31. Sonntag im Jahreskreis – C
gehalten in St. M. Loreto am 5.11.1995
Jesus kommt, begleitet von seinen Aposteln, nach Jericho. Längst ist der Rabbi aus Nazareth ein berühmter Mann geworden durch seine Predigten und durch die Wunder, die er da und dort gewirkt hat. Die Neugierigen säumen dicht die Straßen der Stadt in der Hoffnung, etwa ein Wunder zu erleben. Auch der Oberzöllner Zachäus geht auf die Straße. Er ist aber klein von Gestalt und sieht über die Köpfe der vielen Menschen, die sich wartend angestellt haben, nicht darüber. Sein Interesse ist nicht gleich wie bei der gaffenden Menge. Ihn hat nicht die Neugier auf die Straße getrieben. Nein, er hat wegen seiner unbewältigten sündigen Vergangenheit etwas auf dem Herzen, das er mit diesem Jesus aus Nazareth besprechen möchte. Er braucht diesen Wanderprediger aus Nazareth für eine befreiende Aussprache. Aber die gaffende Menge verhindert das. So steigt er kurz entschlossen, seine Menschenfurcht und Feigheit überwindend, auf einen nahen Baum, um von da aus Jesus wenigstens sehen zu können, wenn er schon mit ihm nicht sprechen kann. Und nun kommt Jesus an diesem Baum vorbei, schaut scheinbar wie zufällig hinauf, sieht den Mann im Geäst, sieht ihm ins Herz, sieht seine innere seelische Not, sieht, dass dieser Mann mit ihm reden möchte, womöglich unter vier Augen, wie mit einem Beichtvater. Und da spricht Jesus auch schon das tröstliche Wort: „Zachäus, steig schnell herab, denn heute muss ich bei dir einkehren!“ Im Nu ist der Oberzolleinnehmer herunten. Im Nu beginnt nun aber auch das Tuscheln unter der gaffenden Menge: "Na so was! Ausgerechnet bei dem, bei diesem Zöllner, bei diesem Wucherer und Erpresser kehrt dieser Jesus von Nazareth ein. Zu einem solchen geht er gar ins Haus! Wirklich, das ist empörend! Wir hatten diesen Jesus doch ganz anders eingeschätzt!"
Aber gerade diese schäbige Art der gaffenden Menge reißt nun in Zachäus die letzten Schranken von Menschenfurcht und Feigheit nieder. Er beginnt zu reden. Er ist nicht empört über das, was man ihm da vorgeworfen hat. Es stimmt ja leider. Er gesteht es offen ein. Er legt reumütig und demütig eine öffentliche Beichte ab, er bekennt sich zu seiner unbewältigten, sündigen Vergangenheit und zur Verpflichtung, in aufrichtiger Reue und Buße, soweit als möglich, alles wieder gutzumachen. Und zu Jesus spricht er nun von seinem ehrlichen Beichtvorsatz: "Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich nun den Armen geben und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, will ich es ihm vierfach zurückerstatten!" Da kommt nun aus dem Munde Jesu das tröstliche Wort der Lossprechung: "Heute ist in dieses Haus (und in dieses Herz) das Heil gekommen! Auch dieser Mann ist ein Sohn Abrahams", d.h. er hat demütigen Glauben, wie der Vater Abraham, er hat, wie Abraham, an Gott und seine verzeihende Liebe geglaubt. "Der Menschensohn aber (vom Vater im Himmel auf diese Erde gesandt) ist ja gekommen, um das Verlorene zu suchen und zu retten!"
"Jesus in schlechter Gesellschaft". So lautet der Titel jenes unverschämten Buches des Wiener Ex-Kaplans Adolf Holl, das im Sommer 1971 viel Aufregung verursacht hat. Es stehen in diesem Buch eine Menge von unverfrorenen, falschen Behauptungen. Am schockierenden Titel des Buches aber ist an sich – richtig gesehen - nichts auszusetzen. Jesus, der menschgewordene Sohn Gottes, hat sich tatsächlich in schlechte Gesellschaft begeben Das haben ihm ja damals schon die Schriftgelehrten und Pharisäer vorgeworfen, dass er sich mit Zöllnern und Sündern abgab und sogar mit ihnen sich zu Tisch setzte. Tut er das nicht immer wieder auch mit uns, die wir doch alle arme Sünder sind, wenn er uns zu Tisch lädt, zum Opfermahl der hl. Kommunion und bei uns einkehrt, wie er damals im Hause des Oberzöllners Zachäus eingekehrt ist?
Es käme nur darauf an, dass wir vorher so wie Zachäus alle Menschenfurcht und Feigheit überwinden würden, mutig und demütig mit Jesus ins Gespräch zu kommen suchen würden, auch wenn andere darüber murren und höhnen, und reumütig unsere unbewältigte, sündige Vergangenheit mit Jesus besprechen würden in einer ehrlichen und aufrichtigen Beichte, zu der nach einer gründlichen Gewissenserforschung die Reue, das ehrliche Sündenbekenntnis, aber auch der ernste Vorsatz gehört, alles, was gefehlt worden ist, wieder gutzumachen. Dann kann Jesus auch zu uns immer wieder sagen, dass uns, unserer Seele, unserem Hause Heil widerfährt, weil Er – nach Bewältigung der sündigen Vergangenheit in der hl. Beichte — bei uns einkehrt mit seiner Gnade, mit seinem Segen, mit seinem Frieden, mit seinem Heil! Und nicht nur das! In eigener Person, mit Fleisch und Blut, mit Gottheit und Menschheit, ganz real und wirklich kehrt er bei uns ein. Es ist nur so schade, dass so viele unter ins die Mauer der Menschenfurcht und Feigheit nicht mehr zu durchbrechen wagen: "Was würden meine Arbeitskameraden wohl sagen, wenn ich wieder einmal zur Beichte ginge und sie mich dabei sehen könnten?!" Was würden wohl die abgestandenen, aus der Kirche ausgetretenen Nachbarn sagen, wenn ich wieder anfinge, regelmäßig zum Sonntagsgottesdienst zu gehen und dabei etwa gar zur hl. Kommunion?!"
Er, der damals nach Jericho kam und der bei dem Oberzöllner Zachäus eingekehrt ist, nachdem dieser ohne Menschenfurcht und Feigheit, aber mit aufrichtiger Reue und Sühnebereitschaft seine Fehler und Sünden eingestanden hatte, er geht noch immer durch die Straßen, zwar nicht mehr in menschlicher sichtbarer Gestalt, aber sakramental in voller Wirklichkeit. Er kommt noch immer, um zu suchen und zu retten, was verloren war und was in Gefahr ist, auf ewig verloren zu gehen. Er weiß noch immer um eines jeden Menschen Herz, das ihm offensteht. Er sucht noch immer die Menschen, die über die Mauer der Menschenfurcht und Feigheit hinweg mit Ihm ins Gespräch zu kommen suchen...
Glauben wir an Ihn, vertrauen Ihm, lieben wir Ihn! Amen.