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5. Sonntag im Jahreskreis – Lj B
gehalten in St. M. Loreto am 4.2.1979
Von der Wortgewalt Jesu war im Ev des vergangenen Sonntags die Rede: "Die Menschen staunten über seine Lehre, denn er lehrte wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten". So hieß es gleich am Anfang des Ev am vergangenen Sonntag. Und am Schluss war nochmals von diesem Staunen über die Wortgewalt Jesu die Rede: "Da staunten alle, und einer fragte den andern: Was bedeutet das? Woher hat Er das? Eine neue Lehre, die mit Vollmacht verkündet wird!"
Heute geht es im Ev nicht mehr um die Wortgewalt Jesu, sondern um die Wundergewalt, die Ihm eigen war!
Jesus heilt die Schwiegermutter des Simon Petrus, die fieberkrank zu Bette lag: „Er fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr..."
Und am Abend dieses Tages brachte man alle Kranken zu ihm: "Und Er heilte viele, die an mancherlei Krankheiten litten".
Die Wundergewalt Jesu! Moderne Schrifterklärer lassen in ihrem Rationalismus kaum mehr etwas davon übrig. Und doch ist auch die Wundergewalt Jesu -genau so wie seine Wortgewalt eine unleugbare Tatsache, sonst müsste man aus den Evangelien Seite um Seite herausreißen, wenn die Wunder Jesu nicht geschichtliche Tatsachen, sondern nur mythologische und legendäre Ausschmückungen des Lebens Jesu wären.
Das haben sogar die Verfasser des stark progressistisch abgefassten „Holländischen Katechismus“ eingesehen. Sie schreiben ehrlich (S. 121): Die uns in den Evangelien überlieferten Wunder Jesu haben einen so eigenen und originellen Charakter, dass man sagen muss: Es ist nur eine Erklärung hier möglich: Jesus hat tatsächlich Wunder gewirkt… Auffallend ist dabei die Selbstlosigkeit der Wunder Jesu: er hat kein einziges Wunder zu seinem eigenen Vorteil gewirkt. Ebenso hat er alles vermieden, was die Wunder in die profane Nähe von Protzerei oder einer Show bringen könnte. Man braucht das Wunderwirken Jesu nur mit dem vieler Magier und Anhänger okkulter Wissenschaften zu vergleichen, um von der Einfachheit, Reinheit und ehrfurchtgebietenden Würde des Auftretens Jesu bei seinem Wunderwirken betroffen zu werden. Auffällig ist dann noch die Leichtigkeit und Mühelosigkeit, in der Jesus seine Wunder wirkte: keine Hypnose oder Suggestion, kein kompliziertes Zeremoniell, keine komplizierten Vorbereitungen, keine Scharen von Helfern, meist nur ein einfaches, ehrfurchtgebietendes Wort, manchmal über große Entfernungen hinweg, oder eine ganz einfache Geste: "Er fasste sie an und richtete sie auf". "Er berührte ihn (den Aussätzigen) und sprach: Ich will, sei rein!“
Fragen wir jetzt: Wozu die Wunder im Leben Jesu? Wir antworten: Jesus musste Wunder wirken, wenn Ihm die Menschen glauben sollten, dass Er im Auftrag Gottes gekommen war als Lehrer der Wahrheit. Er musste sich ausweisen, dass Er berechtigt war, den Anspruch zu erheben, von Gott zum Heil der Menschen gesandt zu sein Der durchschlagendste Ausweis göttlicher Sendung uns Menschen gegenüber ist und bleibt das Wunder. Denn das Wunder ist das Siegel, das Gott selbst unter das Zeugnis eines Gottesboten setzt, wenn er beglaubigen will, dass dessen Sendung, dessen Worte, dessen Lehre, dessen Forderungen wirklich im Namen und Auftrag Gottes erfolgen und geschehen.
Hat Jesus Christus diese Notwendigkeit, sich über seine göttliche Sendung auszuweisen, anerkannt oder hat er sich ihr entzogen?
Ja, Er hat diese Notwendigkeit voll und ganz anerkannt und hat der Reihe nach Wunder gewirkt, Wunder der verschiedensten Art und hat gezeigt, dass ihm und seiner Wundergewalt alles gehorchen musste, wenn er es befahl: der Sturm, die Meereswogen, die Fische im See, die verschiedensten Krankheiten, die Dämonen, ja sogar der Tod mussten der Wundergewalt Jesu gehorchen.
Was die Evangelisten uns darüber berichten, ist nicht mythologische, legendäre Ausschmückung des Lebens Jesu. Mit Recht hat man betont: Die Berichte über die Wunder Jesu sind in den vier Evangelien so stark mit dem Leben Jesu verwoben, dass man dann, wenn man diese Wunderberichte herausbrechen wollte, alles zerstören würde. Christi Wunder sind in den Evangelien so unlösbar eng mit dem ganzen Gang der Dinge verknüpft, dass wir im Leben Jesu überhaupt nichts mehr verstehen, wenn wir die Wunder nicht als genau so geschichtlich annehmen wie alles andere, was da berichtet steht.
Nein, allen Entmythologisierern und Leugnern der Wunder Jesu müssen wir sagen: Jesus hat Wunder gewirkt, echte, große, sogar gewaltige Wunder, die nur ein Narr oder ein verstockter Ungläubiger leugnen kann, für den es eben das nicht gibt, was es für ihn nicht geben darf. Jesus Christus hat sich ausdrücklich auf seine Wunder als Erweis seiner göttlichen Sendung und Vollmacht berufen: Ausdrücklich sagte er den Juden: „Die Werke, die ich tue, bezeugen, dass der Vater mich gesandt hat"(Joh5,36)."Wenn ich die Werke meines Vaters nicht vollbringe, so braucht ihr mir nicht zu glauben. Wenn ich sie aber vollbringe und ihr mir dennoch nicht glaubt, so glaubt doch den Werken, damit ihr erkennt und einseht, dass in mir der Vater ist und ich im Vater bin."(Joh 10,37) Und was sagte er zu den Abgesandten des Täufers Johannes, der Jesus aus dem Kerker heraus fragen ließ: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir erst noch auf einen anderen warten?" "Da gab ihnen Jesus zur Antwort: Geht hin und meldet dem Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf!" (Mt 11,4)
Freilich, eins müssen wir bei den Wundern Jesu, vor allem bei den Krankenheilungen, die er wunderbar vorgenommen hat, beachten: Er ist nicht so sehr als Heiland der kranken Leiber, sondern als Heiland der kranken Seelen gekommen! Die leiblichen Krankheiten, auf die man Jesus immer wieder hinwies in so vielen Fällen, dienten ihm gleichsam nur dazu, um auf die kranken Seelen aufmerksam zu machen. Und wenn er an vielen - wohlgemerkt nicht an allen, die man zu Ihm brachte - die kranken Leiber heilte, sollte das nur ein Hinweis darauf sein, dass er uns alle, die wir seit dem Sündenfall der Stammeltern seelisch krank sind, von der seelischen Krankheit der Sünde des Lasters und der Leidenschaft heilen möchte, wenn wir zu ihm, dem Arzt der Seelen voll Vertrauen hinkommen.
Mit Recht hat der hl. Bischof und Kirchenlehrer Ambrosius bei der Heilung der fieberkranken Schwiegermutter des Simon Petrus darauf hingewiesen, dass wir uns durch Christus vom seelischen Fieber heilen lassen sollten. Und der hl. Ambrosius sagt dabei wörtlich: "Unser Fieber ist die Habsucht, unser Fieber ist die böse Begierlichkeit, unser Fieber ist die Unzucht, unser Fieber ist der Ehrgeiz und die Eifersucht, unser Fieber ist der Zorn!"
Wir alle sind seelisch krank und bedürfen der Heilung durch Ihn, den einzig Gesunden, weil Sündelosen, der die Macht hat, Krankheit und Besessenheit zu überwinden, körperliche und seelische Gebrechen zu heilen.
Er ist der Heiland, der Heilbringer im schönsten, im absoluten Sinn des Wortes. Lassen wir unserem Herrn Jesus Christus diesen uns einst so geläufigen Ehrentitel "Heiland". Ihm allein steht er zu im vollen Sinn des Wortes. Er wirkt immer noch solche Heilungswunder an den kranken Seelen und bisweilen auch an den kranken Leibern. Ein Beispiel dafür zum Schluss der Predigt:
Vor Jahren ereignete sich in Frankreich ein schweres Eisenbahnunglück: Der Nachtschnellzug Paris-Bordeaux fuhr mit aller Gewalt auf einen Güterzug auf. Über 30 Tote forderte das Unglück. Gabriel Gargam, der als Postbeamter im Postwagen des Schnellzugs mitgefahren war, wurde wie durch ein Wunder aus dem zertrümmerten Postwagen hinausgeschleudert. Man fand ihn am nächsten Morgen 18 Meter vom Gleis entfernt mit schweren inneren und äußeren Verletzungen, darunter auch eine Rückenmarkverletzung, liegen. Von den Hüften ab war er völlig gelähmt. 20 Monate lag er dann im Krankenhaus und siechte unaufhaltsam dem Tod entgegen. Sein Gewicht betrug zuletzt nur noch 36 kg. Da äußerte er den Wunsch nach Lourdes gebracht zu werden. Schon ganz kalt und mit starrem Blick lag er auf der Tragbahre, als sich ihm bei der Sakramentsprozession der Priester mit dem Allerheiligsten nahte und ihm damit den Segen erteilte. Und da geschah das Unerhörte: der Todgeweihte streckte sich einen Augenblick lang, erhob sich dann von seiner Bahre und rief mit lauter Stimme: "Heiligstes Herz Jesu, ich bin geheilt!" 60 Ärzte, darunter auch Atheisten, wurden mit der Untersuchung des Falles betraut und ausnahmslos alle stellten fest, dass sie hier vor einem natürlich nicht zu erklärenden Fall standen. Das war am 20. August 1901. Gabriel Gargam kehrte nicht mehr in seinen Beruf als Postbeamter zurück, er blieb im heiligen Bezirk von Lourdes und wirkte dort im Dienste der Kranken noch 33 Jahre bis zu seinem Tod im Jahre 1934.
Der französische Schriftsteller Francois Coppée hat folgendes gestanden: "Es gab eine Zeit, wo ich über 'Wunder' und 'Glauben' verächtlich die Achseln zuckte. Jetzt aber (nach meiner Bekehrung) sage ich: Gibt es ein allmächtiges Wesen, so muss es auch über alle Dinge erhaben sein, die es selbst gemacht hat. Darum kann für dieses Wesen auch kein Wunder unmöglich sein. Als ich die Evangelien mit aufrichtigem Herzen zu lesen begann, sah ich auf jeder Zeile den Glanz der Wahrheit. Seitdem kann mir nichts mehr den Glauben an die Wunder rauben. Derselbe Jesus, der damals den Blinden das Augenlicht und den Toten das Leben zurückgegeben hat, hat dies auch bei mir bewirkt!"