Primizpredigt (4. Juli 1993)
FŸr seine Primiz hat unser Primiziant vielsagend und ihn selbst sehr gut charakterisierend die Liturgischen Texte ausgewŠhlt. Zur Vorbereitung der Primizpredigt habe ich sie mir genau angesehen und bin dabei bei der ersten, alttest. Lesung aus Genesis, 12, 1-4 hŠngen geblieben. Hier ist von Abraham die Rede, den Gott aufgefordert hat, fortzuziehen aus seinem Land, aus seiner Heimatstadt Ur in ChaldŠa, aus seinem Vaterhaus, um in das Land zu ziehen, das Gott ihm zeigen werde.
Hier hat wohl der Primiziant sein persšnliches Lebensschicksal geschildert gesehen in dem Ruf, der an ihn ergangen ist.
Der Primiziant hat – wie Abraham – vieles verlassen: die rheinlŠndische Heimat, die ursprŸngliche Glaubensgemeinschaft, den weltlichen Beruf mit der damit gegebenen Chance, um an der Seite einer passenden Partnerin eine Familie zu grŸnden. Gott hat ihm als Lebensziel und Lebenssinn den zšlibatŠren Priesterberuf in der katholischen Kirche vor Augen gestellt, um in einem ihm bis dahin fremden Land mit bischšflichem Sendungsauftrag hier Menschen fŸr Christus zu gewinnen und das Volk Gottes zu mehren.
Die Haltung Abrahams, wie sie unser Neupriester in seinem bisherigen Leben mit all den Verzichtleistungen, die ihm abverlangt wurden, nachgeahmt hat, fand ich gro§artig formuliert in einem Negro-Spiritual, dessen Text ich eigentlich als prophetische Schilderung des Lebens eines jeden katholischen Priesters in unserer Zeit sehen mšchte. Der Text lautet so:
ãFort aus Ur in ChaldŠa / verlassen alles, / lassen alles, / alles.
Sich lšsen von allem, / fort ohne Bindung, / zerrei§en die Bande, / allein.
Fort aus Ur in ChaldŠa / auf Gottes Befehl, / auf Gottes stimme: / Geh!/ Lass alles und geh!
Fort aus Ur in ChaldŠa / in WŸste und Nacht, / mit Gott als BŸrgen / zum Land der FŸlle, / zum Land der Freude, / zur Nachkommenschaft, / zahllos wie Sand am Gestande, / unzŠhlbar wie die Sterne am Himmel, / hin zu Gott!
Fort aus Ur in ChaldŠa.Ò
Gebt mir recht, BrŸder und Schwestern: Im Ansatz, in der radikalen Bereitschaft, alles zu verlassen, vieles zu lassen, mŸsste das von jedem katholischen Priester gelten: Fort aus Ur in ChaldŠa, verlassen alles, lassen alles, was den berufenen hindern und behindern kšnnte im Einsatz fŸr Christus und sein Reich.
ãFort aus Ur in ChaldŠa; auf Gottes Befehl, auf Gottes Stimme: âGeh! Lass alles und geh!Ò Dabei ist dieses imperative ãGeh!Ò zu verstehen im Sinn der Worte Jesu an seine JŸnger vor seiner Himmelfahrt: ãGeht zu allen Všlkern, macht alle Menschen zu meinen JŸngern, tauft sie... und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe!Ò (Mt 28,19f)
Dazu also alles verlassen und vieles lassen, um bereit zu sein fŸr die Neuevangelisierung einer Welt, die ins Heidentum zurŸckzusinken droht und das zu werden sich anschickt, was man symbolisch unter ãUr in ChaldŠaÒ verstehen kann: eine Welt in Ÿppigem materiellem Wohlstand, in SŸnde und Laster und egoistischer SelbstgenŸgsamkeit, die fŸr das, was Gottes ist, nichts mehr Ÿbrig hat.
Dabei umfasst der Begriff der ãNeuevangelisierungÒ all die gro§en, verantwortungsvollen Aufgaben des Priesters, von der Spendung der Taufe und der Ÿbrigen Sakramente angefangen bis hin zur VerkŸndigung (gelegen oder ungelegen) der unverfŠlschten und unverkŸrzten Glaubenswahrheiten im Sinn des Weltkatechismus, der – zusŠtzlich zu den in der Priesterweihe empfangenen heiligen Gewalten – ein treffliches RŸstzeug liefert.
Wahrlich, gro§e, entscheidend wichtige und ehrenvolle Aufgaben sind dem Priester anvertraut: Man mšchte meinen, dazu lohne es sich, alles zu verlassen und vieles zu lassen und jeder, seiner heiligen Berufung bewusste Priester mŸsste dazu frohgemut bereit sein.
Aber da hei§t es im Negro-Spiritual weiter: ãFort aus Ur in ChaldŠa / in WŸste und Nacht!Ò Ja, das kann – wenigstens bisweilen – ein WegstŸck im Leben des Priesters sein: in WŸste und Nacht.
1) In der WŸste gibt es dann und wann SandstŸrme, durch die die Augen geblendet werden und der klare Blick verwehrt wird: So kann es dem Priester ergehen in Stunden der Erprobung, in der Versuchung zur Anpassung an den Welt- und Zeitgeist, wobei der Aufblick zu den Sternen, d.h. zu den Heiligen, den gro§en Vorbildern, Helfern und FŸrsprechern vergessen wird; vor allem der Aufblick zu Maria, zum Stern des Meeres.
2) Und die Nacht kann wie bei Abraham auf den Priester hereinbrechen, die Nacht der Mutlosigkeit und Verzagtheit, die sich einnistet im Priesterherzen. Auch die Nacht des Zweifels kann es sein, des Zweifels an der Berufung, ja sogar die Nacht des Zweifels an den Glaubenswahrheiten, die man zu verkŸnden hŠtte und aus denen man leben sollte wie die Heiligen. Auch die Nacht der Frustration, des Misserfolges im seelsorglichen Wirken kann es sein, bis hin zu dem bšsen Gedanken, heute doch nur noch auf verlorenem Posten zu stehen, da so viele die Kirche verlassen wie ein sinkendes Schiff.
In WŸste und Nacht aber gilt es dann, wie Abraham Gott zu vertrauen, der sich uns Priestern verbŸrgt hat in der heiligen Weihe und der uns seine dauernde Gnadenhilfe zugesagt hat und der – wie dem Abraham – auch uns versprochen hat, uns zu fŸhren zum Land der FŸlle, zum Land der Freude.
So hei§t es im Negro Spiritual: ãFort aus Ur in ChaldŠa/ mit Gott als bŸrgen / zum Land der FŸlle, zum Land der Freude.Ò
1. Das Land der FŸlle steht fŸr den Priester offen in den vielen Gnaden, die der Herr ihm schenkt fŸr die eigene BewŠhrung und zum Austeilen, um viele auf den rechten Weg zu fŸhren, manche sogar auf dem Weg zur Vollkommenheit und Heiligkeit.
2. Und das Land der Freude steht fŸr den Priester offen, wenn er es immer und Ÿberall (ãsemper et ubiqueÒ) ernst nimmt mit seinem Beruf: Freude im Wissen um die heiligen Vollmachten, die ihm seit Empfang der Priesterweihe zur VerfŸgung stehen: SŸndenvergebungsgewalt Ÿber sŸndige, aber reuige Menschen, Wandlungsgewalt Ÿber Brot und Wein in der Hl. Eucharistie, Leitungsgewalt, um zu fŸhren und zu lenken, zu suchen und zu retten, zu tršsten und zu heilen. Wie viel Freude erwŠchst doch dem Priester aus der Spendung der Sakramente, aus der tŠglichen Feier des Messopfers ãin persona ChristiÒ, Freude auch aus den gebrachten eigenen Opfern im Sinn des Dichterwortes: ãEs gab der Freuden viele; sie schwanden Ÿber Nacht. Nur eine ist mir geblieben: das Opfer, das ich gebracht.Ò
Zuletzt hei§t es im Negro-Spiritual: ãFort aus Ur in ChaldŠa / mit Gott als bŸrgen / zum Land der FŸlle / zum Land der Freude / zur Nachkommenschaft / zahllos wie Sand am Gestande, / unzŠhlbar wie die Sterne am Himmel / hin zu Gott.Ò
Leibliche Nachkommenschaft blieb Abraham bis auf den einen, den Isaak, versagt. Und doch sind es Hunderttausende geworden, die Abraham ihren leiblichen oder geistigen Stammvater nennen kšnnen. Dem Katholischen Priester, der es mit dem gelobten Zšlibat ernstnimmt, bleibt ebenfalls leibliche Nachkommenschaft versagt, aber die Glieder, die er durch sein Wirken in das Volk Gottes, in den mystischen Leib Christi einfŸgen darf und in die Gemeinschaft der Heiligen, sind zahlreich, ja zahllos und unzŠhlbar wie die Sterne am Himmel, weil sie der Priester zusammen mit seinen MitbrŸdern im priesterlichen Dienst zu Gott hingefŸhrt hat, bei dem wir einmal staunen werden, wie viele, wirklich zahllose Menschen durch die TŠtigkeit der Priester zum Ziel der beseligenden Anschauung Gottes gelangt sind.
Lassen wir es also gelten, was uns am Beispiel des Patriarchen Abraham Ÿber das Priesterleben und Priesterwirken gesagt wird, wenn der Priester – wie Abraham – dem Ruf Gottes gehorsam Folge leistet:
ãFort aus Ur in ChaldŠa / Verlassen alles, lassen alles, alles.
Sich lšsen von allem / fort ohne Bindung / zerrei§en die Bande, allein.
Fort aus Ur in ChaldŠa auf Gottes Befehl; / auf Gottes stimme: Geh! Lass alles und geh...
Fort aus Ur in ChaldŠa / in WŸste und Nacht:
Fort aus Ur in ChaldŠa / mit Gott als BŸrgen / zum Land der FŸlle / zum Land der Freude / zur Nachkommenschaft / zahllos wie Sand am Gestande, / unzŠhlbar wie die Sterne am Himmel / hin zu Gott!
Fort aus Ur in ChaldŠa.Ò Amen