7. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C

gehalten im Dom zu Salzburg am 19.2.1995

 

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Was sagen Sie zu diesem eben verlesenen Evangelium? Ich habe es gestern jemandem vorgetragen und dann eben diese Frage gestellt: „Was sagen Sie zu diesem Evangelium?“ Und die Antwort lautete: „Das ist so schwer, dass man es am liebsten ignorieren möchte!“ Andere würden vielleicht antworten: Das ist doch eine totale Überforderung der Menschen: Feindesliebe: „Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, betet für die, die euch misshandeln!“ Wie kann man nur eine solche Forderung aufstellen?! Das ist doch utopisch! Und dann die Forderung nach Gewaltlosigkeit: „Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch noch die andere hin, und dem, der dir den Mantel nimmt, lass auch noch den Rock!“ Wieder möchte man fragen: Wie kann man nur eine solche Forderung stellen!? Ist das nicht eine sinnlose Überforderung des Menschen? Steckt nicht der Vergeltungstrieb, der Aggressionstrieb zu stark im Menschen?!

Und schließlich noch die Forderung: „Richtet nicht, dann wird man euch nicht richten! Verurteilt nicht, dann wird man euch nicht verurteilen!“ Das ist doch wieder eine Forderung, die ganz konträr dem Weltgeist, dem Zeitgeist ist und ganz im Widerspruch steht zum normalen menschlichen Agieren und Reagieren! Wie kann man nur eine solche Forderung aufstellen!? Und zuletzt heißt es gar noch: „Gebt, gebt immer wieder, ganz selbstlos, ohne etwas dafür zu erwarten, und zwar in reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß! Denn mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man auch euch zumessen!“

Was uns in diesem SoEv vorgesetzt wird, noch dazu am heutigen Faschingssonntag, wo unser Sinnen auf ganz anderes gerichtet ist, das geht doch weit über unsere Kräfte! Was ist das doch für eine Ethik! Die Feinde lieben! Für sie beten, ihnen Gutes tun und ihnen geben, immer wieder geben...

Und doch steht all das, was da gefordert wird, als Wort des Herrn Jesus Christus da und darf nicht abgeschwächt, verharmlost und entkräftet werden! Es gehört mit zur Bergpredigt des Herrn, von der wir am letzten Sonntag den ersten Teil als Evangelium vorgesetzt bekommen haben mit dem, „Selig“ für die Armen, die Hungernden, die Weinenden, die Verfolgten und mit dem harten „Wehe“ gegen die Reichen, die Satten, die Übermütigen! Auch da kamen wir nicht recht mit und verstanden es nicht recht! Oder wollen es nicht verstehen wegen der Radikalität der darin ausgesprochenen Forderungen! Und heute geht es uns wieder genau so mit der Forderung nach selbstloser Liebe zum Mitmenschen, auch sogar zum ärgsten Feind, und mit der Forderung nach Gewaltlosigkeit und selbstlosem Verzicht auf das Richten und Urteilen über andere!

Ja, die meisten Menschen, auch die meisten Christen kommen da nicht recht mit, gar in einer Zeit, die voll ist von erbärmlichem Egoismus, von konsumsüchtiger Ausgelassenheit und Vergnügungssucht, die voll ist von Gehässigkeit und Friedlosigkeit, die voll ist von Habgier und Ellbogenpolitik des Sich-durchsetzens und Zurückzahlens und Vergeltens im unguten Sinn, Böses mit Bösem und nicht etwa Böses mit Gutem!

Zugegeben, was Christus in der Bergpredigt fordert, lässt sich nur in starkem, tiefem Glauben an den Gottmenschen und die ihm eigene göttliche Autorität erfassen und verstehen und nur im Wissen darum, dass er das alles nicht nur von anderen gefordert hat, sondern zu allererst von sich selbst und es uns in ergreifender Weise vorgemacht hat: Die Feindesliebe, die selbstlose Hilfsbereitschaft und Güte, die Gewaltlosigkeit usw.

Wie oft hat man auch dann noch, wenn man die Forderungen der Bergpredigt in ehrlicher Bereitschaft der Nachfolge Christi ernst nehmen wollte, versucht, sie zurechtzustutzen und zurechtzubiegen.

Wie oft hat man diese Forderungen der Bergpredigt um Saft und Kraft gebracht, entstellt, verdreht, verharmlost und aufgeweicht und auf das Niveau eines harmlosen Humanismus herabgedrückt. Das ist aber nicht die rechte Art, Christus nachzufolgen und das Reich Gottes aufzubauen! Die Bergpredigt ist nun einmal das Grundgesetz des Reiches Gottes! Sie ist das Manifest des echten Christentums!

Hätte man nur allezeit die Forderungen der Bergpredigt ernst genommen - ganz ernst! Es wäre der Menschheit viel erspart geblieben! Christus wollte eine Revolution, ja, aber eine Revolution der Herzen, er wollte einen radikalen Gesinnungswandel in der Wertung der Mitmenschen, der Armen, der Unterdrückten, er wollte - richtig verstanden - eine Umwertung aller Werte im Sinn des größten und ersten Gebotes der Gottes- und der Nächstenliebe... Wir Christen sind dabei leider immer weit zurückgeblieben, haben versagt, und haben viel zu wenig an das gedacht, was Christus am Schluss der Bergpredigt(im MtEv) sagt: „Wenn eure Gerechtigkeit, d.h. eure Rechtschaffenheit, eure Christlichkeit, eure Treue zu meinen Geboten und Forderungen, eure Liebe eure Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit nicht größer ist als bei den Schriftgelehrten und Pharisäern, könnt ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Und wie Christus in der Bergpredigt über die Erfüllung des alttestamentlichen Gesetzes radikal hinausging: „Zu den Alten ist gesagt worden... ICH aber sage euch...“ so müssen auch wir Christen immer wieder über das Durchschnittliche und Pflichtmäßige hinausgehen und mit dem „magis“, mit dem „mehr“ ernst machen! Und wenn wir auch immer wieder hinter den Forderungen Christi in der Bergpredigt weit, allzu weit zurückbleiben, sie müssten doch als Zielforderungen in ihrer ganzen Radikalität vor uns stehen als Gewissensspiegel, als Beichtspiegel! So haben es die Heiligen gehalten, auch wenn sie dabei belächelt, als Narren verspottet wurden! Sie ließen sich nicht vom Ernst der Nachfolge Christi bis hinein in die Selbstlosigkeit und Gewaltlosigkeit und Maßlosigkeit der immer wieder verzeihenden, einander ertragenden, einander helfenden Liebe abbringen. Und einer von diesen Heiligen hat uns eines seiner täglichen Gebete hinterlassen, das ganz exakt Sinn und Bedeutung des heutigen SoEv wiedergibt; wir sollten es uns wieder zur Richtschnur unserer Haltung dem Mitmenschen gegenüber machen:

„Gott, mach mich zu einem Werkzeug des Friedens,

dass ich Liebe bringe, wo Hass ist,

dass ich verzeihe, wo Schuld ist,

dass ich vereine, wo Zwietracht herrscht,

dass ich Wahrheit bringe, wo Irrtum ist,

dass ich den Glauben bringe, wo Finsternis ist,

dass ich Freude bringe, wo Leid ist.

Nicht um getröstet zu werden, sondern um zu trösten,

nicht um verstanden zu werden, sondern um zu verstehen,

nicht um geliebt zu werden, sondern um zu lieben;

Nur dieses ist wichtig:

Denn da wir geben, empfangen wir,

da wir uns selbst vergessen, finden wir,

da wir verzeihen, erhalten wir Vergebung,

da wir sterben, gehen wir ins neue Leben!“

Seht, das ist Geist der Bergpredigt! Das ist mehr als Humanismus! Das ist echtes Christentum! Helfen wir mit, es in uns und um uns herum zu verwirklichen! Amen