32. Sonntag im Jahreskreis – C
gehalten in St. M. Loreto am 10.11.1974
"Zu Jesus kamen einige der Sadduzäer, die die Auferstehung leugnen." Solchen Menschen, die die Auferstehung leugnen, begegnete auch der hl. Paulus. Als er in Athen von der Auferstehung der Toten sprach, "spotteten die einen, während die anderen sagten: 'Darüber wollen wir dich ein andermal hören'(, derzeit interessiert uns das nicht)!" (Apg 18,32).
Geht es heute dem Priester nicht oft ganz ähnlich? Die einen spotten ungläubig, wenn sie über die Auferstehung predigen hören, andere sagen, das interessiere sie vorläufig nicht. Wie sieht es diesbezüglich bei uns aus? Wir bekennen zwar am Schluss des Apostolischen Glaubensbekenntnisses: "Ich glaube...an die Auferstehung des Fleisches (der Toten, wie es jetzt heißt) und ein ewiges Leben"; aber glauben wir wirklich an diese unsere Zukunft? Wir bekennen im sogenannten Nicaeno-Const. Glaubensbekenntnis (im Messcredo): "Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt"; es fragt sich aber, ob wir das wirklich "erwarten" in starkem Glauben, in zuversichtlicher Hoffnung, oder ob wir nicht doch auch - wie viele um uns herum - so dahinleben, als würde mit dem Tod einmal alles aus und zu Ende sein?
"Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben", das heißt doch, dass Gott für den Menschen, für den ganzen Menschen, für den aus Seele und Leib zusammengesetzten Menschen eine Zukunft, eine herrliche Zukunft bereithält, die jenseits aller denkbaren Vorstellungen und jenseits aller wahrnehmbaren Ziele liegt. Hier zeigt sich eben der gewaltige Unterschied zwischen Tier und Mensch: Das Tier verendet, der Mensch aber, der nach dem Ebenbild Gottes, des Unsterblichen und Ewigen, geschaffen ist, hat nach dem herrlichen Schöpfungs- und Heilsplan Gottes eine absolute Zukunft, deren Größe, Schönheit, Herrlichkeit und Seligkeit für den, der in der Gnade, Liebe und Freundschaft Gottes stirbt, so unvorstellbar beglückend sein wird, dass sogar der hl. Paulus, der doch, wie er einmal schreibt, in den 3. Himmel erhoben wurde und Geheimnisse erfahren durfte, von denen die gewöhnlichen Menschen keine Ahnung haben, dennoch überwältigt gestand: "Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben".
"Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben", das ist die Zukunft des Menschen, der in der Gnade Gottes stirbt, wie uns der Glaube sagt und wie uns Christus lehrt. "Solche Menschen werden gewürdigt, an jener (jenseitigen Welt und an der Auferstehung der Toten teilzuhaben. Sie können dann nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Auferstandene zu Söhnen (und Töchtern) Gottes geworden sind. Dass aber die Toten auferweckt werden, hat schon Mose, an der Stelle vom brennenden Dornbusch angedeutet, wo er den Herrgott den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nennt und damit betont, dass Gott kein Gott der Toten, sondern der Lebenden ist" So heißt es aus dem Munde Jesu im heutigen Sonntagsevangelium. Glauben die Menschen heute an diese wahrhaft frohe Frohbotschaft?
Wir müssen leider die Feststellung machen, dass sehr viele Menschen, sogar viele Christen, auch sogar Katholiken heute mit dem Glaubensartikel von der Auferstehung der Toten und vom ewigen Leben nichts oder jedenfalls nicht mehr viel anfangen können. Bei einer vor kurzem durchgeführten repräsentativen Befragung durch ein Institut für Demoskopie stellte sich heraus, dass ein ganz überraschend großer Prozentsatz von Durschnittskatholiken, die für gewöhnlich sogar noch in die Sonntagsmesse gehen, der Überzeugung ist, dass mit dem Tod alles aus ist. Nur jeder zweite Katholik und jeder vierte Protestant glaubt an die Auferstehung und das ewige Leben. Viele sind also der Meinung, dass auch der Mensch — sagen wir es nur ganz realistisch und deutlich — verendet, ein totales Ende nimmt im Tode. Rätselhaft ist dabei freilich, wie dann solche Katholiken noch Sonntag für Sonntag das Glaubensbekenntnis zu Ende sprechen können, wenn sie nicht mehr an die Unsterblichkeit der Seele, nicht mehr an ein ewiges Leben im Jenseits und erst recht nicht mehr an eine Auferstehung der Toten glauben! Und doch gehört beides, das ewige Leben, also das Fortleben nach dem Tode, und die Auferstehung des Leibes nach dem vielfach belegbaren Zeugnis der Hl. Schrift zur klaren Lehre des Gottmenschen Jesus Christus, seiner Apostel und der Kirche. Die ganz zentrale Bedeutung dieser Glaubenswahrheiten vom ewigen Leben und von der Auferstehung des Leibes steht für den, der die Schriften des NT kennt, außer Zweifel. So klar, wie im NT die Auferstehung Jesu Christi bezeugt wird, so klar wird auch gesagt, dass die Auferstehung Jesu Christi exemplarisch ist für die Auferstehung der Christen und Vorbild und Unterpfand ist für unsere Auferstehung. Man müsste da nur das großartige Auferstehungskapitel des hl. Paulus im 1 Kor 15 nachlesen. Oder lassen wir wenigstens die Mahnung auf uns wirken, die im 2 Tim 2,8ff stehen: "Denk daran: Jesus Christus ist von den Toten auferweckt worden, der Sprosse Davids, so lehrt es mein Evangelium, in dem ich Leiden ertrage, selbst Fesseln wie ein Verbrecher aber Gottes Wort lässt sich nicht fesseln. Darum erdulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie das Heil in Christus Jesus erlangen in ewiger Herrlichkeit. Zuverlässig ist das Wort: Wenn wir mit Christus gestorben sind, dann werden wir mit ihm auch leben. Wenn wir mit ihm dulden, werden wir mit ihm auch herrschen. Wenn wir aber ihn verleugnen, wird auch er uns verleugnen."
Ich muss hier immer an jene Grabinschrift denken, die sich ein gläubiger Christ, der berühmte nordamerikanische Staatsmann, Schriftsteller und Erfinder Benjamin Franklin (+1790) selbst auf seinen Grabstein setzen hat lassen: "Hier ruht der Leib Benjamin Franklins, wie der Einband eines alten Buches, aus dem der Inhalt herausgenommen und der seiner Aufschrift und Vergoldung beraubt worden ist - eine Speise der Würmer; das Werk selbst aber wird nicht verlorengehen, sondern, wie er fest glaubt, einst in noch schönerer Neuausgabe erscheinen, durchgesehen und verbessert von seinem Urheber".
Ja, der Leib, der im Grab zerfällt, ist nur der Buchumschlag für den kostbaren Inhalt, für die unsterbliche Seele mit dem von ihr aus Worten und Taten geprägten Lebensinhalt; sie wird im Jenseits noch geläutert in dem, was wir mit der Kirche Fegfeuer nennen; dann aber wird es in der allgemeinen Auferstehung zur verbesserten Neuauflage des Buches, d.h. des Leibes, mit seinem Inhalt, der von letzten Makeln gereinigten Seele kommen, und es wird eine Auferstehung in Herrlichkeit sein, damit nun der ganze Mensch mit Seele und Leib am ewigen Glück des dreieinigen Gottes für immer und ewig teilhabe. Das ist der Sinn jener letzten Sätze im apostolischen Glaubensbekenntnis: Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen
Wir stellen im Apostolischen Glaubensbekenntnis etwas Eigenartiges fest: Es wird nämlich darin vom Wirken des dreifaltigen Gottes nach außen gesprochen und ein dreifaches Werk Gottes genannt: am Anfang die Schöpfungstat Gottes, in der Mitte die Tat der Menschwerdung Gottes und am Schluss die Auferstehung. Das Band aber, das dieses dreifaltige Werk Gottes verbindet, ist jeweils - so eigenartig das klingen mag - das Fleisch! Die Christen der Urkirche bekannten sich im Apostol. Glaubensbekenntnis zum Schöpfer des Fleisches, dann zur Menschwerdung des Sohnes Gottes im Fleische ,und schließlich zur Erlösung des Fleisches in der Auferstehung. Man muss die Bedeutung dieser Aussagen unbedingt beachten! Gegen alle gnostisch-manichäische Fleischfeindlichkeit und Leibfeindlichkeit, in der von den Irrlehrern die Erschaffung des Fleisches nicht dem guten Gott, sondern einem ewigen bösen Prinzip zugeschrieben wurde und darum allem Fleischlichen und Leiblichen nur mit stolzer, ablehnender Verachtung begegnet wurde, hat die angeblich so leibfeindliche Kirche sich immer dazu bekannt, dass auch dem Leib gottgewollte Herkunft und Bestimmung eigen ist und ihm darum größte Ehrfurcht gebührt. Nicht bloß bei der Erschaffung der Seele des Menschen, auch bei der des Leibes sprach der Schöpfergott vom Menschen, den er nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen hat: "Und es war sehr gut!" Und der Sohn Gottes hat im Geheimnis der Menschwerdung nicht etwa einen Scheinleib angenommen, sondern einen echten, leidensfähigen Menschenleib, der ihm als Werkzeug diente im großen Werk der Erlösung und der ihm weiter dazu dient, um im Hl. Sakrament der Eucharistie immer unter uns gegenwärtig zu sein. Und nun erfahren wir, dass der Leib eines jeden Menschen nicht etwa dazu bestimmt ist, sich im Tod in Staub und Asche und in nichts aufzulösen, sondern einmal durch die Auferstehung mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele an den beseligenden Freuden des Himmels teilzunehmen.
Warum wohl? Fürs erste: Die sittlichen Handlungen des Menschen sind ja Handlungen des ganzen Menschen, der aus Seele und Leib besteht. Der göttlichen Gerechtigkeit ist es daher angemessen, auch den Leib im Jenseits - sei es an der ewigen Belohnung, sei es an der ewigen Bestrafung - teilnehmen zu lassen.- Fürs zweite: Der Mensch ist im ganzen Universum jenes höchst bedeutungsvolle Bindeglied zwischen der materiellen körperlichen Welt und der Welt des Geistes: Der Mensch als Geist-Leib-Wesen ist ein Mikrokosmos, ein Spiegelbild der gesamten Schöpfung. Der ganze Mensch mit Seele und Leib soll als dieses einzigartige Bindeglied zwischen der Körperwelt und der Welt des Geistes bei der einstigen Erneuerung des Weltalls zur Verherrlichung des Schöpfers beitragen. - Und ein Drittes noch: Der Leib ist wohl vergänglicher Staub - im Gegensatz zur unsterblichen Seele, aber er war doch im Erdenleben Träger und Vermittler des Segens Gottes, Bild und Gefäß aller übernatürlichen Begnadigung des Menschen: Die Sakramente der Kirche werden mit dem Leib empfangen und kommen so dann erst der Seele zu gute. Denken wir nur an die Taufe, die Firmung und erst recht an die hl. Kommunion. Hier wurde der Leib so oft zum Tabernakel des eucharistischen Gottmenschen. Der Leib ist nach dem Pauluswort ein Tempel des Hl. Geistes. Wie sollte er also von jener Zukunft in Herrlichkeit, die Gott für den Menschen bestimmt hat, ausgeschlossen sein? Gewiss, er ist von der Erde genommen und wird wieder zur Erde in der Verwesung. Aber wie Gott in der Erschaffung des Menschen seinen Lebensodem in den Leib eingehaucht hat, um in ihm das Leben zu wecken, so wird Gott es am Ende der Zeiten in der Auferstehung des Fleisches wiederum machen und das ewig selige Leben bei Gott wird dann nicht ohne die Leiblichkeit des Menschen sein.- So ist nun einmal der ewige, gütige Gott, der ein Gott der Lebenden und nicht der Toten ist: Er hat sich in seiner unendlichen Güte und Liebe zum vergänglichen Staub herabgelassen im Geheimnis der Menschwerdung: "Und das Wort ist Fleisch geworden" — Er will den Staub einmal hinaufheben in seine Herrlichkeit, auf dass es sich dann wortwörtlich erfülle, dass alles Fleisch das Heil Gottes schauen wird(Lk 3,6). Das ist etwas vom Schönsten und Ergreifendsten am Heilsplan und Liebesplan Gottes für den Menschen: Gott, der reinste Geist, achtet den Menschenleib nicht gering. Mit unendlicher Liebe beugt er sich zu diesem Staubgebilde und drückt ihm in der Auferstehung den Kuss der Unsterblichkeit auf! An einem bloßen Menschen ist das nach dem Gottmenschen Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, volle Wirklichkeit geworden: an der mit Seele und Leib in die Herrlichkeit Gottes aufgenommenen jungfräulichen Gottesmutter Maria, die dabei nicht einmal eine Ausnahme, sondern nur eine Vorausnahme dessen war, was an allen Erlösten einmal Wirklichkeit werden soll. Glauben wir daran, hoffen wir darauf und bemühen wir uns darum und denken wir jetzt in dieser Eucharistiefeier an jenes Wort des Herrn in seiner eucharistischen Verheißungsrede: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage!"(Joh 6,54)