34. Sonntag im Jahreskreis – C

Christkönig

gehalten in St. M. Loreto am 26. November 1995

 

Vor etwas mehr als zehn Jahren stand der damals neu gewählte Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz in Rom vor Hundertausenden von Menschen, die seiner Amtseinführung beiwohnten, und rief ihnen in seiner ersten Ansprache zu: "Habt keine Angst! Öffnet die Tore, ja reißt sie weit auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts für seine rettende Macht und für sein Reich!“

Diese Worte, die am Anfang seines Pontifikates stehen, hat Papst Johannes Paul II. auf seinen bisherigen Reisen durch die Welt immer wieder verdeutlicht. Nicht ihm, der auch nur ein Mensch ist, freilich ein Mensch mit einer ganz wichtigen Aufgabe und Sendung, aber nicht ihm, sondern Christus, den er verkündet, gebührt aller Jubel, alle Begeisterung, alle Treue in der Nachfolge, Ihm, Christus dem König!

Wir feiern heute das Christkönigsfest! Wir freuen uns über diesen König, dem wir zugehören, für dessen Reich wir opfern und beten, arbeiten und schaffen wollen. Aber vergessen wir dabei nicht, dass dieser König seinen Thron bestiegen hat, als er am Kreuze hing und starb. Daran erinnert uns das heutige Festtagsevangelium vom Christkönigsfest.

Es heißt da im Ev: "Über Ihm (dem Gekreuzigten) war eine Tafel angebracht mit der Aufschrift: 'Das ist der König der Juden!'"

Also ein gekreuzigter König ist es, zu dessen Reich wir gehören. Er hat ganz bewusst und ganz freiwillig den Kreuzestod auf sich genommen und hat erwartet, dass dann erst seine Königsherrschaft sich auszuwirken beginnt. Er hat ja gesagt: "Wenn Ich am Kreuze erhöht sein werde, werde Ich alle an mich ziehen!"

An diesem gekreuzigten König scheiden sich die Geister! Wir erleben es im Bericht des heutigen Ev: Da heißt es zuerst: "Als sie Jesus gekreuzigt hatten, spotteten die Mitglieder des Hohen Rates: Anderen hat Er geholfen, nun solle Er sich selbst helfen, wenn er der von Gott erwählte Messias ist."

Nach dem Bericht über den Spott der Mitglieder des Hohen Rates, die den gekreuzigten König verhöhnten, ist von den Soldaten die Rede, die nun die Hinrichtung ihres Spottkönigs, dem sie nach der Geißelung die Krone aus Dornen aufgesetzt haben, zu vollstrecken hatten: "Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: 'Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!'"

Alle diese Spötter meinen, dieser gekreuzigte König sei ohnmächtig, er könne sich nicht helfen. Die Spötter übersahen völlig, dass dieser König sich selbst nicht helfen wollte, er dachte nicht an sich, er dachte nur an die anderen, er opferte sich selbst, um den anderen zu helfen, um den anderen zu dienen. Hat er doch einmal klar und deutlich gesagt: Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für die Vielen! Er wollte sich kreuzigen lassen, um dann so die Menschen an sich zu ziehen und so sein Reich aufzurichten, das ein Reich der selbstlos dienenden, helfenden, sich hinopfernden Liebe ist. Christus wollte ja nichts für sich, er gab alles hin für uns. So hat er es noch beim letzten Abendmahl über Brot und Wein ausgesprochen: "Nehmet hin und esset, das ist Mein Leib, der für euch hingegeben wird. Nehmet hin und trinket alle daraus, das ist Mein Blut, das für euch vergossen wird!" Nichts für Mich, alles für euch! Das war in wenigen Worten die selbstlos dienende, sich opfernde Haltung Jesu von der Krippe bis zum Kreuz. In dieser selbstlosen Liebe wollte er König sein und sein Reich aufrichten. Nicht in der Strohfeuerbegeisterung der Volksscharen damals nach der wunderbaren Brotvermehrung, als man kam, um ihn im Triumphzug als König nach Jerusalem zu tragen. Da zog er sich von den Menschen zurück, ganz allein, auf den Berg.

Jetzt ist er wieder auf einem Berg, auf dem Berg Golgotha. Da besteigt er als König seinen Thron. Sein Thron ist das Kreuz der sich hinopfernden Liebe.

Wer übersieht, dass hier, in der selbstlos dienenden, sich restlos hinopfernden Liebe Christi Königtum grundgelegt und sein Königreich aufgerichtet worden ist, der verkennt Christi Königtum und macht daraus ein allzu menschliches, triumphalistisches Königtum, dem heute wie damals mit Recht Spott und Ablehnung entgegenschlägt.

Nochmals wird zuletzt im heutigen Ev zum Christkönigsfest von einem Spötter über das Königtum des gekreuzigten Jesus berichtet: Diesmal ist es der linke Schächer. Er lästert und spottet zum Gekreuzigten in der Mitte: "Wenn du der verheißene königliche Messias, also Christkönig bist, dann zeig es und beweis es, indem du dir und dann uns hilfst!" Aber du kannst weder dir noch uns helfen. Darum bist du auch nicht der Messiaskönig, der erwartet wird, sondern bist eben doch nur ein armer Spottkönig!

Da tut nun der rechte Schächer, der bisher geschwiegen, aber viel gedacht und über sich und den Gekreuzigten in der Mitte nachgedacht hat, den Mund auf: Er weist den Schicksalsgenossen auf der linken Seite mit dem Hinweis auf die gemeinsame Schuld, die sie auf sich geladen haben, zurecht. Von der Gnade Gottes erleuchtet, erkennt er die Unschuld und Heiligkeit Jesu, bekennt in einer öffentlichen Beichte seine eigenen Sünden, die er aufrichtig bereut. Schließlich bekennt er - von der Gnade Gottes erleuchtet - die wahre Königswürde des Gekreuzigten in der Mitte, der da mit so ergreifender Bereitschaft und Geduld leidet, und richtet dann an Christkönig die vertrauensvolle Bitte: "Herr, gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst!"

In der Antwort auf diese demütig vertrauensvolle Bitte zeigt dann der gekreuzigte Herr seine wahre Königsmacht, in der er — wie er versprochen — alle an sich ziehen will. Mit einem heiligen Schwur verspricht Christkönig dem rechten Schächer: "Amen, Ich sage dir: Heute noch wirst du bei Mir im Paradiese sein!"

Ja, im ewigen Reich der Herrlichkeit hat Christkönig die Plätze zu vergeben. Und er vergibt sie nicht gemäß dem, was in den Augen der Welt zählt, sondern nach dem, was in den Augen Gottes zählt: der rechte Schächer hat seine Sünden bereut und gebeichtet, als er zum rechten Schächer sagte: "Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Untaten!" Der rechte Schächer ist dann für die Schuldlosigkeit und Unschuld Jesu eingestanden: "Dieser in der Mitte hat nichts Unrechtes getan!" Wie viel Mut gehörte in jener Stunde dazu, da doch alle anderen ringsum das Kreuz auf Golgotha und Jesus verspotteten und schmähten...

"Herr, gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst!"

Brüder und Schwestern, wir sollten diese Bitte des rechten Schächers zusammen bedenken mit der Bitte, die der Herr uns in seinem Gebet, im Vaterunser, zu beten gelehrt hat: „Zu uns komme Dein Reich!"

Christkönig kommt in sein Reich, er kommt in sein Reich der glorreichen Auferstehungsherrlichkeit, die Er sich durch seinen Opfertod am Kreuz verdient hat, wie es im schönen Christushymnus im 2. Kapitel des Philipperbriefes des hl. Paulus so ergreifend und vielsagend ausgesprochen worden ist: "Er, der in Gottes Daseinsweise war,... hat sich selbst entäußert. Er nahm Knechtsgestalt an, wurde uns Menschen gleich und erniedrigte sich und ward gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuze. Darum hat Ihn Gott Vater auch so hoch erhoben und Ihm den Namen verliehen der über alle Namen ist, auf dass im Namen Jesu jedes Knie sich beuge, derer im Himmel, derer auf Erden und derer in der Unterwelt, und dass jede Zunge bekenne: Jesus Christus der HERR, zur Ehre Gottes des Vaters!"

Da kam Christkönig in sein, Reich, Er, der Kyrios, der Herr, dem alle Herrlichkeit, Anbetung und Verherrlichung gebührt!

Christi Reich kommt zu uns, wenn wir uns – wie der rechte Schächer – vom Geist Christi des Gekreuzigten anstecken und erfüllen lassen. Wir wissen schon, wie dieser Geist Christi des Gekreuzigten beschaffen ist. Es ist der Geist der selbstlos dienenden, selbstlos sich hinopfernden Liebe, wie sie uns der gekreuzigte Christkönig in so ergreifender Weise vorgelebt hat.

Bloße Strohfeuerbegeisterung für Christkönig hat keinen Wert. Wir alle sollten uns wieder viel mehr um den Geist des gekreuzigten Christkönigs bemühen. Die Welt spottet heute genau so wie damals über diesen Geist selbstlos dienender, sich vorbehaltlos hinopfernder Liebe. Und doch braucht die Welt diesen Geist so notwendig. Und die Kirche braucht Menschen, die von solchem Geist erfüllt sind, so notwendig. Und anders kann das Reich Gottes, das Reich Christi des Königs nicht zu uns kommen. Nur durch eine sich für andere selbstlos hinopfernde, den anderen selbstlos dienende Liebe wird das Reich Christi des Königs wahrhaft aufgerichtet.