32. Sonntag im Jahreskreis – C

gehalten in St. M. Loreto am 6. November 1977

 

Das etwas fremd anmutende heutige SoEv berichtet uns, wie eines Tages nicht wie gewöhnlich Pharisäer, sondern Sadduzäer zum Heiland kamen, um ihn durch eine Fangfrage zu blamieren. Die Sadduzäer waren — im Gegensatz zu den Pharisäern — die Progressisten von damals, sie waren in jeder Hinsicht großzügig liberal. In politischer Hinsicht hielten sie es mit der römischen Besatzungsmacht und kollaborierten mit ihr; die sittlich großzügige römische Zivilisation und Lebensweise galt ihnen weit mehr als die Treue zum jüdischen Gesetz und zur Überlieferung. Sie waren überall für den Fortschritt, nicht für das alttestamentliche Gesetz, das sie als altmodisch und veraltet abtaten; ein heidnisches Götterbild nach römischer Art konnte nach ihrer Meinung ruhig im Tempel des einen wahren Gottes aufgestellt werden. Der Glaube an ein Fortleben nach dem Tod war für sie eine total überholte Angelegenheit und kam für sie nicht mehr in Frage, noch weniger der Glaube an die Auferstehung der Toten.

Nun kamen sie eines Tages — wie gesagt — zu Jesus und stellten ihm eine höchst sonderbare, eigentlich total sinnlose Frage bezüglich der Auferstehung, die unser Herr und Heiland bisher schon während seines öffentlichen Wirkens klar gelehrt und verkündet hatte. Die Sadduzäer wollten nun Jesus gerade in diesem Punkt, was die Wahrheit von der Auferstehung betrifft, in aller Öffentlichkeit ordentlich blamieren und hatten sich dazu aus dem sogenannten Gesetz der Leviratsehe, wie es im 5. Buch Moses vorgeschrieben war, einen ganz extremen, überaus komplizierten Fall ausgedacht: Eine Frau heiratete. Die Ehe wurde vollzogen, blieb aber kinderlos, da der Mann bald starb. Nun musste die Witwe gemäß dem Gesetz der Leviratsehe den Bruder ihres verstorbenen Mannes heiraten. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Wieder starb der Mann. Die Witwe musste wieder gemäß dem Gesetz der Leviratsehe einen Bruder des verstorbenen Mannes heiraten. Das wiederholte sich insgesamt siebenmal. Wird nun diese Frau, die der Reihe nach mit sieben Männern, mit sieben Brüdern verheiratet war, nach der Auferstehung im Jenseits die Frau und Gattin dieser sieben Männer zugleich sein? So fragten die Sadduzäer den Heiland spöttisch, um so die Wahrheit von der Auferstehung lächerlich zu machen.

Oder werden etwa diese sieben Männer nach der Auferstehung im ewigen Leben eifersüchtig um diese eine Frau, mit der im Diesseits jeder von ihnen kurze Zeit verheiratet war, kämpfen? Aus ihrer Frage klingt ganz offensichtlich hämischer Spott der Sadduzäer über Jesus und seine Lehre von der Auferstehung heraus. "Wie denkt sich wohl dieser Wanderprediger aus Nazaret das Leben im Jenseits aus? Etwa gar ohne Sex und ohne Ehe? Aber ist denn das überhaupt denkbar: ein Leben ohne sexuelle Betätigung und ohne Ehe?" Die Sadduzäer wussten selbstverständlich, dass dieser Wanderprediger aus Nazaret keine Frau hatte, dass er ehelos lebte und die Männer, die er um sich geschart hatte und die ihn begleiteten, die Apostel, hatten - sofern sie überhaupt verheiratet gewesen waren - ihre Frau daheim verlassen, um mit Jesus zu ziehen und Ihm nachzufolgen unter Verzicht auf Haus und Hof, auf Ehe und Familie. Man kann zwar diesem Jesus - so mögen die Sadduzäer gedacht haben - nichts Schlechtes nachsagen, eigentlich auch seinen Aposteln nicht; aber dieses ehelose, von Sex völlig unbelastete Leben, das Er und sie führen, dieser Zölibat, den sie der Welt vorleben, ist auf jeden Fall eine eigenartige, unser Gewissen beunruhigende Sache! Diesbezüglich dachten die Sadduzäer nicht anders als die Propagandisten und Kämpfer gegen den Zölibat in unserer Zeit.

Was gab nun der göttliche Heiland den Sadduzäern für eine Antwort auf ihre spöttische Fangfrage? Seine Antwort war ruhig, nüchtern und sachlich: Nur in dieser Welt wird geheiratet, um das Menschengeschlecht fortzupflanzen. Dann aber - im Jenseits - ist die Zeit dafür vorbei. Hier folgt dann ein Lobpreis Christi auf die Würde des recht verstandenen Zölibats: "Die gewürdigt worden sind, an jener (jenseitigen) Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht!" Und auch jene, die hier auf Erden (rechtmäßig) verheiratet waren, werden dann nicht mehr von ihrer Ehe Gebrauch machen und nicht, mehr heiraten und nicht mehr verheiratet werden. Die wahre Liebe wird zwar auch im Jenseits bleiben und wird unter denen, die auf Erden einander liebten, sicher fortbestehen, aber es wird dann eine ungetrübte Liebe sein, die nicht mehr getrübt und gestört werden kann von Leidenschaft und Eifersucht, die bekanntlich mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Es wird dann eben im anderen Leben schönste, reinste und völlig ungetrübte Liebe geben. Die Auferstehung aber wird keine Rückkehr in ein Leben der irdischen Existenzweise sein, sondern wird zu einem Leben führen, in welchem weder Leid, noch Jammer, noch Trübsal sein wird, weil Gott dann jede Träne von unseren Augen abwischen wird!

Wir stellen uns das jenseitige Leben und die Auferstehung vielfach völlig falsch vor, als ob es dabei um die Fortsetzung des irdischen Lebens ginge, nur halt so, wie wenn man aus einem Land in ein anderes, oder wenigstens von einem Kontinent in einen anderen übersiedelt wäre. Aber selbst dann, wenn man von einem Kontinent, etwa von Europa, nach Amerika oder Afrika oder Ostasien übersiedeln würde, also in ein Land mit völlig anderen klimatischen Verhältnissen, so bliebe das Leben doch immer ein sehr irdisches mit dem Verlangen nach Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse und ein Leben, das immer von Leid und Sorge, von Krankheit und Tod bedroht wäre. - Im Jenseits aber nach der Auferstehung wird es einmal nicht nur anders sein, es wird vielmehr ein in jeder Hinsicht ganz neues, unirdisches Leben sein. Darum muss jeder Versuch scheitern, konkret zu schildern, wie es einmal im Jenseits sein wird. Der hl. Paulus hat schon recht, wenn er uns diesbezüglich sagt: "Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr gehört und in kein Menschenherz ist es bisher schon gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben!" Es muss auch jeder Versuch scheitern, konkret zu schildern, wie es in der Auferstehung und nach erfolgter Auferstehung zugehen wird. Nur das wissen wir diesbezüglich wieder, was der hl. Paulus in seinem großartigen Auferstehungskapitel im 1. Korintherbrief (1 Kor 15) geschrieben hat: "Ins Grab sinkt ein Leib in Vergänglichkeit, auferweckt wird ein Leib in Unvergänglichkeit, gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt wird in Kraft; gesät wird ein naturhaft-beseelter Leib, auferweckt wird ein geistiger Leib."

Der göttliche Heiland hatte die Fangfrage der Sadduzäer beantwortet. Nun fügte er noch einen wichtigen Beweis für die Tatsache der kommenden Auferstehung hinzu und sagte: "Gott ist ja kein Gott der Toten, sondern der Lebendigen, so wie die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob für Gott nicht tot sind, sondern leben, denn Gott hat sie auserwählt und berufen zu einem ewigen Leben.“

Nicht bloß hier, sondern auch sonst mehrmals hat Christus ausdrücklich hingewiesen; so etwa, wenn er bei Joh 5,29 gesagt hat: "Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Menschensohnes hören werden; und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes!" Denken wir auch an den vielsagenden Dialog Jesu mit Marta, der Schwester des Lazarus, der gestorben war und nun schon den vierten Tag im Grabe ruhte. Marta sagte: "Herr, wärest Du hier gewesen, so wäre mein Bruder nicht gestorben! Aber auch jetzt - ich weiß es - wird Gott Dir alles geben, was Du von ihm erbittest!" Da sprach Jesus zu ihr: 'Dein Bruder wird auferstehen!' - Marta erwiderte Ihm: 'Ich weiß, er wird auferstehen - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage!" - Da sprach Jesus: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an Mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der lebt und an Mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben!"

Brüder und Schwestern im Herrn! Gerade an diesem Sonntag nach Allerheiligen und Allerseelen, sollten wir es uns wieder ganz tief in die Seele schreiben: Unser Glaube heißt Auferstehen, unsere Hoffnung heißt Wiedersehen! Der Herr hat es klar verkündet und hat dabei bestätigt, was schon die wahrhaft gläubigen Israeliten geglaubt haben, wie etwa jene tapfere makkabäische Mutter und ihre Söhne, von denen heute in der alttestamentlichen Lesung die Rede war. So hat auch die gesamte Christenheit von allem Anfang an geglaubt, wie es aus den Predigten des hl. Paulus in der Apg und aus seinen Briefen klar hervorgeht. Und von Anfang an bekannten sich die Christen zu dieser Wahrheit: "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben!" Daran haben Christus und die Apostel festgehalten, auch wenn die Sadduzäer darüber spotteten. Daran hat die Kirche herauf durch die Jahrhunderte festgehalten, auch wenn die Ungläubigen und Materialisten darüber spotteten und den Kopf schüttelten. Wir wollen unerschütterlich daran festhalten und was wir im österlichen Auferstehungslied zu singen pflegen, soll Geltung haben: "Mein Glaube darf nicht wanken. 0 tröstlicher Gedanken: Ich werde durch Sein Auferstehn gleich Ihm aus meinem Grab erstehn!" Amen.