22. Sonntag im Jahreskreis – Lj B

gehalten in Parsch am 29.8.1970

 

An fünf Sonntagen wurde uns jetzt im SoEv (nach der neuen Perikopenordnung) das 6. Kapitel des JohEv abschnittsweise vorgesetzt, um uns so in die Mitte der sonntäglichen Messfeier, in das Geheimnis der Eucharistie hineinzuführen. Nun geht es wieder weiter in der ungemein abwechslungsreichen Darbietung des Wortes Gottes aus dem AT und NT. Der Tisch des Wortes Gottes wird uns ja jetzt immer so reich gedeckt, gleichsam wie ein Mahl mit drei Gängen, zuerst die Vorspeise aus dem AT, dann der erste Gang aus den Apostelbriefen und schließlich der Hauptgang: das Evangelium. Alle drei Lesungen aber stehen immer unter einem gemeinsamen Thema.

Was ist nun etwa das gemeinsame Thema der drei Lesungen des heutigen So? Da war zuerst die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Deuteronomium, dem 5. Buch Moses. Dann ein Stück aus dem Jakobusbrief. Und schließlich ein Abschnitt aus dem MkEv. Immer ging es dabei, wenn man genau zusieht, um die vieldiskutierte Frage: Kann es, darf es für die rechte Gottesverehrung Vorschriften geben?

Das ist doch heute eine sehr aktuelle Frage. Wir sind ja gerade wieder dazu zusammengekommen, um "vorschriftsmäßig" an der Messfeier teilzunehmen und unserer sogenannten "Sonntagspflicht" nachzukommen, statt - wie es gar manche vorziehen; in der schönen Natur draußen, auf einem Berggipfel, an einem See oder am Strand des Meeres den Schöpfergott zu verherrlichen.

Gerade auf die Vorschrift, wie wir am Sonntag Gott verherrlichen sollen, fällt aus den heutigen Lesungen ein klärendes Licht.

1. Da wird uns Christen von heute zuerst aus der alttestamentlichen Gesetzes- und Vorschriftensammlung als Weisung des Moses vorgelesen: "Ihr sollt den Wortlaut dessen, was ich euch gebiete, nichts hinzufügen, ihr sollt davon nichts wegnehmen, damit ihr wirklich die Gebote des Herrn eures Gottes, beobachtet, die ich euch gebiete. Ihr sollt sie beobachten und sollt sie durchführen. Denn das ist eure Weisheit und eure Bildung im Urteil der Völker!" - Gilt das nicht auch für die Christen von heute? Die Gebote Gottes, die vielgeschmähten - auch das von der Verherrlichung Gottes durch die Sonntagsheiligung, sollten uns über alles gehen, wir sollten sie ganz ernst nehmen, ernster, viel ernster als alle staatlichen Gesetze und Vorschriften. Aber über die 10 Gebote Gottes hinaus sollte Richtschnur unseres Handelns und Lebens das doppelte Gebot von der Gottes- und Nächstenliebe sein.

2. Im Abschnitt aus dem Jakobusbrief, der die 2. Lesung des heutigen Sonntags bildet, beruft sich der neutestamentliche Mahner darauf, dass der Gott, dem wir Christen dienen, sich nicht wandelt wie der Mond und sonstiges Gestirn, und dass in dieser Unwandelbarkeit und Unveränderlichkeit Gottes die Pflicht wurzelt, seinen Willen und sein Gebot gewissenhaft zu beobachten: „Handelt nach dem Wort. Hört es nicht nur an, denn dadurch würdet ihr euch selbst betrügen!“ Nüchtern und handfest heißt es dann aber weiter, dass unsere Treue zu Gottes Gebot, unsere Gottesverehrung und Gottesliebe sich konkret in der Nächstenliebe ausdrücken muss: "Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind!” Da wird uns sehr konkret besagt, dass jeder Gottesdienst, auch unsere sonntägliche Messfeier nicht viel wert sind, wenn wir unsere Gottesliebe nicht in der hilfsbereiten Nächstenliebe zur Auswirkung kommen lassen!

3. Und nun das Ev: Es berichtet, wie Jesus das Erfüllen überlieferter Vorschriften des Alten Bundes verwirft, aber nur, um die eigentlichen Gebote Gottes und vor allem wieder das doppelte Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe, an die erste Stelle zu rücken. Die Pharisäer hatten die Gebote Gottes, vor allem das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe von dieser ersten Stelle weggeschoben und stattdessen ihre oft so kleinen und kleinlichen Vorschriften gesetzt.

Wer Gott in wirklich gültiger Weise dienen will, so sagt Christus, der muss vor allem die Gottes- und Nächstenliebe üben und dem Bösen in seinem Herzen wehren, denn daraus werden die bösen Taten geboren: "Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Betrug, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft!" Auf das Herz, auf die Gesinnung kommt es an! Aus böser Gesinnung kommen böse Taten. Die böse Gesinnung macht den Menschen unrein und nicht so sehr die Unterlassung hygienischer oder kultischer Vorschriften, die gewiss auch recht und gut sein können, aber nicht überschätzt werden dürfen.

Schauen wir uns nun dieses heutige SoEv noch etwas näher an: Die Pharisäer, die um Gottes Gebote einen ganzen Wald von Paragraphen und Vorschriften herumgepflanzt hatten und diese ihre Vorschriften viel höher einschätzten als die Gebote Gottes, über die sie sich in  erbärmlicher Selbstgerechtigkeit oft sehr großzügig hinwegsetzen konnten, sie hatten die Jünger Jesu dabei beobachtet, wie diese mit ungewaschenen Händen ihr bescheidenes Essen zu sich nahmen. Das hatte die Pharisäer nicht bloß irritiert, sondern förmlich schockiert. Mit richtiger Wut im Bauch kamen sie nun höchst aufgebracht und empört zu Jesus und stellten ihn zur Rede: "Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferungen der Alten, sondern essen mit unreinen Händen?" Jesus aber reagierte sehr sauer. Er hatte kein vermittelndes Wort für die Pharisäer übrig, die sich da an der Leichtfertigkeit gestoßen hatten, mit der seine Jünger über alte, bewährte Traditionen hinweggingen. Der Widerwille Jesu gegen die pharisäische Gesetzesgerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit muss grenzenlos gewesen sein. Er durchschaute sie eben in ihrer Falschheit, in der sie Gottes Gebot preisgaben um ihrer eigenen Überlieferungen und kleinlichen Vorschriften willen. Christus fällt mit den Worten des Propheten Isaias über die Pharisäer das harte Urteil: "Sinnlos ist es, wie sie Gott verehren! Sie geben Gottes Gebot preis und halten sich an die Überlieferung der Menschen!" Dann rief Jesus das Volk zu sich und sagte: "Hört mir alle zu und begreift, was ich euch sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern nur, was aus dem Menschen herauskommt, macht ihn unrein!" Das Herz des Menschen, die Gesinnung des Menschen entscheidet!

Auf Äußerlichkeiten kommt es wahrhaft nicht an. Nicht die Schlechtigkeit, der wir draußen in der Welt begegnen, macht uns schlecht. Noch weniger machen die Dinge dieser Welt, denen wir begegnen, und die wir gebrauchen, und die wir in Form von Speise und Trank zu uns nehmen, unser Herz schlecht. Die Dinge dieser Welt sind ja an sich gut. Gott hat eine gute Welt geschaffen und uns eine gute Welt anvertraut, damit wir uns ihrer in seinem Namen und Auftrag bedienen und uns an ihr freuen. Zu dieser Welt gehören Speis und Trank, gehört auch unser Leib, auch mit seiner Geschlechtskraft. Auch das Sexuelle ist an sich gut und gottgewollt. Die Schlechtigkeit und Bosheit steckt nicht in den Dingen und kommt nicht von Gott. Bosheit wird erst dort geboren, wo unser Herz, unsere Gesinnung das Böse, das Verkehrte, das Naturwidrige bejaht und wir unser Ja dazu sagen gegen Gott und gegen den Sinn der Schöpfung Gottes. Von solcher Bosheit wird uns nun am Schluss des heutigen SoEv ein Katalog vorgehalten, ein Stück Beichtspiegel förmlich, in den wir mutig hineinschauen sollten. Denn er spiegelt unser Herz. Er verrät, was unser Herz uns eingibt.

Oder sollten wir nicht besser sagen: was unser Herz herausgibt. Darauf, auf die Gesinnung unseres Herzens, achten wir alle viel zu wenig. In uns allen steckt ein Stück Pharisäer, der mehr auf die äußerlichen Überlieferungen und Vorschriften des Anstands, der Hygiene, des Brauchtums und der religiösen Traditionen achtet, als auf die Gesinnung seines Herzens, das glühen sollte nicht von Hass und Bosheit, sondern von Gottes- und Nächstenliebe! Merken wir uns das. Amen.