33. Sonntag im Jahreskreis – Lj B

gehalten in Parsch am 15.11.1970

 

Wiederkunft Christi

 

Ein Vorfall aus dem Leben eines österreichischen Heiligen: Klemens M. Hofbauer hatte eben sein Zimmer in Wien, wie so oft, voll von jungen Studenten, die sich nach einer tiefschürfenden Glaubensstunde unterhielten und es sich bei einer ihnen dargebotenen Stärkung wohl sein ließen, als schwere Wetterwolken sich über Wien zu einem jähen Gewitter zusammenzogen. Die junge Schar hatte nichts davon gemerkt, als plötzlich ein gewaltiger Blitzschlag die Stube grell erleuchtete und die Fenster zum Zerspringen brachte. Alles saß stumm vor Schreck. Da klang ruhig P. Hofbauers Stimme durch den Raum: "Wie der Blitz ausgeht und leuchtet vom Aufgang bis zum Niedergang, so wird es einst bei der Ankunft des Menschensohnes sein!" — Und dann nach einer Pause "So geht es auch in unserer Todesstunde! Dann schwebt der Seele das ganze Menschenleben mit der Schnelligkeit und Klarheit eines Blitzes noch einmal vor. Aber freilich, es ist ein anderes Licht als jenes, das wir jetzt schon sehen, es ist das Licht der Ewigkeit!"

Vielleicht bräuchte es für den Menschen von heute solch ein aufwühlendes Erlebnis, damit er sich mit jenen Worten auseinandersetzte, in denen Christus majestätisch groß seine Wiederkunft am Ende der Zeiten angekündigt hat. Aber was könnte denn wirklich für den Menschen von heute ein solches aufrüttelndes Erlebnis sein? War es etwa das lichterlohe Verbrennen von 144 jungen Menschen am Allerheiligenmorgen 1970 in jener Kleinstadt bei Grenoble in Frankreich? Ach, das hat doch nur wenige aufgerüttelt und erschüttert. Man hat doch nur von unglücklicher Verkettung von Umständen gesprochen oder von Vernachlässigung feuerpolizeilicher Maßnahmen und ist längst wieder zur Tagesordnung übergegangen im Vergnügungstaumel und im Sexrummel. Kaum jemand mag sich hineingedacht haben in die seelische Situation jener 144 tanzenden jungen Menschen, die erlebten, wie auf einmal Feuer aufblitzte, die Notausgänge, zu denen sie flüchteten, verrammelt waren und sie dann — hoffentlich mit dem Gedanken an das bevorstehende Gericht - der Reihe nach verbrannten und verkohlten...

Den Bericht eines dieser jungen Menschen über seine letzten Erlebnisse, seine letzten Gedanken, bräuchte es, um sich einmal tiefgehend mit den Worten auseinanderzusetzen, in denen Christus majestätisch groß seine Wiederkunft am Ende der Tage angekündigt hat.

Wir alle sind so weltzugewandt, so weltsicher geworden und damit aber auch so oberflächlich und gleichgültig gegen die Letzten Dinge der Welt und gegen die Letzten Dinge, die auf jeden von uns warten! Und doch hätten die Worte Christi über diese Letzten Dinge den Menschen aller Zeiten so viel zu sagen — auch uns!

Die Lehre Christi von seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten: Vieles dabei ist prophetisch dunkel, es wird erst jenen ganz klar werden, die alles miterleben. In vielem sind wir darum noch auf Mutmaßungen angewiesen, aber in den großen Zügen könnten wir doch heute schon verstehen, was der Herr uns sagen will:

a) Das Erste, wovon Christus spricht, ist die Erschütterung des Alls: Der Weltenbau, scheinbar so fest und sicher gefügt, wird plötzlich von Todeszuckungen befallen. Welcher Art die Katastrophe sein wird, wie sie ausgelöst wird, etwa durch den Wahnwitz der Menschen selbst, ein weites Feld von Vermutungen liegt hier vor uns. Entscheidend ist auf jeden Fall: die Sicherheit des Weltgebäudes gerät ins Wanken; und damit auch die Sicherheit der Menschen.

b) Die Menschen werden von Bangigkeit, von Furcht und Schrecken erfüllt, sie sehen sich ratlos, hilflos, machtlos der ungeheuren Katastrophe preisgegeben, die so unerwartet, so plötzlich, mit rasender Schnelligkeit über die bis dahin so selbstsichere Menschheit hereinbricht. Ob den Spöttern, und gerade ihnen, nicht dann doch der Spott auf den Lippen erstirbt?

So etwa wie es der große dänische Religionsphilosoph Kierkegaard einmal erzählt: In einem Schauspielhaus fingen die Kulissen Feuer. Der Bajazzo trat vor, um das Publikum von der gefährlichen Situation zu benachrichtigen — , das Publikum aber glaubte, es sei ein Witz des Bajazzo. Dieser wiederholte ernst und beschwörend seine Mitteilung. Da dröhnte der Saal von Beifallsstürmen, da das Publikum immer noch an einen Spaß glaubte. "So denke ich mir, schrieb Kierkegaard, wird einmal die Welt untergehen unter dem Beifall derer, die da glauben, es sei nur ein Witz!" Dann aber wird  ihnen urplötzlich das Lachen vergangen sein, wenn sie die Ahnung und dann das Wissen überkommt: Es geht zu Ende mit der sogenannten "schönen" Welt!

c) Das Erscheinen des Menschensohnes wird dann das Nächste sein: .Zuerst wird das Zeichen des Menschensohnes aufleuchten am Himmel, das Kreuz, das Zeichen der Erlösung und des Widerspruchs, vielgeliebt und vielgehasst! Welch ein Augenblick, welch ein Anblick, wenn das Kreuz nun als gewaltiges Siegeszeichen des Erlösers in wunderbarer Weise seine Balken über den ganzen Himmel legt, dass alle es sehen müssen , auch jene, die bis zuletzt lachten.

Und dann kommt er selber, der Menschensohn, in großer Macht und Herrlichkeit! Er kommt zum letzten Akt im Drama der Menschheitsgeschichte, er kommt zum Gericht, zur großen Scheidung...

d) Aber er kommt nicht allein, und er will auch nicht allein bleiben: Er sendet die Engel aus, die Auserwählten zu rufen. Wie? Wann? Wozu? Denen, die es erleben, werden solche Fragen auf den Lippen ersterben... Die großen Gottesboten erfüllen ihren Auftrag an der Menschenwelt. Und die Erlösten strömen zusammen "aus allen vier Winden, vom einen Ende des Himmels bis zum andern".

Und nun beginnt das Gericht... Im MkEv wird es nicht mehr geschildert. Es steht nur noch die Versicherung da: "Wahrlich, ich sage euch: Himmel und Erde vergehen, ehe das alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen!"

Und dann die Bemerkung: "Jenen Tag aber und die Stunde kennt niemand..."

Als der hl. Clemens M. Hofbauer, von dem ich am Anfang sprach, seinen von der Gewalt des Augenblicks erschütterten Zuhörern die Wiederkunft des Herrn ins Gedächtnis gerufen hatte, fügte er noch ein Wort hinzu, das uns alle angeht: "Jeder von uns erlebt einmal (an einem Tag und zu einer Stunde, die er nicht kennt) die Ankunft des Herrn zum Gericht! Sorgen wir dafür, dass wir dann bestehen können — im Lichte der Ewigkeit!"

Und sorgen wir dafür, dass es tagtäglich neu stimmt bis hin zu unserem Lebensende, was wir nun so oft nach der hl. Wandlung bei der Messfeier sprechen: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du wiederkommst in Herrlichkeit!"

Er wird einmal ganz gewiss wiederkommen in Herrlichkeit zum Gericht. Unsere Aufgabe aber ist es, aus Seinem erlösenden Sühnetod und aus seiner glorreichen Auferstehung zu leben und diese Heilstaten Christi durch ein Leben aus dem Glauben zu verkünden. Dann mag er wiederkommen an jenem Tag und zu jener Stunde, die wir nicht kennen, wir werden seinem Kommen in Herrlichkeit mit Vertrauen entgegensehen und ihm gegenübertreten können.