30.Sonntag im Jahreskreis - C

gehalten im Hohen Dom zu Salzburg am 25.10.1992

 

Zwei Menschen vor Gott im Tempel, um dort zu beten: Tun sie es denn auch wirklich? So verschieden ihre äußere und erst recht ihre innere Haltung ist, so verschieden ist auch die Wirkung ihres Gebetes: Pharisäer und Zöllner: Der eine geht unerhört nach Hause, der andere aber erhört. Warum wohl? Weil der eine, der Pharisäer, bei seinem Beten nur sich selbst angebetet hat, nicht aber Gott. Der andere aber wer sich beim Gebet seiner Unwürdigkeit vor Gott bewusst wegen seiner Armseligkeit und Sündhaftigkeit; ihm wurde Erhörung zuteil.

Wie machte es denn der Pharisäer? Völlig falsche Selbstgerechtigkeit und Verachtung des anderen kamen bei seinem Gebet zum Vorschein in der Litanei, die er da dem lieben Gott vorbetete: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, wie die Räuber, Betrüger und Ehebrecher oder wie dieser Zöllner da hinten! Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den 10. Teil meines ganzen Einkommens für den Tempel her, ich, ich, ich“

Zur falschen Selbstgerechtigkeit kam beim Pharisäer auch noch falsche Selbstgenügsamkeit, in der er meinte, auf Gott und seine Barmherzigkeit, auf seine Gnade und seinen Segen nicht angewiesen zu sein: „Schließlich muss der Herrgott froh sein, dass ich ihm überhaupt unverdientermaßen noch so viel Zeit widme und einen Besuch im Tempel mache, um da zu beten!“

Ist solche pharisäische Haltung Gott gegenüber etwa völlig ausgestorben? Denken nicht manche Zeitgenossen ebenso? Der Herrgott muss ja schließlich froh sein, dass ich in einer Zeit, wo die Zahl der Sonntags-Gottesdienstbesucher Immer kleiner und kleiner wird, mich immer noch - wenigstens gelegentlich - aufraffe und in die Kirche gehe und sogar noch meinen Kirchenbeitrag zahle, wo andere – angeblich wegen des zu zahlenden Kirchenbeitrags - längst aus der Kirche ausgetreten sind!

Diese Pharisäer denken nicht daran, dass es neben ihrer Tüchtigkeit und Anständigkeit vor und über den 10 Geboten auch das Gebot der Liebe, der Gottes- und der Nächstenliebe gibt, und dass es auch Unterlassungssünden gibt, die oft viel schwerer sind als alle möglichen Tatsünden. Diese Pharisäer beachten vor allem nicht, dass überheblicher Stolz die schlimmste Sünde ist, weil man sich dabei über Gott hinwegsetzt und den Mitmenschen verachtet.

Der Zöllner ging auch hinauf in den Tempel, um dort zu beten: dieser aber war sich dabei sehr klar seiner Geschöpflichkeit und Sündhaftigkeit Gott gegenüber bewusst. Er war demütig und ehrlich genug, um seine Armseligkeit und Schlechtigkeit in aller Reue und Demut einzugestehen; er schlug an seine Brust und betete ein sehr kurzes, aber dabei vielsagendes Reuegebet: "Herrgott, sei mir armen Sünder gnädig und barmherzig!" Er ist in aller Demut überzeugt, dass er es eigentlich verdiente, von dir, o Gott, verworfen und verdammt zu werden. Aber er vertraute auf Gottes unendliche Barmherzigkeit, in der er wie ein guter Hirte ihm, dem verlaufenen, verlorenen Schaf, nachgeht und es sucht und suchet, bis er es findet.

Dieser Zöller war überzeugt, dass dem unendlich großen dreimal heiligen Gott gegenüber reuevolle Demut die einzig richtige Haltung ist, weil wir vor der Größe und Majestät Gottes allesamt nur kleine, nichtsnutzige Knechte sind.

Der Vorsatz, den wir alle heute fassen sollten: Wenn wir Gott gegenübertreten im Gebet und im Gottesdienst, dann ziemt es sich nicht, mit unseren Leistungen, mit unseren guten Werken und Titeln zu prahlen, sondern nur, in aller Demut und Reue ehrlich unsere Schuld zu bekennen und zu danken, dass Gott so gütig ist und uns immer wieder verzeiht.