28. Sonntag im Jahreskreis – LjB

gehalten im Hohen Dom zu Salzburg am 14.10.1972

 

Das heutige Evangelium vom reichen Jüngling: er hatte so viel guten Willen, dass er spontan zu Christus kam mit der entscheidend wichtigen Frage: "Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?", der konnte sich aber – entgegen der Aufforderung Christi – von seinem Reichtum nicht trennen, er blieb daran hängen und kleben, er überhörte den Ruf Christi zur Nachfolge. Das wird heute wohl von vielen modernen Wohlstandsbürgern als unzumutbar abgetan mit der Bemerkung: "Alles verlassen um Christi willen, das ist vielleicht etwas für Leute, die Klosterberuf haben, aber nichts für uns Weltchristen; wir können doch nicht alles, was wir mühsam erworben und erspart haben, den Armen schenken und Christus nachfolgen. Das ist doch höchst unrealistisch und weltfremd gedacht! Wir sind zwar – wenn es unbedingt sein muss – bereit, aus diesem heutigen SoEv als Christen ein paar brauchbare moralische Rezepte entgegenzunehmen, wenn ihr Geistlichen und Ordensleute das, was Christus hier fordert, zuerst selber ganz ernst nehmt mitsamt der reichen Kirche, und wenn ihr das, was für uns dann noch an diesen Forderungen des Sozialrevolutionärs Christus in Frage kommt, ordentlich entschärft und einem gesunden Aggiornamento unterwerft! Aber so, wie diese Forderungen im heutigen SoEv dastehen, kommen sie für uns Weltchristen einfach nicht in Frage!"

Ich meine: solche Einstellung und Haltung würde nur verraten, wie wir alle vom Kapitalismus und Materialismus angekränkelt und angesteckt sind und das Salz des Christentums bei uns schon schal geworden ist. In solcher Haltung würden wir uns auch von vornherein den Weg verbauen zum richtigen Verständnis des heutigen SoEv, in welchem es letztlich um das geht, was Jesus Christus an anderer Stelle in den Satz zusammengefasst hat: "Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch dann hinzugegeben werden!"

Auf die rechte Wertordnung kommt es Christus hier an, nicht etwa auf Verachtung der lebensnotwendigen irdischen Güter und Werte! Christus verflucht nicht den Wohlstand und Reichtum, weist aber auf seine großen Gefahren hin, und er spricht über den Reichen das Wehe aus, dem der irdische, vergängliche Besitz mehr bedeutet als Gott, Seele und Ewigkeit.

Wie denkt Christus vom Reichtum und von den Reichen? Der Herr hat diesbezüglich eine sehr klare Sprache geführt und hat mehrmals darauf hingewiesen, dass der Reichtum für den Menschen ein Fluch sein kann und es gar oft auch ist. Warum wohl?

1. Deshalb, weil der Reichtum den Menschen allzu leicht stolz macht, wenn der Reiche seinen Reichtum als Macht auffasst, um andere Menschen zu beherrschen und zu erniedrigen, und als Recht auffasst, um sich alles zu erlauben. Dieser stolze Reiche meint, er habe alles, er bekomme alles, er dürfe alles, und er vergisst dabei, dass der Reichtum mehrfach mit Hypotheken belastet ist: Gott gegenüber und dem Mitmenschen gegenüber!

2. Der Reichtum kann eine große Gefahr sein, weil er zu oft gleichgültig gegen Gott und kalt gegen den Mitmenschen macht. Der reiche Prasser im Gleichnis Jesu ist da ein warnendes Beispiel! Reichtum züchtet allzu leicht den Egoismus, in welchem dem Menschen außer dem eigenen Ich, seinem eigenen Vorteil, seiner eigenen Ehre alles andere gleichgültig wird, sodass er nicht mehr die Not um sich herum sieht und auch nicht mehr die gewaltige Möglichkeit, anderen zu helfen und sich selbst durch Hilfsbereitschaft, Güte und Liebe echte, wahre Freuden und Verdienste für die Ewigkeit zu verschaffen.

3. Eine weitere Gefahr des Reichtums ist, dass er so leicht blind macht für das Eigentliche und Ewige im Menschen und für sein Seelenheil! Der Reiche ist in Gefahr kaum je daran zu denken, was dann folgt, wenn das Irdische mit seiner Pracht und Täuschung versinkt und der irdische Reichtum, der keinen Kurswert im Himmel hat, nichts mehr nützt. Wie eindringlich hat das doch Hugo v. Hofmannsthal im Dialog zwischen Jedermann und dem Mammon geschildert und längst vor ihm Jesus Christus im Gleichnis vom reichen Toren im 12. Kapitel des LkEv.

4. Noch eine vierte Gefahr des Reichtums wollen wir nicht übersehen: Er macht so leicht anfällig für vieles Böse! Es ist das eine Erfahrungstatsache! Die Versuchung dazu kommt von innen: "Wer hat mir schon etwas zu sagen! Ich habe doch auf Grund meines Reichtums ein Recht, mir alles zu erlauben!" Die Versuchung kommt dann auch von außen, von Schmeichlern und Verführern aller Art: "Du kannst dir's doch leisten! Wie viele Reiche gibt es, die dann ihren Reichtum zu Sünde und Laster aller Art verwenden und zur "dolce vita", die auch vor den hässlichsten Lastern nicht Halt macht!

Wenn man all die genannten Gefahren, die der Reichtum in sich birgt, überdenkt – und man könnte noch auf verschiedene andere aufmerksam machen -, so versteht man schon das mehrfache Wehe des Herrn über die Reichen seiner Zeit und aller Zeiten: "Weh euch, ihr Reichen! Ihr habt bereits euren Trost! Weh euch, ihr Satten! Ihr werdet hungern! Weh euch, die ihr jetzt lacht! Oh, ihr werdet trauern und weinen!" - Und man kann es schon verstehen wenn Christus im heutigen Ev sagt, dass leichter ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.

Und doch - ich betone es nochmals - hat Christus nie den Reichtum selbst verflucht und verurteilt. Er wusste zu gut: so gefährlich der Reichtum für viele sein kann, er kann auch zum Segen werden, wenn der Reiche trotz seines Reichtums innerlich arm bleibt, d.h. wenn er lernt, über seinem Reichtum zu stehen, nicht daran zu kleben, sich innerlich frei zu halten von aller Anhänglichkeit an Geld und Gut und sich nicht von Geld und Reichtum beherrschen zu lassen. Denn nicht das Geld ist des Menschen Feind, sondern das Kleben am Geld, das Jagen nach Geld.

Der Reichtum verliert viel von seiner Gefahr, wenn der Reiche ihn

1. zur Ehre Gottes und zum Heil der Mitmenschen verwendet, - wenn der Reiche 2. sich durch den Reichtum nicht in Sünde und Schuld verstricken lässt, und wenn 3. der Reiche über all seinen Sorgen um den irdischen Besitz nie die höchste aller Sorgen, die Seelsorge, die Sorge um sein ewiges Heil, um das Ewige im Menschen vergisst!

Im Spiel von „Jedermann“ hat dieser sehr spät, aber nicht zu spät, erlebt, wie dem Menschen wird, wenn der Lebenstraum des Reichen mit allem Prassen, Grosstun und Angeben zerrinnt, wenn die Lebenslüge wie eine Seifenblase platzt und die unbestechliche Wahrheit über den eigentlichen, wahren, inneren Wert des Menschen an den Tag kommt im Gericht Gottes!

Wenn ein Reicher diese heilsame Furcht im Herzen trägt, kann ihm der Reichtum letztlich gar nicht schaden, sondern nur nützen, weil er ja weiß, was er zu tun und zu lassen hat! Freilich, das alles ist schwer, weil man im Reichtum so leicht wertblind wird und den Ruf Gottes überhört! Der reiche Jüngling zeigt es im heutigen SoEv.

Seien wir zufrieden, wenn uns größerer Wohlstand und Reichtum versagt blieb; wir wissen nicht, vor wie vielen Gefahren wir dann bewahrt geblieben sind!

Beneiden wir die Reichen nicht. Ihr Reichtum und Glück ist oft nur Schein! Sie haben oft in ihrem Reichtum viel mehr Sorgen als die Armen: die Sorgen um die rechte Verwaltung des Reichtums, die Sorgen mit den möglichen Risken und Gefahren der Entwertung. Oft ist der Reiche viel ärmer als wir meinen: Der Reiche kann sich nichts mehr schenken lassen; auch von Gott nicht. Das Himmelreich aber ist ein Geschenk Gottes, das nur dem angeboten wird, der sich vor Gott arm weiß und sich beschenken lässt! "Selig die Armen, ihrer ist das Himmelreich!"

Beachten wir auch noch den Schluss im heutigen SoEv: Jeder, der etwas verlässt um Christi willen, um des Ev willen, der wird das Hundertfache dafür empfangen Richtig gesehen stimmt es immer: Wohltun macht nicht ärmer, sondern nur reicher. Wohltun bringt Zinsen! Am nächsten Sonntag, am Weltmissionssonntag, könnten wir das wieder erfahren, wenn wir jenen Menschen in den Missionsländern, in den Entwicklungsländern spürbar helfen, die nicht nur in leiblicher, sondern in noch viel größerer seelischer Not sind! Auf etwas verzichten aus Liebe zu Gott in der rechten Großzügigkeit des Herzens und in christlicher Freigebigkeit bringt Lohn für Zeit und Ewigkeit und bewahrt uns alle vor dem, was heute für sehr viele unter uns zur großen Gefahr geworden ist: die seelische Wohlstandsverwahrlosung und Verbohrtheit ins Materielle, Irdische, Vergängliche. (Amen).

 

In einem alten Gebetbuch fand ich das folgende Gebet für die Reichen, mit dem ich die Predigt schließen möchte:

"Himmlischer Vater, erbarme dich unserer reichen Brüder und Schwestern, damit sie, von den vergänglichen Gütern dieser Welt umgeben, dich und dein Vaterhaus, den Himmel, nicht vergessen, allen Stolz und Weltgeist ablegen und die himmlischen Schätze, die Rost und Motten nicht verzehren können, höher werten als den irdischen Reichtum. — Gott Sohn, Jesus Christus, der du arm geworden bist, um uns Menschen reich zu machen und der du auch für die Reichen Blut und Leben hingeopfert hast, die nach deinem Wort nur ganz schwer gerettet werden, gib ihnen deine Gnade, damit sie mit ihrem Reichtum dir in deinen Brüdern, den Armen und Notleidenden, Gutes tun und so des ewigen Lohnes nicht verlustig gehen. Hl. Geist, lass die Reichen die großen Gefahren erkennen, die in ihrem Reichtum liegen, und gib ihnen den Geist der Demut, der Nächstenliebe, der christlichen Entsagung und Bußgesinnung. Und bewahre auch uns alle vor Neid und übermäßigem Streben nach den Gütern dieser Welt und vor Anhänglichkeit an das Materielle und Vergängliche. Amen."