19. Sonntag im Jahreskreis – C

gehalten in St. M. Loreto am 13.8.1995

 

Das Ev. des heutigen Sonntags ist voll ernster Mahnungen, die eigentlich gar nicht recht in die Urlaubszeit passen, wenn man dabei auf dem Standpunkt steht, auch von Gott, vom Gewissen und von allen religiös—sittlichen Verpflichtungen in den Ferien befreit zu sein und Urlaub von Gott zu machen.

Da Sie alle aber, die Sie zum Gottesdienst hierhergekommen sind, auch im Urlaub Christen sein wollen — sonst wären Sie ja nicht da — , so gehört es heute auch zu unserer Pflicht, das Wort Gottes im heutigen SoEv ernst zu nehmen und zu beachten:

1. Da steht am Anfang das Wort von der kleinen Herde, die sich nicht fürchten soll, weil der Vater beschlossen hat, ihr und nicht der großen Masse das Reich Gottes anzuvertrauen. Die "kleine Herde". Oft möchte uns dieses Wort bedrücken, wenn wir die kleiner und kleiner werdende Schar derer sehen, die es noch ernst nehmen wollen mit dem Leben aus dem Evangelium in der Treue zu Gott, zu Christus und seiner Kirche. Die Zahl der Kirchenaustritte ist immer noch erschreckend groß. Die Zahl derer, die uninteressiert die Randschicht der Kirche bilden und sich total dem materialistischen Zeitgeist ausliefern, wächst mehr und mehr. Die Zahl derer, die es noch wirklich ernst nehmen mit der Treue gegen Gottes Gebot, wird immer kleiner, während die Zahl derer, die gedankenlos und oberflächlich einer rein diesseitsorientierten Lebenshaltung huldigen immer größer wird. Und dennoch, meine ich, sollten wir dankbar und froh sein, wenn wir das Glück und die Gnade haben, zu dieser "kleinen Herde" der allzeit Getreuen, die redlich und ehrlich aus dem Glauben und in der Liebe zu leben sich bemühen, zu gehören. Es gilt das Wort Christi: "Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Euer Vater im Himmel hat beschlossen, euch das Reich zu geben!"

2. Es folgt dann im heutigen SoEv die Aufforderung, einen Schatz im Himmel zu erwerben: Im Ev. des letzten Sonntags hat uns allen Christus die Mahnung gegeben, uns vor aller Habsucht zu hüten. Er veranschaulichte diese Mahnung sehr konkret am Beispiel eines reichen Bauern, der im Hochgefühl der eingebrachten Ernte schwelgte und nicht wusste, wo er diesen reichen Erntesegen unterbringen könne. Da führte er im Besitzerstolz einen Monolog, ein Selbstgespräch über den großen Vorrat, der nun für viele Jahre reiche und es ihm ermögliche, es sich nun gut gehen zu lassen Plötzlich wurde aus dem Monolog ein Dialog, die Stimme eines längst vergessenen Gesprächspartners tönte auf: Gott sagte zu dem stolzen Bauern: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird dein Leben von dir zurückgefordert. Wem wird dann all das gehören, was du zusammengerafft hast?“

Und das Ev. des letzten Sonntags schloss mit der Feststellung Jesu, dass es schließlich wie diesem törichten Bauern jedem egoistischen Kapitalisten, groß und klein, ergehen werde, der nur für sich selbst Schätze gesammelt hat, aber vor Gott nicht reich geworden ist für die Ewigkeit.

Da setzt nun die Aufforderung Jesu ein, einen Schatz im Himmel zu erwerben, der weder der Inflation unterliegt, noch gefährlichen Dieben ausgesetzt ist, noch von anderen Feinden, und wären es nur die kleinwinzigen, unscheinbaren Insekten, die wir Motten nennen, zerstört werden kann.

Wie aber erwirbt man einen solchen Schatz im Himmel? Sehr konkret sagt es Jesus gleich darauf: "Verkauft eure Habe und gebt das Geld den Armen!“ Sehr rasch sind da auch wir, die wir nach dem Evangelium leben wollen, mit der Bemerkung da: Das ist ja eine unmögliche Forderung?!

Ist sie wirklich unmöglich? Gehen wir aus von der geschichtlichen Tatsache, dass manche Heilige sie ganz ernst genommen und radikal befolgt haben und gut dabei gefahren sind. Es kommt ganz auf die Umstände an. Vielleicht ist eine radikale Befolgung gar nicht möglich, weil die Sorge um die eigene Familie den Vorrang hat...Und dennoch müsste man es wagen, wenigstens einen Teil seiner Habe immer wieder in Selbstlosigkeit herzugeben und damit den Armen, dem Bruder in Not zu helfen. Wenn man das täte, wenn man dem Bruder in Not — ob in der Nähe oder in der Ferne - wirklich helfen würde, so würde man bald erfahren: Was man den Armen gibt, kommt bald wieder herein! Und überdies hätte man Verdienste für die Ewigkeit erworben. Das aber ist eben der Schatz im Himmel, den man einmal wiederfindet. Gutes tun, helfen, immer wieder helfen dem Bruder in Not, auch wenn man noch so oft schon enttäuscht worden ist, das ist ja letztlich doch eine zinsenbringende, von Inflation gesicherte Einlage in der Sparkasse für die Ewigkeit, wie der große Caritasheilige Vinzenz v. Paul zu sagen pflegte.

3.Und jetzt kommt noch die dritte Mahnung Jesu im heutigen SoEv:

Die Mahnung zum Wachsamsein und zum Bereitsein für das Kommen des Herrn zum Gericht, wenn Er Rechenschaft fordert von der Verwaltung der uns anvertrauten Talente und Güter. "Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, damit sie ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft." Warten und Wachen!

In dem Schauspiel „Warten auf Godot" entwirft der Dichter Samuel Beckett ein Bild von einem unerträglichen und sinnlosen Warten. Der Erwartete kommt nicht. Wer ist Godot? — Das Glück? Die Erfüllung menschlicher Sehsucht? Der Lebenssinn? — Im Stück wird das Bild von Menschen gezeichnet, die vergeblich warten; sie warten, wissen aber eigentlich nicht, worauf. Wir Christen wissen, auf wen wir warten: Auf Christus, der es selbst mit dem Tod aufgenommen und ihn besiegt hat und unserem kurzen Erdenleben höchsten, tiefsten Sinn gegeben, wiedergegeben hat. Es kommt nur darauf an, dass wir uns an seine Forderungen, vor allem an sein Gebot der Liebe halten und Ihn wachend erwarten. Denn Er kommt einmal sicher...Vielleicht schon bald. Vielleicht ganz plötzlich. Wie ein Dieb in der Nacht.

"Selig jene Knechte, die der Herr wachend  findet, wenn Er kommt. Wahrlich, Ich sage euch, Er wird sich gürten, sie zu Tische führen und jeden einzelnen von ihnen bedienen." Das wird einmal der übergroße Lohn sein: Das ewige Hochzeitsmahl der beseligenden Anschauung Gottes im Himmel, wo alles überreich vergolten wird, was man aus Liebe zu Gott, in Treue gegen sein Gebot getan und geopfert hat in brüderlichem Teilen, in Werken der Barmherzigkeit, im Schätzesammeln nicht für diese kurze Erdenzeit, sondern für die Ewigkeit, und im Wachen und Warten auf den Herrn im starken Glauben, in der festen Hoffnung und in der opferbereiten Liebe! Für uns Christen ist das Erdenleben kein sinnloses Warten auf Godot, sondern sinnvolles Warten auf Gott, der alles überreich einmal vergilt. Aber es gilt bereit zu sein, denn der Herr kommt zu einer Stunde, da wir es nicht vermuten. Amen.