2. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C
gehalten in St. M. Loretto am 18.1.1998
Die Hochzeit zu Kana mit dem ersten Wunder, das Jesus wirkte: Verwandlung von Wasser in Wein. Am Schluss des heutigen Evangeliums heißt es von diesem Wunder Jesu: „Es war der Anfang seiner Zeichen. So offenbarte Er seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an Ihn“.
Ich meine, es lohnt sich, dass wir uns einmal mit den in den Evangelien berichteten Wundern Jesu befassen, weil heute so viele Menschen, auch Theologen, vor allem Bibelgelehrte, den Wundern, wie sie in der Hl. Schrift berichtet werden, so skeptisch und zurückhaltend, wenn nicht überhaupt total negativ gegenüberstehen und so tun, als ob Gott die von Ihm gegebenen Naturgesetze im Wunder nicht durchbrechen könnte. Ein bedeutender protestantischer Missionar namens Stanley Jones sagte einmal: „Im Lichte der Naturgesetze scheinen Wunder absurd zu sein, aber im Lichte Jesu Christi werden sie das Allernatürlichste. Christus selbst ist das zentralste Wunder des Christentums. Und da Er selbst das Wunder ist, würde es ein Wunder sein, wenn er nicht Wunder vollbracht hätte. Nicht die Wunder tragen Jesus — Er trägt Sie,.“
Und der französische Dichter Francois Coppée hat nach seiner Bekehrung geschrieben: „Es gab eine Zeit, wo ich über ‘Wunder‘ und ‘Glauben‘ verächtlich die Achsel zuckte. Jetzt aber sage ich: Gibt es den allmächtigen Gott, so muss er auch über alle Dinge erhaben sein, die er selbst gemacht hat. Darum kann für Gott auch kein Wunder unmöglich sein. Als ich die Evangelien mit demütig - aufrichtigem Herzen zu lesen begann, sah ich auf einmal auf jeder Zeile den Glanz der Wahrheit. Seitdem kann mir nichts mehr den Glauben an die Wunder rauben. Derselbe Jesus, der damals den Blinden das Augenlicht und den Toten das Leben wiedergegeben hat, hat dies auch an mir gewirkt!“
Sogar in dem so modern aufgezogenen, in mancher Hinsicht irreführenden Holländischen Katechismus heißt es: „Im ganzen haben die uns (in den Evangelien) überlieferten Wunder Jesu einen so eigenen und originellen Charakter, dass man sagen muss, es ist nur eine Erklärung möglich, nämlich die: Er hat tatsächlich Wunder gewirkt. - Das Erste, was an den in den Evangelien berichteten Wundern auffällt, ... ist vor allem die Selbstlosigkeit der Wunder Jesu ... Jesus verweigert das Wunder, wenn er es aus Eigennutz und Schaulust wirken soll. Tatsächlich hat er kein einziges Wunder zu seinem eigenen Vorteil vollbracht. Ebenso hat Er alles vermieden, was das Wunder in die profane Nähe von Schau oder Protzerei bringen könnte. Man braucht das Auftreten Jesu nur mit dem vieler Magier und Anhänger okkulter Wissenschaften zu vergleichen, um von der Einfachheit, Reinheit und der ehrfurchtgebietenden Würde des Auftretens Jesu dort, wo er ein Wunder wirkt, betroffen zu werden. ...Und dann die Mühelosigkeit, mit der Jesus seine Wunderzeichen wirkt: keine Hypnose, kein kompliziertes Zeremoniell, keine verwickelten Vorbereitungen oder Scharen von Helfern, sondern nur ein einfaches ehrfurchtgebietendes Wort, manchmal über eine große Entfernung hinweg gesprochen. So liegt über den Wundern Jesu die Ruhe von Gottes schöpferischer Wirksamkeit.“
Die Frage, ob Jesus Christus Wunder gewirkt hat, können und müssen wir mit einem klaren Ja beantworten: Er hat Wunder, wirkliche Wunder, Wunder erster Größe, geschichtlich bestens verbürgte Wunder gewirkt: Wunder an der Natur, Wunder an den Menschen, Wunder an Lebenden und Wunder an Toten. Es gibt kein Gesetz der Natur, das dem Allmachtswillen Jesu Einhalt geboten hätte: wenn er befahl, musste ihm alles gehorchen: der Sturm, die Wogen des sturmgepeitschten Sees, die Fische im See, die Krankheiten, die Dämonen, ja selbst der Tod.
Man hat versucht, etwa die Wunder Jesu an Kranken zu zerreden, indem man sie auf „Suggestion“ zurückführte. Hier nur einige seiner Wunder, die jeder solchen Deutung spotten: Heilung des Blindgeborenen, Heilung schwer Aussätziger, Auferweckung des Lazarus. Wann hat je ein Mensch durch „Suggestion“ echte, angeborene Blindheit, echten, weit fortgeschrittenen Aussatz geheilt, wann durch den einfachen Befehl „Komm heraus!“ einen Toten, dessen Leib bereits in Verwesung überging, aus seinem Grab gerufen?
So sind denn andere auf den verzweifelten Ausweg verfallen und haben ein Wunder Jesu nach dem andern als fromme Legende, als spätere Ausschmückung des Lebens Jesu durch wundersüchtige Anhänger der zweiten Generation zu erklären versucht. - Nun steht aber nachweisbar fest, dass die Berichte der Evangelien, so wie wir sie heute lesen, doch fast bis unmittelbar auf die Zeit Christi zurückgehen und dass wir aus den Evangelien die Berichte über die Wunder Jesu nicht herausbrechen können, ohne das Ganze zu zerstören.
Christi Wunder sind in den Evangelien so unlösbar eng mit dem ganzen Gang der Dinge verknüpft, dass wir im Leben Jesu überhaupt nichts mehr verstehen, wenn wir die berichteten Wunder nicht als genau so geschichtlich annehmen wie alles andere, was da berichtet steht.
Noch etwas kommt dazu: Jesus Christus hat sich auf diese seine Wunder ausdrücklich berufen als Erweis seiner Sendung und seiner göttlichen Vollmacht. Und er konnte sich mit Recht darauf berufen, denn die Wunder Jesu sind das Siegel Gottes für die Wahrheit der Aussagen Jesu und der gesamten Botschaft Jesu. Der durchschlagendste Ausweis göttlicher Sendung ist für uns Menschen neben der Heiligkeit des Boten Gottes das Wunder, das er wirkt. Mit dem Wunder drückt Gott das Siegel auf das Zeugnis des Boten Gottes und erklärt damit: Was dieser mein Bote euch in meinem Auftrag verkündet, ist wahr. Ihr könnt euch darauf verlassen.
Auf die Frage, ob Jesus Wunder gewirkt hat, müssen wir antworten: Sein Leben war an sich von so überragender Heiligkeit und seine Botschaft von so gewaltiger Größe, dass die Menschen Ihm eigentlich auch so schon hätten glauben können und müssen. Aber um zu zeigen, dass er mehr ist als ein von Gott gesandter Mensch, dass er der menschgewordene Sohn Gottes ist, also um seine göttliche Größe und Herrlichkeit zu offenbaren, dazu musste er die Wunder, vor allem das größte Wunder, das seiner Auferstehung wirken. Jesus selbst hat in dieser Hinsicht den Einsatz von Wundern für nötig gehalten. Darum sagte er den Juden: „Die Werke, die Ich tue, zeugen von mir“ (Jo 5,36), „sie legen Zeugnis über mich ab“ (Jo 10,25). „Würde ich die Werke meines Vaters (also die Wunder) nicht tun, so brauchtet ihr mir nicht zu glauben. Wenn ich sie aber tue, so glaubet - wenn ihr schon mir (und meinen Worten) nicht glaubt, so glaubt doch wenigstens meinen Werken, damit ihr zur Erkenntnis kommt und begreift, dass der Vater in mir ist und Ich im Vater!“ (Jo 10,37f).
Ich meine schon, dass man sagen kann und muss: Das Christentum und die Kirche Christi sind aufgebaut auf den Wundern Christi und auf dem Glauben an sie.
Da stellt sich dann die Frage: Gibt es auch Wunder in der Nachfolge Christi, also bei denen, die sich als Gesandte Christi wussten oder Ernst gemacht haben mit der Nachfolge Christi in der Kirche. Und wir müssen sagen: Nicht bloß die Apostel haben, wie uns die Apostelgeschichte berichtet, Wunder gewirkt, auch von vielen Heiligen herauf durch die Jahrhunderte der Kirchengeschichte werden uns aus ihrem Leben und nach ihrem Tod Wunder bestens beglaubigt berichtet. Der +1991 bedeutende Theologe und religiöse Schriftsteller Wilhelm Schamoni hat aus den Heiligsprechungsakten eine gründliche „Dokumentation über Wunder“ im Leben der Heiligen zusammengestellt und publiziert. Dabei hat er hochinteressante Parallelen zu allen Wundern Jesu gefunden, von der Heilung von Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Taubstummen bis hin zu wunderbarer Brotvermehrung, ja sogar bis hin zu Totenerweckungen ...
Bei den so streng durchgeführten Heiligsprechungsprozessen wird nicht bloß der heroische Tugendgrad des betreffenden Seligen in ganz genauer Untersuchung festgestellt, es müssen auch mindestens zwei wunderbare, natürlich unerklärbare Heilungen auf die Fürsprache des betreffenden Seligen geschehen und zuverlässig beglaubigt sein. Wir denken dann noch an die wunderbaren Heilungen, die etwa in den letzten 100 Jahren auf die Fürsprache Mariens in Lourdes und Fatima geschehen sind und deren natürliche Erklärbarkeit von einer Ärztekommission festgestellt wurde, in der wohlgemerkt auch ungläubige, atheistische Wissenschafter der Medizin tätig sind.
Jene Wunder, die Jesus Christus immer noch wirkt, und die mich am meisten immer wieder im Glauben bestärken:
Es ist 1) einerseits das Wunder der Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und in das Blut Jesu Christi in der Hl. Eucharistie, und es ist anderseits 2) das Wunder des unzerstörbaren Fortbestandes der Kirche. Das ist wirklich ein Dauerwunder, wenn man bedenkt, was die Menschen, die Feinde der Kirche, aber auch Mitglieder der Kirche, etwa schwache, schlechte Priester, Bischöfe und Päpste schon alles versucht haben, bewusst oder unbewusst, um die Kirche zu zerstören. Und es ist immer noch nicht gelungen und wird auch nicht gelingen.
Die Pforten der Hölle und auch die Bosheit oder die menschliche Schwachheit der Glieder der Kirche werden sie nicht überwältigen. Es ist das ein Wunder, das Christus immer noch wirkt, der gesagt hat: „Seht, ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Welt!“ Glauben wir an die Wunder Christi, glauben wir an Christus, den gottmenschlichen Wundertäter! In Kana hat er sein erstes Wunder auf die Fürsprache Mariens hin gewirkt. So offenbarte er seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an Ihn. Tun auch wir es und lassen wir uns im Glauben nicht verunsichern und verwirren. Amen.