11. Sonntag im Jahreskreis - LjB
gehalten in St. M. Loreto und im Hohen Dom zu Salzburg am 13.Juni 1982
Das heutige SoEv enthält zwei Reich-Gottes-Gleichnisse Jesu, die uns wieder einmal das rechte, ehrfürchtige Staunen über das wunderbare Wirken Gottes in der Natur und in der Übernatur beibringen sollen.
Schauen wir uns wenigstens das erste dieser beiden Gleichnisse ein wenig näher an: ganz schlicht und einfach erzählt es, wie ein Bauer Samen auf seinen Acker säte; dann ging er, legte sich nieder, stand wieder auf; es ward wieder Tag, es ward wieder Nacht. Auf dem Feld draußen tat der Bauer nichts mehr. Draußen auf dem Feld aber tat sich dennoch etwas Gewaltiges ganz ohne Zutun des Bauern: Der Same keimte, der Same wuchs, es wuchs der Halm, dann die Ähre, in der Ähre das Korn. Das Korn reifte schließlich. Nun erst setzte wieder die Arbeit des Bauern ein: die ERNTE. Aber das eigentliche Wachsen und Reifen des Korns nach geschehener Aussaat durch den Bauern „geschah ganz von selbst“, wie es wörtlich im Ev heißt. Und das ist das Wunderbare in der Natur, das wir viel zu wenig bewundern und bestaunen.
Gewiss musste der Bauer zuerst das Feld bestellen. Er programmierte, was auf dem Felde wachsen sollte. Er sorgte dafür, dass der Ackerboden den nötigen Nährstoff bekam im biologischen, natürlichen Dünger oder - wenn es nicht anders ging - im Kunstdünger. Der Bauer suchte dann den Samen aus, der gerade für diesen Boden, für dieses Klima der richtige war. Er wählte auch die richtige Zeit, wann gepflügt und wann gesät werden musste. Aber von all diesen sicher sehr wichtigen menschlichen Vorarbeiten jetzt einmal abgesehen - ging das Wachstum des Korns eigentlich doch "ganz von selbst" vor sich, AUTOMATISCH, wie wir mit einem aus dem Griechischen kommenden Fremdwort sagen könnten; und es ist interessant, wie im griechischen Urtext des MkEv tatsächlich dieses griechische Wort "automaté" steht.
Wer hat nur diese Automation in die Natur hineingelegt?
Denken wir ein wenig darüber nach, welche Rolle heute in der Technik, in der Industrie die immer weiter voranschreitende Automation spielt, bis hinein in Dinge des Alltags, die uns fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden sind wie etwa die Automatik im Auto, in der Waschmaschine, im Telefon usw. Und dieser Automationsprozess geht weiter, hat doch die Elektronik bis hin zu den kleinsten Mikrocomputern ihren Siegeszug angetreten: Alles wird programmiert und mit einem einzigen Druck auf den Knopf in Betrieb gesetzt. Menschen, die bisher mühsam dabei ihre Arbeit taten, wurden überflüssig und mussten sich nach einer anderen Arbeit umsehen.
Und doch geht es nicht ganz OHNE den Menschen! Der Mensch muss die Maschine bauen, er muss das Programm dazutun. Sein Finger auf dem Knopf befiehlt das Anlaufen oder den Stillstand der Maschine. Der Mensch ist es auch, der den Schaden in der Maschine, ihr Versagen beheben muss, wenn die Technik ihre Tücken hat und doch nicht alles so gelingen lässt, wie man erwarten müsste.
Trotzdem, das Tun des Menschen ist weithin durch die Automation überflüssig geworden, die Automation arbeitet für den Menschen, anstelle des Menschen.
Ist es nun beim Wachstum in der Natur, auf den Saatfeldern, in den Gärten, nicht genau so?
Was der Mensch am Anfang beim Aussäen der Saat, beim Pflanzen der Pflänzchen tut, ist zweifellos wichtige Voraussetzung für das Wachstum. Noch viel wichtiger aber ist zweifellos die geheimnisvolle AUTOMATION, die ein unendlich weiser PROGRAMMIERER in die Natur hineingelegt hat. Denken wir nicht viel zu wenig an diesen weisen Schöpfer und Planer der Natur?
Da prahlt der gedankenlose oder gar gottlose Mensch mit seinen technischen Errungenschaften und mit der Automation seiner Maschinen. Aber was nützen die besten landwirtschaftlichen Maschinen mit all ihrer Automatik und was nützt der großartigste, der vorgenommenen Bodenprobe entsprechend abgestimmte Kunstdünger, wenn der Schöpfer der Natur einen Wachstumsstop befehlen würde? "Von selbst bringt die Erde ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre..." So heißt es im Gleichnis des Ev. Woher stammt dieses "von selbst"? Woher stammt diese Automatik, die viel viel wunderbarer ist als alle Automatik, die der Mensch in seinen Maschinen und technischen Hilfsmitteln erfunden und dabei doch nur den vom Schöpfer in die Natur hineingelegten Gesetzen abgeschaut hat? Was wäre, wenn der Schöpfer dieser wunderbaren Automation beim Wachstum in der Natur ein Ende setzen würde? Was wäre, wenn der unendlich weise Programmierer Gott es anders verfügen, anders befehlen würde?
Aber schauen wir noch ein wenig weiter und bewundern wir einmal so einen automatisch gewachsenen Getreidehalm samt der Ähre und den vollen reifen Körnern darin! Nehmen wir einmal so einen Roggenhalm her: Die Wand eines Roggenhalms beträgt nur 4 Millimeter, seine Größe aber anderthalb Meter. Wir sind diesen Anblick gewöhnt und nehmen alles daran so selbstverständlich hin und doch ist darin alles ganz wunderbar. Machen wir es uns an einem modernen Gleichnis klar. Mir fehlt leider die Sprachgewalt des göttlichen Heilands, um in einem kurzen, schlichten Gleichnis so viel auszusagen, wie er. Aber versuchen wir es: "Es war einmal...im sagenhaften Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in den USA, ein verschrobener Multimillionär, der meinte, dass für Geld alles möglich sei. Also ließ er eines Tages einen Architekten kommen, den berühmtesten des Landes, der wirklich genial begabt war und schon Meisterwerke moderner Baukunst und Technik geschaffen hatte. Diesem Architekten sagte der Multimillionär: „Bauen Sie mir einen Turm. Was er kostet, spielt keine Rolle. Aber er muss genau nach meinen Wünschen ausgeführt werden. Der Turm soll einen Durchmesser von 4 m, eine Höhe von 1500 m haben. In den Turm müssen Treppen und Gänge eingebaut werden, Wasserleitungen bis hinauf dürfen nicht fehlen, auch nicht ein Materialaufzug. Die Turmwände dürfen nur einen halben Meter dick werden und dennoch muss die Höhe des Turmes 1500 Meter betragen. Oben auf der Turmspitze aber muss eine chemische Fabrik eingerichtet werden. So, jetzt kennen Sie meinen Plan. Nun frisch an die Planung und Ausführung!"
Was meint Ihr, was der Architekt tat? Ihm standen beim Anhören dieser undurchführbaren Idee, die ihm da der Multimillionär vorgetragen hatte, die Haare zu Berge. Entsetzen hatte ihn gepackt, er war aufgesprungen und zur Tür hinausgerannt in der Meinung, der Multimillionär müsse den Verstand verloren haben, sodass er deshalb so irr und wirr dahergeredet hatte. Denn selbst unter Zuhilfenahme aller Regeln der Mathematik, der Physik, der Chemie und aller modernsten Errungenschaften der Technik wäre doch ein solcher Turm unausführbar. Denn ein Bau, dessen Höhe 400mal größer ist als sein Durchmesser kann wohl geträumt, aber nie verwirklicht werden. Und dieser Bau ist trotzdem Wirklichkeit, tausendfach verkleinert, in jedem Roggenhalm! Der Roggenhalm ist jenes unnachahmbare architektonische Wunderwerk, dessen Höhe tatsächlich 400mal größer ist als sein Durchmesser. Ohne Beton und Eisen ist er gebaut. In den Halmrillen befinden sich Treppen und Gänge. Aufzüge für Nährmittel und Wasserleitungen bis zur Spitze des Halmes sind ebenfalls vorhanden und funktionieren tadellos. Und oben auf dem Halm steht tatsächlich auch die chemische Fabrik, in der das Mehl, des Menschen tägliches Brot, hergestellt und aufgespeichert wird. Wie unfassbar weise und mächtig und genial muss doch jener große Architekt sein, der den Roggenhalm ersonnen und erschaffen und dabei eine Automation für seine Entwicklung programmiert und eingebaut hat, dass es tatsächlich stimmt: "Von selbst (automatisch) bringt die Erde ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre…“ Wenn wir zur Sommerszeit – etwa im Urlaub - Gelegenheit haben, über die Felder zu schreiten, sollten wir oft so gedankenlosen und blinden Menschen wieder einmal unsere Augen weit öffnen und unsere Ohren dazu und hinhorchen und hören, wie eigentlich ein Getreidehalm dem andern zuruft: "Herr, du bist groß und herrlich und wunderbar an Macht und unübertrefflich!" (Judith 16,13). So singen Milliarden Ähren im wogenden Feld Tag und Nacht ihr Gloria auf Gottes Größe und Macht und Weisheit! Fast möchte ich da fragen, ob Sie das Gloria der vernunftlosen Natur nachbeten können! Sind wir noch jung und begeisterungsfähig genug dazu? Zum Gloria gehört nämlich die Begeisterung jener jungen, aufgeschlossenen Gottesliebe dazu, mit der etwa die Urkirche ihre Hymnen und Psalmen gesungen hat. Cantare amantis est, Singen ist Sache des Liebenden, sagt einmal der große Augustinus. Es stimmt! Dort, wo Gottesliebe im Herzen ist, da zwingt es den Menschen förmlich dazu, das Gotteslob herauszujubeln, herauszusingen und da wird ihm alles in der Natur draußen, die Blütenpracht und der Getreidehalm zu einem Stimulus für das Lob Gottes. Wo aber die Begeisterung der Liebe erstorben ist, wer lau und gleichgültig Gott gegenüber geworden ist, der rafft sich höchstens noch in der Not zu einem bettlerhaften Bittgebet auf, nicht mehr aber zu einem frohen Lobgebet und Dankgebet! Seit der letzten Liturgiereform ist bei der Gabenbereitung von Brot und Wein zu sprechen: „Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt, wir danken dir für das Brot/den Wein, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit...“ Beides muss zusammenarbeiten: Gott und der Mensch, aber armselig bleibt alles menschliche Schaffen, wenn Gott nicht Kraft und Gnade und Segen gibt oder wenn Gott seinen Stop befehlen würde in jener wunderbaren Wachstumsautomatik, die er in die Natur hineingelegt hat! Das gilt nun nicht bloß für den natürlichen, sondern auch für den übernatürlichen Bereich. Wir dürfen ja am heutigen SoEv nicht vergessen, dass der Herr dieses Wachstumsgleichnis benützt, um uns auf das Reich Gottes hinzuweisen: Es soll uns zweifellos dafür dies gesagt werden, dass die Aufrichtung des Reiches Gottes die Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes in Kirche und Welt in erster Linie nicht durch die Aktivität und Geschäftigkeit der Menschen geschieht, sondern in erster Linie Werk Gottes selber ist. Gott ist am Werk, zwar in und durch die Menschen, aber Er in erster Linie durch die wunderbare, geheimnisvolle Automatik und Wachstums- und Entfaltungskraft, die Er in sein Wort hineingelegt hat - der Same, der ausgestreut wird, ist ja, wie uns Christus sagt, das Wort Gottes. Das soll uns zuversichtlich und optimistisch stimmen, wenn Zeiten kommen, wo scheinbar das Reich Gottes im Argen liegt... Da gibt uns wohl der große Konvertit und Kardinal Newman am besten wieder, was uns Christus im heutigen Reich Gottes Gleichnis im SoEv sagen wollte: "Die Zeit ist voller Bedrängnis, die Sache Christi liegt wie im Todeskampf. Und doch, nie schritt Christus mächtiger durch die Erdenzeit, nie war sein Kommen deutlicher, nie seine Nähe spürbarer, nie sein Dienst köstlicher als jetzt. Darum lasst uns in diesen Augenblicken der Geschichte, zwischen Sturm und Sturm, in der Erdenzeit zu Ihm beten: 0 Gott, du kannst das Dunkel erhellen. Du kannst es allein!" Amen.