Der ganze Christ ist der begnadete Christ!

 

Und ich mšchte da gleich die Behauptung aufstellen: Jener Mensch, der nicht im Stand der Gnade ist, ist kein ganzer Christ, hšchstens ein halber, wenn es hochgeht!

Der ganze Christ – der begnadete Christ, der das gšttliche Leben der Gnade in sich trŠgt.

1.    Gnade: das Wort hŠngt sprachlich zusammen mit  ãniederÒ und deutet damit hin auf das ãgnŠdigeÒ Sich-Niederneigen Gottes zur Kreatur Mensch, um ihn zu seiner Gotteshšhe zu erheben.

In der Gnade erhebt Gott den Mensch in seine SphŠre, in die Ordnung der †bernatur hinauf. Der Mensch wird Ÿber seine Natur weit hinausgehoben in die Ordnung Gottes hinein, er wird in gewisser Hinsicht vergšttlicht. Das gšttliche Leben der Gnade in uns!

Hier geht es um unsere eigentliches Leben,

um unser wahrstes GlŸck,

um unsere hšchste WŸrde,

um unsere einzige Grš§e vor Gott (alles andere zŠhlt nicht in seinen Augen!)

um unseren kšstlichsten Besitz,

um unsere eigentlichste und heiligste Lebensaufgabe (dieses gšttliche Leben der Gnade in uns zur Entfaltung zu bringen).

Darum sollten wir die Gnade hochschŠtzen, Ÿber alles,

die Gnade bewahren,

die Gnade nicht verlieren,

die Gnade nicht verscherzen, nicht vergraben, sondern vermehren und zur Vollendung bringen.

 

2.    Das Ganze jetzt noch genauer:

Das gšttliche Leben der Gnade, was ist es?

Es ist schwer, davon zu sprechen, denn es geht hier um ein unsagbar gro§es Wunder: das Wunder der Gnade!

Es gibt in unserer Menschensprache Worte, die, so kurz sie klingen, doch unergrŸndliche Geheimnisse in sich bergen. So z.B. das Wort ãLebenÒ so kurz und doch so abgrundtief rŠtselhaft.

Und es gibt in unserer Menschensprache Worte, die, so kurz sie sind, doch ganze Welten von Seligkeiten in sich schlie§en kšnnen; so z.B. das Wort ãLiebeÒ.

Seht, nun gibt es auch in der Sprache unseres Glaubens solche Worte, die so kurz sie sind und so rasch sie auch ausgesprochen werden, doch unendlich geheimnisvoll sind und einen Himmel voll wunder und Seligkeiten in sich schlie§en. So ein Wort ist z.B. das Wort ãGnadeÒ.

Viele Menschen, auch Christen, auch Katholiken, stehen gleichgŸltig und ahnungslos vor diesem Wunder, weil es ihnen niemals aufgegangen ist, was das Leben der Gnade fŸr den Menschen bedeutet.

Und doch geht es hier um das Grš§te, Herrlichste, Gšttlichste, was wir kennen, um die erhabenste Botschaft, von der unsere hl. Religion uns Menschen kŸndet. Ich meine, es lohnt sich schon, dass einmal, am Tag der Immaculata, der Gnadenvollen, die von allem Anfang an dieses wundersame Gnadenleben in sich getragen hat, von diesen Wundern der gšttlichen Gnade gesprochen wird.

 

(1)  Was ist Gnade?

Ja, wenn man das so leicht sagen kšnnte! Man kann es nicht so leicht sagen, genauso wie man es nicht sagen kann, was das Leben eigentlich ist, das Geheimnis des Lebens.

Und doch mšchte ich es versuchen, zu sagen, was die Gnade ist.

Nur ein Versuch!

Und ich sage: a) Gnade ist ein Tršpflein Leben aus Gottes urewigem Leben, das Gott durch ein Wunder seiner Liebe in unser Herz hineinschafft, damit wir Menschenkinder gleichsam blutsverwandt werden mit Ihm, dem ewigen Gott: Kinder Gottes, teilhaft der gšttl. Natur!

 

Was ist Gnade? b) Gnade ist ein FŸnklein Liebe aus Gottes eigener, urewiger Liebe, das Gott in unser Herz hineinsenkt, damit es in gšttlicher Liebe aufglŸhe zu ihm, wie Eisen im Feuer erglŸht und damit gleichsam die Natur des Feuers empfŠngt. Gšttliche Liebesglut im menschlichen Herzen!

 

Was ist Gnade? c) Gnade ist ein strahl und Abglanz aus Gottes eigener, urewiger Herrlichkeit, die die Seele des Begnadeten in ein Gewand von Licht und Schšnheit hŸllt, so reich und herrlich, wie wir es auf Erden nie erfassen kšnnen. (Hl. Katharina von Genua, die eine Seele im Gnadenstand in einer Vision schauen durfte!)

Vgl. das feierliche Heilandswort bei Jo 17,22-24: ãIch habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, Vater, ihnen gegeben...Ò

Das ist es, was wir mit schwachen Menschenworten von der Gnade sagen kšnnen; das alles birgt sich in dem Wunder: gšttliches Leben in uns!

Aber wie kommt Gott Ÿberhaupt auf den Gedanken, in uns Menschen ein solches Wunder zu wirken, uns so hoch Ÿber uns zu erheben?

 

(2)  Warum das Wunder der Gnade?

Die Antwort gibt uns ein anderes Geheimnis: Das Wunder der Liebe Gottes!

ãGott ist die LiebeÒ – hier liegt der Grund fŸr das unsagbar schšne, tiefe Geheimnis des Gnadenlebens in uns: Liebe will schenken, will sich verstršmen, will beglŸcken... Und Gott ist das Urbild aller Liebe.

a)   Der ewige Sohn wollte Geschwister, Genossen seines GlŸckes beim Vater – aus Liebe.

b)   Der ewige Vater schuf ihm Geschwister und machte sie teilhaft seiner gšttlichen Natur – aus Liebe.

c)   Der Hl. Geist, der ewige Geist der Liebe, hat uns die Liebe und damit das Leben Gottes im Augenblick der Taufe eingehaucht und uns damit zu wahren Gotteskindern gemacht.

 

Jetzt verstehen wir auch das Wort ãGnadeÒ, denn wer von uns hat das verdient, dass Gott sich so tief zu uns herniederneigte? Wer hatte einen Anspruch auf solche Liebe?

Wir kšnnen hšchstens noch eines fragen:

 

(3)  Warum spŸren wir von all dem nichts, wenn es wirklich um so gro§es geht? Warum ist das Wesen und Wirken der Gnade in uns so tief verborgen? Die Antwort auf diese Frage:

a)   SpŸren wir denn wirklich gar nichts von diesem Gottesleben in uns?

Denkt an den Gottesfrieden nach einer guten Beichte, nach einer andŠchtigen hl. Kommunion, nach Augenblicken innigen Gebetes.

Die Gnade selber freilich ruht in uns noch wie ein Keim, noch unvollendet. Warum?

b)   Weil die Gnade in ihrer Vollendung die Schau Gottes, wie er ist, bedeutet. Wer aber Gott einmal schaut, wie er ist, ist in der seligen beglŸckenden UnfŠhigkeit, je noch sich von Gott loszusagen und von ihm zu trennen – er kann einfach nicht mehr. Gott will aber gerade sehen, ob es uns ernst ist mit unserer Liebe zu ihm, ob wir zu ihm kommen wollen; denn frei sollen wir uns das letzte, hšchste GlŸck verdienen. Darum hŠlt Gott mit dem letzten noch zurŸck; darum ist die Gnade erst noch ein Keim, der sich zur BlŸte erst noch entfalten soll. Und das wŠre eben unserer Lebensaufgabe als Christen, als ganze Christen. Wir sollten sie heilig ernst nehmen und erfŸllen!

 

Noch eins mšchte ich hier sagen: NŠmlich dies, dass das Gottesleben der Gnade unser wahres GlŸck ist:

 

(4)  Was bewirkt die Gnade?

Ausgehen mšchte ich da vom GlŸckstrieb im Menschen: wir mšchten gerne reich werden, gro§, angesehen, beliebt, schšn, liebenswŸrdig sein. Die Gnade erfŸllt dieses GlŸckstreben in herrlicher Weise. Die Gnade macht uns

1)   reich: an Gottes Leben, an gšttlichen KrŠften und FŠhigkeiten, an wertbestŠndigem Himmelslohn.

2)   Die Gnade macht uns gro§:

-       vor Gott (was doch die Hauptsache ist; vgl. Maria!)

-       vor den Menschen (vgl. den Aufstieg einer kleinen hl. Theresia: ãDurchaus nichts BesonderesÒ, so sagte der Konvent, als sich Therese zum Sterben anschickte. ãEine liebe kleine Schwester, sehr nett und freundlich, sehr brav und gewissenhaft. Sie hatte nichts zu leiden und war eher unbedeutendÒ. Welch eine Grš§e dieses frŸh vollendeten Menschen offenbarte sich aber, als man erst richtig darauf kam, wie reich begnadet Therese war und wie herrlich sich in ihr auf Grund ihres tapferen, konsequenten Mitwirkens mit der Gnade das gšttliche Leben der heiligmachenden Gnade vermehrt und entfaltet hatte. Schlie§lich wird der Gnadenstand und der Grad des Gnadenstandes im Augenblick des Todes das Entscheidende fŸr die wahre, ewige Grš§e eines Menschen ausmachen.)

3)   Die Gnade macht schšn und liebenswŸrdig, denn sie verleiht uns erst wahre seelische Schšnheit, gšttliche Schšnheit, unvergŠngliche dauernde Schšnheit im Gegensatz zur so schnell vergehenden, verblŸhenden irdischen Schšnheit.

 

Das alles mŸssen wir nur ein wenig Ÿberdenken und wir ahnen, welches GlŸck und welcher Friede aus diesen Wirkungen der Gnade erwŠchst.

Was kŸmmern wir uns denn so arg viel um das andere GlŸck, das ScheinglŸck, da ja doch keinen Bestand hat, wenn wir nur das wahre GlŸck im Herzen tragen!!!

Was die Gnade wert ist: Eine Geschichte: Tšrichte Kinder tauschen Diamanten gegen Glasperlen ein, weil sie ihren Wert nicht kennen; der kluge Kaufmann aber geht zum Fachmann, dort erfŠhrt er den wahren Wert der Steine. – Wir aber wollen zu Gott selber gehen und ihn befragen nach dem Wert der Gnade, diesen Diamanten der Seele.

Und Gott gibt uns die Antwort: nicht in Worten, aber in gšttlichen Taten.

Fragen wir uns nur: Was hat Gott es sich kosten lassen, um uns Menschen wieder das Leben der Gnade zu schenken?

1)   Der ewige Vater: opfert sein eigenes Kind. Jo 3,16: ãSo sehr hat Gott die Welt geliebt ...

2)   Der Sohn Gottes: sein ganzes Leben und Sterben opfert er, nur damit wir wieder zur Gnade kamen.

3)   Der Geist der Liebe, der Hl. Geist: er wirkt in seinem Reiche, der Kirche, fort und fort einzig und allein an diesem Werk der Gnade.

4)   Das Ziel der TŠtigkeit aller Priester, aller Seelsorge, aller MissionstŠtigkeit, aller Sakramenten-Spendung, auch aller Opfer der Kirche in Verfolgung und Leiden: damit den GlŠubigen das Leben der Gnade erhalten bleibe und damit die Ÿbrigen Menschen das Leben der Gnade erhalten. Tantus labor non sit cassus! Is 5,4: ãWas hŠtte ich noch mehr fŸr meinen Weinberg tun kšnnen und hŠtte es nicht getan?Ò

Wie wŠre es aber, wenn der Weinberg trotz dieser vielen MŸhen Gott nur saure Trauben brŠchte, statt sŸ§e edle Weinbeeren!

ãVergiss das Beste nicht!Ò

Und die letzte und grš§te und beglŸckendste Auswirkung des Gnadenstandes:

 

(5)  Die Gotteskindschaft!

1 Jo 3,1-3: ãSeht, welch eine gro§e Liebe der Vater uns erwiesen hat: wir dŸrfen uns Kinder Gottes nennen und sind es auch!Ò

Uns bedeutet leider vielfach dieses frohe Wissen darum, dass wir Kinder Gottes hei§en und sind, so wenig. Und doch ist es das Grš§te und Schšnste was von einem Menschen gesagt werden kann. Einstmals hat man diese Tatsache ganz anders eingeschŠtzt.

Wenn wir da etwa an den Siegeszug des jungen Christentums durch die altheidnische Welt denken – er ist ja eine unbestreitbare Tatsache – und fragen, was wohl an der christlichen Lehre eigentlich so viele und gerade beste und edelste Menschen so gepackt und ergriffen hat, dass sie sich mutig und opferbereit dafŸr entscheiden trotz der gro§en damit verbundenen Gefahren?

Die Antwort gibt uns Johannes im Prolog seines Evangeliums, wo er sagt: ãDenen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden...Ò

Gotteskindschaft! Das Wort lie§ jedes edle Herz aufhorchen, ob es nun die Patriziertochter im vornehmen ršmischen Palast war oder der arme, geplagte Sklave in elender Sklavenkammer. Das war doch eine Botschaft, die alles Edle, Gro§e im Menschenherzen aufrief! Das war etwas, was die Herrin ihrer Sklavin, der Sklave seinem Herrn unter vier Augen als das gro§e Geheimnis der neuen Lehre weitererzŠhlte: ãAuch du kannst Gottes Kind werden, wenn du nur willst!Ò – Noch heute ergreift es uns, wenn wir den LiebesjŸnger des Herrn, Johannes, in ehrfŸrchtigen Worten von diesem Geheimnis sprechen hšren. Er schrieb darŸber nicht nur in seinem berŸhmten Prolog zum Evangelium, sondern auch in seinem 1. Brief. Das stehen diese Worte, die zum schšnsten gehšren, was er seinen ersten Christen geschrieben hat: ãSeht, welch eine gro§e Liebe der Vater uns erwiesen hat: wir dŸrfen Kinder Gottes uns nennen; sind es aber auch!Ò

Diese Botschaft von der Gotteskindschaft des begnadeten Menschen:

Die selige Tatsache: Johannes spricht davon wie mit ehrfŸrchtig verhaltener Stimme, mit dem gro§en Staunen, mit dem Kinder am Hl. Abend vor dem Christbaum stehen. Hšrt ihr es nicht heraus, dieses ehrfurchtsvolle Staunen, wenn Johannes da schreibt: ãSeht, welche Liebe...!Ò

Der erste Blick des Apostels Johannes geht da auf den Vater, genauer gesagt, auf das Gottesherz des Vaters voll unendlicher Liebe zu uns: Und tatsŠchlich, welch eine Liebe, welch ein Geschenk! Schon dass wir Kinder Gottes hei§en dŸrfen, welche Ehre und Auszeichnung fŸr uns.  – Denkt nur an die Adoptivkinder eines gro§en Kšnigs, mit all den Folgen einer echten Adoption; ( General Irwin und sein Adoptivkind!) aber wir hei§en nicht blo§ Kinder Gottes, wir sind es auch. Weit Ÿber eine rein rechtliche ãAnnahmeÒ hinaus hat uns der Vater im Himmel Anteil an seinem gšttlichen Leben gewŠhrt und uns damit zu seinen echten Kindern gemacht durch die heiligmachende Gnade. ãWelche eine Liebe!Ò Wahrhaftig! Kšnnen wir diese Liebe jemals richtig wŸrdigen und einschŠtzen?

Dabei ist das erst der Anfang, denn Johannes sagt noch weiter, dass diese Tatsache unserer Gotteskindschaft durch die Gnade eine ganz gro§e, wunderbare Verhei§ung in sich schlie§t: ãWas wir sein werden, ist noch nicht offenbar!Ò Gott kann es uns – das will Johannes damit sagen – noch gar nicht klar machen und zeigen, was wir sein werden, denn es ist zu gro§, als dass wir es fassen und ertragen kšnnten.

Die Gotteskindschaft der heiligmachenden Gnade ist gleichsam erst der Keim, den wir hŸten und zur Entfaltung bringen mŸssen. Der Keim ist erst der Anfang, wie herrlich dann aber das voll Entwickelte; wir sehen es ja auch bei anderen Dingen, wie das Ende bei Gottes Wunderwerken immer so viel herrlicher ist als der unscheinbarste Anfang: Saatkorn und €hre, Kern und Fruchtbaum, Raupe und Schmetterling. Wie muss es erst sein, wenn es um das Hšchste geht: wenn der Keim der Gotteskindschaft in der heiligmachenden Gnade zur Entfaltung und Vollendung kommt? Und da ist es jetzt, als ob Johannes den Vorhang ein wenig zur Seite schieben wollte, dass wenigstens ein kleiner Lichtstrahl von dem, was uns erwartet, aus Gottes Himmel zu uns herniederdringe: ãWir werden ihm Šhnlich sein!Ò Es ist das eigentlich – wenn wir es mit glŠubigen Augen betrachten – gar nicht recht auszudenken: Wir – Gott Šhnlich: von Natur, in der Liebe, in der Seligkeit, im ewig seligen Leben! Und Johannes fŠhrt nochmals weiter und satt: ãWir werden ihn schauen, wie er ist... welch ein Himmel tut sich da vor uns auf: Den Vater schauen, wie sein gleichewiger Sohn in schaut, ihn lieben, wie er ihn liebt und selig sein in dieser Schau und in dieser Liebe, wie er, der Sohn, selig ist am Herzen des Vaters!

Das ist es, was der Vater im Himmel uns als herrlichste †berraschung vorbehalten hat, wenn wir ihm die gro§e Treue gehalten haben unser Leben lang!

Wenn es euch doch heute einmal richtig aufginge, was es hei§t: In der Gnade sein, begnadet sein, Gotteskind sein wie Maria es war von allem Anfang ihres Lebens an, sie, die Immaculata!