34. Sonntag im Jahreskreis
Christkönigssonntag
gehalten in Parsch am 22. November 1970
Als neulich in Notre Dame zu Paris die Großen dieser Welt zusammenkamen, um Abschied zu nehmen von dem großen Soldaten und Staatsmann Charles de Gaule, da konnte man im Fernsehen wieder einmal in einer Reihe den Kaiser von Äthiopien und verschiedene Könige bewundern. Wie lange es sie wohl noch geben wird in unserer demokratischen, republikanischen Zeit? Gewiss, wenn ein solcher König irgendwo Staatsbesuch macht, wird ihm ein sogenannter „großer Bahnhof“ zum Empfang bereitet: Blumen, Fahnen, Teppiche, Polizisten, Gardebataillons, Musik, Regierungspersön1ichkeiten und dazu neugierige Volksscharen zu Tausenden, Zehntausenden. Nach dem Staatsbesuch aber sind diese Raritäten im Wachsfigurenkabinett dieser Erde bald wieder vergessen!
Heute denken wir an einen König, dem bei seiner Ankunft kein „großer Bahnhof“ bereitet wurde: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf. Dann folgte seine Königsproklamation, die alles eher als begeisternd war: Eine Szene im Gerichtssaal, wo sich der Sensationsprozess gegen einen Wanderprediger abspielte. Gewiss, viele Leute drängten sich neugierig im Gerichtssaal und um das Gerichtsgebäude herum. Natürlich fehlten auch nicht die Zeitungsreporter. Sie hatten sich einige Schlagzeilen für eine Extraausgabe ausgedacht, z.B.: „Zimmermannssohn beansprucht Königskrone“ — “Wanderprediger oder königliche Majestät?“ — „Nachkomme des Königs David als Revolutionär, der sich Königswürde anmaßte, vor Gericht“. Der Vorsitzende begann mit dem Verhör des Angeklagten, der gefesselt vor ihm stand. Das Protokoll dieses Verhörs ist uns erhalten — im Evangelium des Johannes. So sieht dieses Gerichtsprotokoll aus: Der Vorsitzende — es ist der römische Statthalter Pilatus — fragt den Angeklagten: „Du bist also der König der Juden?“ — Und der Angeklagte darauf: “Sagst du das aus dir selbst oder haben es dir andere von mir gesagt?“ Darauf Pilatus: „Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir übergeben. Was hast du getan?“ — Und der Angeklagte: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, hätten meine Anhänger für mich gekämpft, dass ich nicht den Juden ausgeliefert werde.“ — Pilatus: “Also bist du doch ein König?“ — Und Jesus: „Du hast es gesagt. Ja, ich bin ein König. Und dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme!“
Was war die Reaktion auf diese eigenartige Königsproklamation? Pilatus hat Jesus zum Tod verurteilt und das todeswürdige Verbrechen auf die Kreuzesinschrift schreiben lassen: Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum.
Die Henkersknechte haben das Königtum Jesu Christi verspottet und verhöhnt. haben ihm eine Spottkrone aufs Haupt gesetzt, haben ihm einen roten Fetzen als Königsmantel zum Spott um die von Geißelhieben zerfurchten Schultern gelegt, haben ihm als Königsszepter ein Schilfrohr in die Hand gedrückt, haben ihn auf einem Säulenstumpf inthronisiert und dann vor ihm zum Spott die Knie gebeugt, ihm ins blutüberronnene Antlitz gespieen und geschrieen: Ave, Rex Judaeorum!
Die Juden aber schrieen, als Pilatus ihnen ihren dornengekrönten König zeigte: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche! Sein Blut komme über uns unsre Kinder! Ans Kreuz mit ihm!“ So hing er dann am Kreuz, mitten zwischen zwei Aufrührern und Verbrechern, die seinen Hofstaat bildeten. Aber einer der beiden, der rechte Schächer, von der Gnade erleuchtet, erkannte nicht bloß die Unschuld und Heiligkeit des Gekreuzigten in der Mitte, er erkannte auch seine königliche Würde und bat ihn: „Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!“ Christkönig starb am Kreuz, aber nicht aus Ohnmacht, sondern in der Allgewalt seiner erlösenden Liebe, um durch seinen Tod das Leben uns Sündern zu schenken und alle an sich zu ziehen und sein Reich aufzurichten, das Reich der Wahrheit und der Liebe, der Gerechtigkeit und Heiligkeit. Und von da an begann er zu herrschen in den Herzen der Menschen, die in seinem Blute erlöst und in der Taufe in sein Reich eingegliedert worden sind. Und seither schickt er seine Boten, seine Soldaten aus...
„Der König schickt Soldaten aus“, so hieß ein Bubenspiel, das wir in unserer Kindheit gerne spielten: Zwei Schlachtreihen von je sechs bis acht „Soldaten“ standen sich gegenüber, der Anführer auf jeder Seite war der “König“. Mit verschlungenen Händen bildete jede Mannschaft eine Abwehrkette, die es zu durchbrechen galt. Dazu schickte der König Soldaten aus. Wenn dem Stoßtrupp der Durchbruch durch die „feindliche“ Linie gelang, so durfte er mit Gefangenen zurückkehren, andernfalls blieb er selber in Gefangenschaft. Wurde es ganz schwierig, dann hieß das Kommando nicht mehr: „Der König schickt Soldaten aus“, sondern: „Der König schickt sich selber“ aus. Dann musste der König höchstselber zeigen, was er konnte.
Der König schickt Soldaten aus. Das wären vor allem die Priester die Ordensleute, in deren Reihen heute der Feind eingebrochen ist und in sie Feigheit, Opferscheu und Untreue hineingetragen hat. Vergesst doch bitte nicht, für diese Soldaten Christi des Königs zu beten um Standhaftigkeit und Treue!
Der König schickt Soldaten aus. Das gilt nicht nur von den Priestern und Ordensleuten. Es gilt von allen Getauften und Gefirmten. Lasst euch, Brüder und Schwestern, jung und alt, doch immer wieder von Christkönig ausschicken hinein in die Welt, hinein in das Heidentum rings um euch herum und bewährt euch als Soldaten Christi des Königs durch Bekennermut, durch das gute Beispiel, durch Opferbereitschaft, durch Treue...
Und was uns in Schwierigkeiten, in Versuchungen und in Zeiten, wo wir kampfmüde und verzagt werden möchten, immer wieder aufrichten und anfeuern soll?
Der König schickt Soldaten aus, das ist nicht das Letzte. Dieser König schont sich selber nicht. Dieser König schickt nicht seine Soldaten in den Kugelregen und ins Kanonenfeuer der Front vor und bleibt selber hinten in der ungefährlichen Etappe. Hier heißt es vielmehr wirklich: Der König schickt Soldaten aus. Der König schickt sich selber aus!
Er mutet keinem seiner Soldaten etwas zu, was er nicht zuerst selber geleistet und vorgemacht hätte: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben!“ Bis hinein in den letzten Einsatz des Lebens. Bis zum letzten Blutstropfen, den er am Kreuz vergoss Dazu kommt noch etwas Tröstliches: Dass nämlich die Sache Christi, des Königs nie fragwürdig, der Krieg Christi nie ungerecht, der Kampf für Christus und mit Christus immer ein guter, heiliger Kampf ist. Und wenn einmal der endgültige Sieg errungen sein wird am Ende der Tage, dann wird dieser König seinen Sieg nicht allein genießen, sondern zur Lebens- und Kampfgemeinschaft mit Christus dem König folgt einmal für die Getreuen eine Siegesgemeinschaft ohne Ende...
Der König schickt Soldaten aus. Der König schickt sich selber aus. So macht er es immer. Bevor er uns ausschickt, hinein in den Tageskampf, wo es gegen den bösen Feind, gegen die böse Lust, gegen die böse Welt zu kämpfen gilt, schenkt er sich uns selber im Opfer und Opfermahl der hl. Messe, damit Er mit uns und in uns kämpfe und wir mit Ihm und durch Ihn und in Ihm dem Vater Ehre und Verherrlichung zuteil werden lassen!
Lassen wir uns in der Treue zu Christus dem König beschämen durch Menschen, die aus tiefstem Heidentum zum christlichen Glauben gelangt sind und denen die Treue zu Christus dem König über alles geht. Ich denke da an einen Laien im afrikanischen Königreich Ruanda. Im Juli 1959 starb dort der noch nicht 50jährige König Karl Leo Petrus Rudahigwa. Dieser schwarze König war nicht bloß leiblich groß - 2,15 m -‚ er war auch seelisch groß, in der Gerechtigkeit, in der er sein Land regierte, aber auch in seinem Glauben. 1934 war er 25jährig in der Taufe Christ geworden. Er nahm es von da an mit seinem Christentum ganz ernst und suchte sein Volk mit allen Mitteln für Christus zu gewinnen. Von den 510 Häuptlingen seines Königsreiches folgten 480 seinem Beispiel. Und das Volk folgte dem Beispiel des Königs und der bekehrten Häuptlinge, sodaß beim Tod des Königs von den 2 Millionen Einwohnern des Königsreiches Ruanda bereits die Hälfte katholisch war. Das Schönste aber, das von diesem schwarzen König Zentralafrikas berichtet wurde, war seine ergreifende Liebe zum König der Könige Jesus Christus. Drei Jahre nach seiner Taufe weihte er sein Volk und Land Christkönig und seiner jungfräulichen Mutter Maria. Das Weihegebet aber, das er beim feierlichen Staatsakt der Christkönigsweihe selber vorbetete, hatte er selber verfasst. Es lautete so:
“Herr Jesus Christus, König aller Menschen und Nationen, ich, König Karl Leo Petrus Rudahigwa, verneige mich vor Dir und Deiner Mutter, der Jungfrau Maria, der Königin des Himmels und der Erde! Ich anerkenne dich als den obersten Herrn und König von Ruanda, als die Wurzel, der alle Gewalt und Macht entsprießt. Du hast unser Land gebildet. Du hast ihm eine lange Reihe von Königen geschenkt, die es an deiner statt regierten, obwohl sie dich noch nicht kannten. Als die von deiner Vorsehung bestimmte Zeit heranrückte, gabst du dich uns zu erkennen. Du hast uns deine Glaubensboten gesandt, sie brachten uns Licht und Leben...Jetzt, da wir dich kennen, bekunden wir öffentlich, dass Du unser Herr und König bist. Herr, ich übergebe dir mein Land, meine Landsleute, meine Person. Mache, dass die Männer Ruandas ihr Land lieben und sich um seinen Fortschritt bemühen. Lass sie vor allem Frieden halten, den du der Welt gebracht hast. Mache, dass die Frauen Ruandas ihrer Mutterschaft Ehre machen; sie mögen ihren Gatten treu sein, wie du es deiner Kirche bist. Sie mögen das Herz ihrer Kinder bilden und die Liebe zu dir hineinsenken! Denn du sollst unser König sein und bleiben. Amen.