26. Sonntag im Jahreskreis

gehalten in Parsch am 26. September 1971

 

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, völlig gleichberechtigt, mit gleicher Menschenwürde. So lautet ein sehr schöner Satz im Grundrechtskatalog so mancher Verfassungen und in der UNO-Deklaration über die Menschenrechte, ebenso in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wie aber sieht meist die Wirklichkeit aus? Wie sah sie aus, diese berühmte Gleichheit der Menschen? Das Beispiel des göttlichen Heilands über den reichen Prasser und den armen Lazarus sagt es uns. In erschütternden Strichen wird da ein Bild von der Ungleichheit der Menschen gezeichnet: Der eine lebt in Saus und Braus, in Jubel und Trubel, prahlt mit seinem Reichtum und verprasst ihn ohne Rücksicht auf die Mitmenschen; der andere ist "draußen vor der Tür", arm und hilflos, ein Auswurf der Menschheit, obdachlos und hungernd; die Hunde kommen und lecken das Eiter aus seinen Geschwüren, mit denen sein Körper bedeckt ist.

So arg mag die Ungleichheit heute nicht allzu oft sein, höchstens noch in Indien, in Afrika und Südamerika, und doch möchte man sagen: dass das Bild, das in diesem Gleichnis gezeichnet wird, auch heute noch zutrifft, wenn wir an einen milliardenreichen indischen Maharadscha und an einen hungernden und halbnackten Kuli denken.

Aber auch bei uns im sogenannten christlichen Abendland und nicht bloß in den Entwicklungsländern in der sogenannten III. Welt gibt es noch Ungleichheit genug.

Wie kann diese Ungleichheit überwunden werden? Vielleicht betonen wir zu erst, dass die Ungleichheit hier auf Erden nie ganz überwunden werden kann. Die Menschen sind doch schon von Geburt an zu verschieden. Es gibt keinen Standardmenschen nach einheitlichem Schema.

Menschen kommen nicht vom Fließband. Jeder hat seine Erbanlagen, seine oft sehr verschiedenen Begabungen und ein oft sehr verschiedenes Maß an Talenten. Und wer das Zeug zu einem großen Künstler, zu einem großen Wissenschaftler hat, hat begreiflicherweise Chancen, die ein anderer nicht hat; so ist der Start schon ein sehr verschiedener; und wer Kräfte hat, Geschicklichkeiten entwickelt, eine besonders starke Gesundheit hat, ist wiederum anderen ein gutes Stück voraus. Außerdem spielt dass Glück im Leben eine Rolle. Dem einen fällt e förmlich in den Schoß der andere kann es nie erreichen und ist sein Lebtag lang ein Pechvogel. All diese Ungleichheiten können hier auf Erden nie ganz behoben und überwunden werden, sie können nur erträglich gemacht werden durch soziale Gerechtigkeit und Liebe. Und dazu werden wir heute im Gleichnis sehr eindringlich ermahnt; und zwar vor allem mit dem Hinweis auf den gerechten Ausgleich im Jenseits. Da werden dann kraft der unendlichen Gerechtigkeit des göttlichen Richters, dem sich jeder Mensch zu stellen hat, vielfach die Rollen vertauscht werden. Es kommt einmal ganz sicher dieser gerechte Ausgleich in ewigem Lohn und ewiger Strafe. Und diese werden vor allem danach zugeteilt, wie jemand auf Erden durch Liebe bemüht war, einen Ausgleich zu schaffen im Gedanken daran, dass jedem Menschen, auch dem Ärmsten, die gleiche Menschenwürde zukommt, weil jeder Mensch Geschöpf Gottes ist, begabt mit den kostbaren Gaben des Verstandes und des freien Willens und mit Persönlichkeitswert.

Wie aber ergeht es dann dem reichen Prasser, der kein Herz hatte für den Bruder in Not? Er hat sich im Erdenleben der menschlichen Not verschlossen; damit aber hat er sich zugleich der Gnade Gottes verschlossen. Nun fehlt ihm die Gnade Gottes für immer und ewig. Das wird vom göttlichen Heiland in sehr anschaulichen Bildern geschildert.

Der arme Lazarus ist in der Ewigkeit in Abrahams Schoß, d.h. in der Wärme und Geborgenheit der himmlischen Herrlichkeit des gütigen Vater-Gottes, der Reiche aber schmachtet in der Hölle, in unendlicher Entfernung von Gott. Nur die Fingerspitze, an der ein kleiner Tropfen Wasser hängen geblieben ist, wäre dem reichen Prasser in seiner jetzigen Not und Verlassenheit in der Hölle schon eine Hilfe, eine Erquickung. Doch die Fingerspitze reicht nicht bis zu ihm hinüber, sie reicht nicht über die Tiefe und Weite des Abgrundes, der sich zwischen Himmel und Hölle auftut. So hat sich nun das Blatt gewendet: Der eine in der beglückenden Geborgenheit Gottes, im ewigen Glück, der andere in furchtbarer Einsamkeit und Hilflosigkeit, in der ein Tropfen Wasser schon ein Königreich wert wäre.

Noch etwas ist besonders zu beachten am Gleichnis vom reichen Prasser und armen Lazarus: Der reiche Prasser hat fünf Brüder auf der Erde zurückgelassen. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber zwischen den Zeilen kann man es lesen: Auch diese fünf Brüder führen ein leichtsinniges Prasserleben, sie sind jedenfalls auch in Gefahr, auf ewig verlorenzugehen. Da muss ihnen noch rechtzeitig, bevor es zu spät ist, eine eindrucksvolle Vorwarnung zukommen. Das ist nun die auf einmal sehr selbstlose Bitte des reichen Prassers in der Hölle. Nachdem er für sich selbst keine Erleichterung erreichen hat können, möchte er wenigstens seinen fünf Brüdern auf Erden das gleiche furchtbare Los ewiger Verdammnis und Verworfenheit ersparen. Es möge ihnen doch jemand zur Warnung gesandt werden. Aber auch diese Bitte wird abgelehnt: Sie haben Moses und die Propheten. Dort könnten sie genau nachlesen, was Gott für die Ewigkeit verfügt hat, um jene zu bestrafen, die sich um ihre Brüder in Not nie gekümmert haben und die sich nie um einen Ausgleich für die Ungleichheit auf Erden gesorgt haben.

Und dann heißt es: Wenn auch einer aus dem Jenseits zu ihnen käme, sie würden ihm ja doch nicht glauben.

Ob das nicht ganz besonders den Menschen unserer Zeit gilt? Wir haben nicht nur Moses und die Propheten. Wir haben auch das klare Wort des menschgewordenen Sohnes Gottes, der nach seinem Erlösertod am Kreuze in seiner Auferstehung aus dem Jenseits zurückgekommen ist. Glaubt man an Ihn? Glaubt man an seine Botschaft? Glaubt man an seine Apostel und ihre Botschaft? Glaubt man an seine Kirche und ihre Botschaft? Die klaren Worte Jesu Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, über die unsterbliche Seele und ihr ewiges Los, wie z.B.: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seiner Seele?“, oder „Fürchtet nicht jene, die zwar den Leib töten können, aber der Seele nichts anhaben können, fürchtet vielmehr den, der den Mensachen mit Leib und Seele in das Verderben der Hölle stürzen kann!“ – nimmt man sie heute noch ernst? So viele leugnen heute die Unsterblichkeit der Seele und das Jenseits. Sie leben dahin, als wäre mit dem Tod alles aus. Und die klaren Worte Jesu Christi über die sehr reale Möglichkeit ewiger Verdammnis in der Hölle, nimmt man sie ernst? 25 Mal hat der Herr von der Hölle gesprochen. Heute tut man dieses sein Wort als überholten Mythos oder als Kinderschreck ab und kümmert sich darum ebenso wenig wie um Gottes Gebot. Man setzt sich vielmehr frivol darüber hinweg. Gott sagt: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst...Du sollst nicht...“ Und der Mensch sagt trotzig: „Nein, ich bin mein eigener Herr. Ich tue was ich will!“

Mein Jesus Barmherzigkeit!