Wohlgefallen
am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass er sich von
seinen Wegen bekehre und lebe." (Ez 33,11) "Das Mitleid des Menschen
erstreckt sich nur auf seinen NŠchsten, das Erbarmen des Herrn aber auf alles
Fleisch." So hei§t es im Buch Jesus Sirach (18,12). In der ersten Enzyklika
des ersten Papstes, im 1 Petrusbrief 1,3 hei§t es: "Gepriesen sei Gott,
der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner gro§en Barmherzigkeit
durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten wiedergeboren hat zu
lebendiger Hoffnung, zu einem unvergŠnglichen und unverwelklichen Erbe, das im
Himmel fŸr uns aufbewahrt ist!"
Da kommt mir unwillkŸrlich die schšnste und wŠrmste unter den sechs
Enzykliken des gegenwŠrtigen Papstes in den Sinn, die mit den lateinischen
Worten beginnt: "Dives in misericordia" ("†berreich an
Barmherzigkeit"). Das ist noch keinem der vorausgehenden PŠpste in den
Sinn gekommen, eine Enzyklika mit ausfŸhrlichen Darlegungen Ÿber die
Barmherzigkeit Gottes zu schreiben und in die Welt hinauszusenden.
Wie kam Papst Johannes Paul lI. auf diesen Gedanken? Ganz sicher ist er
dazu angeregt worden durch eine Ordensschwester, fŸr deren Seligsprechung er,
noch als Kardinalerzbischof von Krakau den Seligsprechungsprozess eingeleitet
hat. Es ist die 33jŠhrig im Kloster Lagieniki bei Krakau 1938 gestorbene Sr. Faustina
Kowalska. In das mystisch begnadete Leben dieser Schwester und in die ihr
zuteil gewordenen Offenbarungen muss damals Kardinal Wojtyla tief eingedrungen
sein. Diese Schwester Faustina empfing der Reihe nach immer deutlicher ungemein
tršstliche Offenbarungen speziell Ÿber die Barmherzigkeit Gottes. Was der Herr
dieser Schwester Ÿber die Barmherzigkeit
Gottes geoffenbart hat, ist stellenweise so ergreifend, dass man
aus dem Staunen nicht herauskommt. Der Heiland hat diese Schwester als Botin
der gšttlichen Barmherzigkeit berufen und ihr zuletzt auch noch
aufgetragen, ein Bild von ihm malen zu lassen. Dabei sagte er: "Ich
verspreche, dass jene Seelen, die dieses Bild verehren, nicht verlorengehen
werden. Ich verspreche ihnen schon hier auf Erden den Sieg Ÿber die Feinde, vor
allem in der Todesstunde. Ich, der Herr, werde diese Seelen beschŸtzen wie
meine Ehre. Die Strahlen auf diesem meinem Bild bedeuten Blut und Wasser, die
aus den Tiefen meiner Barmherzigkeit hervorbrachen, als mein brechendes Herz am
Kreuz von der Lanze durchbohrt wurde..."
Christus empfahl der Sr. Faustina auch die Verbreitung einer besonderen
Art des Rosenkranzgebetes, den sogenannten "Rosenkranz der
Barmherzigkeit" mit dem dabei auf den gro§en Perlen zu verrichtenden
Aufopferungsgebet: "Ewiger Vaterã ich opfere Dir auf den Leib und das
Blut, die Seele und die Gottheit Deines Ÿber alles geliebten Sohnes, unseres
Herrn Jesus Christus, um Verzeihung fŸr unsere SŸnden und fŸr die SŸnden
der ganzen Welt zu erlangen."
Schlie§lich sagte Christus zu Sr. Faustina: "Meine Tochter, sprich
zur ganzen Welt Ÿber meine unergrŸndliche Barmherzigkeit! Ich wŸnsche, dass das
Fest der gšttlichen Barmherzigkeit die Zuflucht aller Seelen, vor allem aller SŸnder
wird. An diesem Tag wird sich die ganze FŸlle meiner Barmherzigkeit Ÿber die
Seelen ergie§en. Ich werde ein ganzes Meer von Gnaden auf jene Seelen
ausgie§en, die sich dieser Quelle nŠhern. Wer an diesem Tag beichtet und
kommuniziert, erlangt všllige Vergebung seiner SŸnden und SŸndenstrafen.
Niemand soll Angst haben, zu Mir zu kommen, auch wenn seine SŸnden die
verwerflichsten wŠren. Ich wŸnsche, dass dieses Fest der gšttlichen Barmherzigkeit
am ersten Sonntag nach Ostern feierlich begangen wird...Ich wŸnsche, dass die
Priester diese meine gro§e Barmherzigkeit den sŸndigen Seelen verkŸnden. Ich
kann auch den grš§ten SŸnder nicht bestrafen, wenn er Mich bei Meiner
Barmherzigkeit anruft, Ich verzeihe ihm in unendlicher, unerforschlicher
Barmherzigkeit."
Vieles mŸsste man hier noch aus den Offenbarungen, die der Heiland der
Sr. Faustina gegenŸber gemacht hat, erwŠhnen. Aber eigentlich hŠtte es all
diese Offenbarungen Ÿber die Barmherzigkeit Gottes, wie sie Sr. Faustina zuteil
geworden sind, gar nicht gebraucht, man hŠtte nur die Evangelien aufmerksamer
lesen mŸssen, dann hŠtte jeder glŠubige Christ erfahren, wie Christus in seinem
šffentlichen Lehren das Volk gar oft auf die Barmherzigkeit des himmlischen
Vaters und auf seine eigene abgrundtiefe Barmherzigkeit hingewiesen hat. Denken
wir nur daran, wie die schšnsten Gleichnisse Jesu Gottes Barmherzigkeit zum Thema haben; etwa das Gleichnis
vom barmherzigen Samaritan oder das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das man mit
vollem Recht auch das Gleichnis vom barmherzigen Vater-Gott nennen kšnnte, wo
doch in diesem Gleichnis der Vater nach dem verlorenen Sohn sehnsuchtsvoll
Ausschau hŠlt, auf ihn wartet, ihn
dann, als er endlich heimgefunden hatte, liebevoll nachsichtig in
die Arme schloss und den wieder in seine vollen Sohnesrechte einsetzte, der mit
Recht wegen seiner erbŠrmlichen Undankbarkeit und Schlechtigkeit hatte erklŠren
mŸssen: "Vater, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu hei§en, denn ich
habe gegen dich und den Himmel so furchtbar gesŸndigt..."
Aus seiner unendlichen Barmherzigkeit heraus hat Gott Vater seinen Sohn
dahingegeben, dass er uns durch seinen SŸhnetod am Kreuze entsŸhne und erlŠse.
Jesu SŸnderliebe bis in den Tod am Kreuze ist der Ausfluss der gšttlichen
Barmherzigkeit. Wir kšnnen sagen: Jesus Christus ist insgesamt in seinem Wesen,
in seinem Lehren und Wirken, erst recht in seinem Leiden und Sterben die
Inkarnation der Barmherzigkeit Gottes, also die menschgewordene gšttliche
Barmherzigkeit.
Dazu kommt noch, dass uns Christus vom Kreuz herab seine jungfrŠuliche Mutter
als "Mutter der Barmherzigkeit" geschenkt hat.
Im Leben des hl. Odo von Cluny (+ 942) wird u.a. von einem RŠuber
erzŠhlt, der sich bekehrt hatte und Mšnch geworden war. Vor seinem Tod erschien
ihm eine Ÿberaus schšne Frau, die ihn fragte, ob er sie kenne. Als er dies verneinte,
sagte sie zu ihm: "Ich bin die Mutter der Barmherzigkeit, die dir zur Bekehrung
verholfen hat.Ò Dann kŸndigte sie ihm seinen nahe bevorstehenden seligen
Heimgang an. Der zum Mšnch gewordene einstige RŠuber berichtete noch unmittelbar
vor seinem Sterben seinem Abt, dem hl. Odo, von dieser Marien-Erscheinung. Seit
dieser Zeit war es die Gewohnheit des hl. Abtes Odo, die seligste Jungfrau
Maria als "Mutter der Barmherzigkeit" zu bezeichnen und als solche immer anzurufen. Dieser
Titel fŸr Maria verbreitete sich dann von Reformkloster Cluny aus Ÿber die
ganze abendlŠndische Christenheit bis hinein in das bekannte Mariengebet:
"Sei gegrŸ§tã o Kšniginã Mutter der Barmherzigkeit!Ò...
Es stellt sich hier die Frage: Ist unter der "Mutter der
BarmherzigkeitÒ die selbst ungemein "barmherzige Mutter" Maria
gemeint, oder nur die "Mutter Christi, der die Barmherzigkeit selber
ist"? Und die Antwort lautet: Beides ist richtig: Maria ist selbst
ungemein barmherzig gegenŸber all ihren Kindern, vor allem gegenŸber den
SŸndern, die in Gefahr sind, auf ewig verloren zu gehen. Und Maria ist Mutter Christi,
der die Verkšrperung der Barmherzigkeit Gottes, die menschgewordene
Barmherzigkeit Gottes ist. Beim Propheten Jesaia (49,19) fragt der unendlich barmherzige Gott:
"Kann denn eine Frau Ihr Kind vergessenã dass sie sich des Sohnes ihres
Scho§es nicht mehr erbarmte? Und wenn sie es vergessen kšnnte, Ich werde dich
nie vergessen!"
Denken wir hier bei der trostvollen Wahrheit von der Barmherzigkeit Gotte
zuletzt aber auch an das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, dem der Herr eine
Riesenschuld erlassen hatte, der aber
seinem Mitknecht gegenŸber so
hartherzig und unbarmherzig war, sodass sich dann die Barmherzigkeit des Herrn in strafende, strenge Gerechtigkeit
wandelte. Der Herr gab darum an Schluss des Gleichnisses die Mahnung:
"Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!"
Eine der Seligpreisungen des Herrn in seiner Bergpredigt lautet bekanntlich:
" Selig die Barmherzigen, sie werden Barmherzigkeit erlangen ' '
Zuletzt mšchte ich
unseren Hl. Vater, Papst Johannes Paul II. aus seiner Enzyklika "Dives in
misericordia" Ÿber die Barmherzigkeit Gottes noch zu Wort kommen lassen.
Nachdem er am Ostergeheimnis des Leidens, Sterbens und Auferstehens Jesu
die Barmherzigkeit Gottes aufgezeigt hat, schreibt der Papst: "Der
šsterliche Christus ist die endgŸltige Inkarnation der Barmherzigkeit Gottes,
deren lebendiges, heilsgeschichtliches und zugleich endzeitliches Zeichen. In
diesem Geist legt uns die Liturgie der Osterzeit den Psalmvers auf die Lippen:
'Die Erbarmungen des Herrn will ich ewig besingen.' In diesen šsterlichen
Worten der Kirchen klingen - in der FŸlle ihres prophetischen Gehalts -
die Worte Mariens nach, die sie bei der Begegnung mit Elisabeth, der Frau
des Zacharias, gesprochen hatte: 'Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht.'
Diese Worte eršffnen schon beim Morgenrot der Menschwerdung eine neue
Perspektive der Heilsgeschichte. Nach der Auferstehung Christi wird diese
Perspektive - geschichtlich und endzeitlich gesehen - neu lebendig. Seither
lšsen in immer grš§eren Dimensionen immer neue Geschlechter der riesigen
Menschheitsfamilie einander ab; und auch im Volk Gottes folgen einander neue Geschlechter,
welche die Male des Kreuzes und der Auferstehung tragen,
das Siegel des Ostergeheimnisses Christi,
der absoluten Offenbarung jenes Erbarmens, das Maria auf der Schwelle des Hauses ihrer Verwandten gepriesen hat: 'Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht.'
Maria hat auch auf
besondere und au§erordentliche Weise -
wie sonst niemand - das Erbarmen Gottes erfahren und ebenso auf au§erordentliche Weise mit dem
Opfer des Herzens ihre Teilnahme an der Offenbarung des gšttlichen Erbarmens
mšglich gemacht... Maria kennt am tiefsten das Geheimnis der gšttlichen Barmherzigkeit.
Sie kennt auch den Preis des gšttlichen Erbarmens und wei§, wie hoch er
ist."
Ja, flŸchten wir uns unter den Mantel der "Mutter der BarmherzigkeitÒ,
auf dass sie uns arme SŸnder und alle, die uns lieb und teuer sind, bewahre vor
dem Missbrauch der Barmherzigkeit Gottes in vermessentichem Vertrauen in sie.
Maria mšge uns schlie§lich bewahren vor dem unendlich gerechten Gericht Gottes. denn - so schreibt der Apostel Jakobus (2,13)
ein "erbarmungsloses Gericht wird Ÿber den ergehen, der kein Erbarmen gezeigt
hat. Barmherzigkeit aber triumphiert Ÿber das Gericht.Ò Amen