20. Sonntag im Jahreskreis – Lj B
gehalten in St. M. Loreto am 14.8.1988
Noch einmal hören wir im heutigen SoEv wie an den vergangenen Sonntagen ein Stück aus der eucharistischen Verheißungsrede Christi, die er nach dem Wunder der Brotvermehrung in der Synagoge von Kapharnaum hielt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brote isst, wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt." - Da stritten die Juden untereinander und sagten: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?"
Diese Frage wollen auch wir heute stellen. Sie soll aber nicht Streitpunkt sein wie damals bei den Juden und heute bei manchen Theologen. Wir wollen sie stellen im Bewusstsein, dass es bei der hl. Eucharistie um ein wunderbares Geheimnis des Glaubens geht, und wir wollen die Frage: „Wie kann Christus uns sein Fleisch zu essen geben?" gläubig stellen und gläubig beantworten.
Gläubig stellen wir diese Frage, wenn wir festhalten, dass jener, der sich den Menschen als Speise und Trank für ihre Seelen dargeboten hat, der menschgewordene Sohn Gottes ist. Gläubig beantworten wir diese Frage, wenn wir darauf hinweisen, dass hier, in der hl. Eucharistie, eine Wandlung vor sich geht, und zwar eine einzigartige und wunderbare, in der das Brot verwandelt wird in Christi Leib, der Wein verwandelt wird in Christi Blut. Es geht hier um eine Wesensverwandlung (Transsubstantiation), die so hoch und erhaben ist, dass kein Menschengeist sie hätte ersinnen oder auch nur erträumen können.
Sehen wir uns diese Wandlung näher an und halten wir fest, dass es hier, wie uns das unfehlbare Lehramt der Kirche sagt, um eine WESENSverwandlung, um eine Transsubstantiation geht. Moderne Theologen möchten sich da – um dem heutigen Menschen mit seinen Glaubensschwierigkeiten entgegenzukommen – mit einer sogenannten Transsignifikation (Bedeutungswandel) oder Transfinalisation (Zweckveränderung) begnügen.
Was ist das? Machen wir es uns an zwei Beispielen aus dem Alltagsleben klar:
Transsignifikation ist Bedeutungswandel: Da kauft ein junger Mann im Blumenladen einen Blumenstrauß für seine Braut. Im Laden ist der Blumenstrauß eine käufliche Ware; das ist seine Bedeutung, seine Signifikation; übergibt der junge Mann aber dann den Strauß seiner Braut, so hat nun der Strauß eine ganz andere Bedeutung, er ist nicht mehr Ware, sondern Zeichen und Ausdruck der Zuneigung und liebe. - Transfinalisation ist Zweckveränderung: Ein Seil dient der Familienmutter zum Trocknen der Wäsche, dann den Kindern zum Spielen. Aus dem Haushaltsgegenstand ist ein Spielzeug geworden. Am Gegenstand selbst hat sich nichts verändert, er hat aber eine neue Zweckbestimmung erhalten (Transfinalisation) oder er hat eine neue Sinngebung, eine neue Bedeutung erlangt. An der Sache selbst hat sich nichts geändert. Der Blumenstrauß blieb unverändert; was sich geändert hat, war nur das Bezugssystem: Zuerst war der Blumenstrauß eingeordnet in das Bezugssystem zwischen Verkäufer und Käufer und dadurch war der Blumenstrauß eine Ware im Blumenladen. Dann aber wurde er durch den jungen Mann, der den Blumenstrauß kaufte und seiner Braut überbrachte, eingeordnet in das Bezugssystem zwischen Bräutigam und Braut. Jetzt war der Blumenstrauß nicht mehr Ware, verkäufliche Ware, sondern sinnvolles Zeichen der Zuneigung und der Liebe zwischen zwei Menschen.
Auch am Seil selbst hat sich nichts geändert, es blieb in seinem Wesen völlig gleich. Aber zuerst hatte es von der Hausfrau die Zweckbestimmung erhalten, ihr zum Trocknen der Wäsche zu dienen; dasselbe Seil aber wurde dann zum Spielzeug der Kinder.
Bei der eucharistischen Verwandlung ändert sich nun sicher auch das Bezugssystem von Brot und Wein: Bei der Eucharistiefeier werden nämlich Brot und Wein aus ihrem bisherigen Bezugssystem herausgenommen und in ein neues eingefügt: Bisher dienten Brot und Wein zur Ernährung und Erquickung des leiblichen Lebens. In der Eucharistiefeier aber werden nun das Brot, das bisher irdisches Nahrungsmittel war, und der Wein, der bisher irdisches Getränk war, zu Zeichen des Leibes und Blutes Christi, der sich den Seinen als Speise und Trank für das geistliche Leben schenken will; Brot und Wein erhalten so eine neue Bestimmung, durch die sie gleichsam über sich hinauswachsen. Sie erfahren einen Bedeutungswandel (eine Transsignifikation) und erhalten eine neue Zweckbestimmung (eine Transfinalisation).
Aber ist das wirklich alles, was bei der heiligen Wandlung im Messopfer an Brot und Wein geschieht? Geht nicht auch an der Wirklichkeit von Brot und Wein eine Wandlung, eine Wesensverwandlung vor sich?
Und wir müssen auf Grund eindeutiger Erklärungen des kirchlichen Lehramtes antworten: Ja, Brot und Wein erhalten in der heiligen Eucharistie nicht bloß einen neuen zeichenhaften Sinn und eine neue Zweckbestimmung, auch ihr ganzes Wesen wird verwandelt: die äußere, sinnenfällige Gestalt von Brot und Wein bleibt zwar unverändert: Brot und Wein schmecken auch nach erfolgter Wandlung wie Brot und Wein, aber in der Kraft Christi ist die dahinter steckende Wirklichkeit gewandelt worden und ist nun nicht mehr bloß Brot und Wein, sondern der Leib Christi, das Blut Christi, die nun unter den Gestalten von Brot und Wein wahrhaft und wirklich gegenwärtig sind.
Vielleicht können wir uns diese Wesensverwandlung am ehesten noch weiter klarmachen an der mannigfaltigen Verwandlung, die am Weizenkorn vor sich geht: Der Weg vom Weizenkorn, das in die Erde gesenkt wird bei der Aussaat, bis zur vollen Ähre, und dann vom Korn, das gedroschen und gemahlen wird, bis zum nahrhaften Brot, und schließlich vom Stück Brot, das gegessen wird, bis zu unserer Leibessubstanz, in die es durch Assimilierung verwandelt wird, wenn der Mensch sich das Stück Brot einverleibt, welch fortwährende Verwandlung geht da jeweils vor sich!
Auf dieser geheimnisvollen natürlichen Wandlung baut nun der Schöpfer aller Dinge noch einmal eine dreifache Wandlung auf: Christus wandelt das Brot in seinen Leib, den wir in uns aufnehmen und genießen dürfen, damit Er ganz in uns sei und wir ganz in Ihm seien und wir in Ihn verwandelt und immer Christusförmiger und immer mehr Ihm gleichgestaltet werden.
„Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben?“ So fragten in Kapharnaum ungläubig die Juden. Sie trauten Christus damals dieses Wunder nicht zu, sie wollten nicht glauben, sie stritten untereinander. Der Herr aber blieb bei seiner Verheißung, er bestätigte und bekräftigte das Verheißene unter einem feierlichen Schwur noch einmal negativ und positiv, indem er sagte: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage. Denn mein Fleisch ist eine wahre Speise, mein Blut ist ein wahrer Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und ich in Ihm!"
Der berühmte Jurist Dr. Karl Ernst Jarcke, der Protestant war und 1852 als Katholik in Wien gestorben ist, war lange Univ.-Professor in Bonn. Hier knüpfte er eines Tages auf einem Spaziergang mit einem schlichten, einfachen katholischen Mann, um den in seinem Glauben auf die Probe zu stellen, folgendes Gespräch an: „Wie können Sie als Katholik nur glauben, dass Jesus Christus in der kleinen Hostie wahrhaft und wirklich gegenwärtig ist?" Darauf erwiderte der Mann: „Es ist so, ich glaube es fest, weil Christus es so gesagt hat!" „Aber bedenken Sie doch, dass so etwas einfach nicht möglich ist!" Darauf wiederum der Mann: „Und doch ist es so, Herr Professor!" Darauf nochmals der Professor: „Ich bitte Sie, lieber Mann, sehen Sie denn nicht ein, was für Schwierigkeiten sich gegen diese angebliche Wahrheit von der Gegenwart Christi in der Hostie und gegen die Behauptung von der Wesensverwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi ergeben?" Dagegen erwiderte nochmals der Katholik: „Herr Professor, Sie mögen noch so viele Schwierigkeiten sehen, für den allmächtigen Gott aber gibt es hier keine Schwierigkeiten! Und nichts bringt mich von diesem Glauben ab!" – Diese Glaubensfestigkeit des einfachen Mannes der Straße trug viel dazu bei, dass der Protestant Dr. Karl Ernst Jarcke später zur katholischen Kirche übertrat und ein gläubiger, treuer Sohn der wahren Kirche wurde und gerade im Geheimnis der hl. Eucharistie Kraft und Trost in seinem Leben fand.
Zum Schluss sei der große, gelehrte und glaubensfrohe Dichter der hl. Eucharistie, der hl. Thomas v. Aquin, zitiert, der uns in seiner theologisch so tiefen Fronleichnamssequenz "Lauda Zion… Deinem Heiland, Deinem Lehrer..." singen und beten lehrt:
"Doch nach unsres Glaubens Lehren/ wird das Brot, das wir verehren/ Christi Leib, sein Blut der Wein./ Was dem Auge sich entziehet,/ dem Verstande selbst entfliehet,/ sieht der feste Glaube ein. — Unter zweierlei Gestalten/ sind sehr große Ding' enthalten,/ deren sie nur Zeichen sind: Blut und Fleisch sind Trank und Speise,/ da sich doch in beider Weise/ Christus unzerteilt befind't... Guter Hirt, du wahre Speise,/ Jesus, stärk uns auf der Reise/ bis in deines Vaters Reich./ Nähr uns hier im Erdentale,/ ruf uns dort zum Hochzeitsmahle,/ mach uns deinen Heil'gen gleich! Amen."