33. Sonntag im Jahreskreis - B

gehalten in St. M. Loreto am 18. November 1979

 

„Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du wiederkommst in Herrlichkeit!“

Um das, was wir jetzt seit der Liturgiereform nach der hl. Wandlung sprechen, geht es im heutigen SoEv.

Die Messfeier ist jedes Mal die Gegenwärtigsetzung des Kreuzestodes und des darin dargebrachten Sühnopfers Jesu Christi für die Sünden der ganzen Menschheit: Christus hat dem Vater ein unendlich kostbares Sühnopfer dargebracht. Er ist durch sein sühnendes Erlöserleiden hindurchgeschritten in die Auferstehungsherrlichkeit hinein und ist so heimgekehrt zum Vater, von dem er ausgegangen ist im Geheimnis der Menschwerdung. Einmal aber wird er vom Himmel her wiederkommen in großer Macht und Herrlichkeit.

Und so lange wird die Kirche die hl. Eucharistie feiern und dem Vater im Himmel durch, mit und in Christus ein unendlich wertvolles Sühnopfer darbringen, bis die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus Wirklichkeit werden wird, wie uns der hl. Paulus ausdrücklich im 1. Korintherbrief sagt. Vielleicht wird die Schar derer, die dann noch um den eucharistischen Opferaltar geschart sein werden, klein sein, vielleicht erschreckend klein gegenüber einer Übermacht von Ungläubigen und Gottlosen und vom Glauben Abgefallenen, zumal uns für die Endzeit ja die große Apostasie, der große Abfall vorausgesagt ist, aber das wird dann eben für jene kleine Schar wahrhaft christusgläubiger Menschen ihr Trost, ihre Freude, ihre Seligkeit sein, nämlich das Wissen darum: Jener, der jetzt kommt, ist derjenige, an den wir geglaubt, auf den wir gehofft und den wir geliebt haben. Wir haben uns also nicht getäuscht.

Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus in großer Macht und Herrlichkeit! Auch sonst erinnert uns die Kirche mehrmals an dieses zukünftige Ereignis in ihrer Liturgie. So betet die Kirche im Messcredo, im sogenannten nicaeno-const. Glaubensbekenntnis: „Et_iterum venturus est cum gloria“ (Er wird wiederkommen in Herrlichkeit). Und im 3.eucharistischen Hochgebet lässt die Kirche den Priester unmittelbar nach der hl. Wandlung beten: “Darum, gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis Deines Sohnes. Wir verkünden sein heilbringendes Leiden, seine glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt UND ERWARTEN SEINE WIEDERKUNFT...“ Ganz ähnlich heißt es im 4. Kanon der hl. Messe ebenfalls gleich nach der hl. Wandlung: „Darum, gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis unserer Erlösung. Wir verkünden den Tod Deines Sohnes und sein Hinabsteigen zu den Vätern, wir bekennen seine Auferstehung und Himmelfahrt und ERWARTEN SEIN KOMMEN IN HERRLICHKEIT...“

Warum dieses häufige Erinnern der Gläubigen durch die Kirche an die Wiederkunft des Herrn, wenn sie ohnedies vielleicht noch in weiter, weiter Ferne liegt? Meine Antwort auf diese Frage: Die Kirche erinnert uns deshalb so oft an die Wiederkunft des Herrn, weil dies die tröstlichste und selige Hoffnung und der heimliche Jubel all jener ist, die Christus von Herzen lieben und sein Kommen herbeisehnen! Er, der verlassen am Kreuze hing, zerschunden und zerschlagen, wird wiederkommen in Herrlichkeit.

Wie damals auf Golgota bei seinem qualvollen Sterben die Natur in ergreifende Totenklage ausgebrochen ist - die Erde erbebte, die Sonne verfinsterte sich, - so wird die Natur, die ja für den menschgewordenen Sohn Gottes Jesus Christus geschaffen ist, in jener Stunde, da Er wiederkommt, für Ihn Zeugnis ablegen: „Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond wird seinen Schein nicht mehr geben, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ Er, der wesensgleiche Sohn des himmlischen Vaters, der da ist Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, und der zusammen mit dem Vater und dem Hl. Geist allein Macht hat, den Sternen ihre Bahnen zu weisen, Er allein hat auch die Macht, ihre Kreise zu stören und alles am Firmament zu erschüttern.

Er, der zu seinem Ruhm die strahlenden Lichtkörper der Sterne hinausgerollt hat in die Unermesslichkeit des Weltenraumes, auf dass sie Zeugnis geben von seiner Herrlichkeit – „die Himmel rühmen des Ewigen Ehre, ihr Schall pflanzt seinen Namen fort.. .“- Er kann ihnen als Einziger auch gebieten, und kann ihr strahlendes Licht verhüllen, denn schließlich muss auch die Finsternis den Herrn und Schöpfer preisen.

„Dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen“: das KREUZ, an dem das Lamm Gottes gehangen, das die Sünden der Welt hinwegnimmt, das Kreuz, das nun als Siegeszeichen über den ganzen Erdball hinausstrahlen wird:

        einst das Zeichen der Verachtung, des Hasses, des Spottes, der Qual, der Erniedrigung,

        jetzt das Zeichen der Verehrung, der Liebe, der Anbetung, der Freude, der Herrlichkeit. „Hl. Kreuz, sei hochverehret, hartes Ruhbett meines Herrn! Einstmals sehn wir dich verkläret strahlend gleich dem Morgenstern!“

        Das Kreuz, dieses Zeichen des Widerspruchs, an dem die Geister aller Jahrhunderte sich geschieden haben,

        jetzt das Zeichen, um das alle getreuen Freunde Christi sich frohlockend scharen

        das Kreuz, einst den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit,

        nun allen gläubigen Herzen Trost und Segen,

        das Kreuz, einst das Zeichen der Schmach, an dem der Unschuldigste verblutete,

        nun das Zeichen endgültigen Triumphes, an dem die Herrlichkeit Gottes erstrahlt.

 

Beim Gedanken an das bei der Wiederkunft Christi am Himmel erscheinende Zeichen des Kreuzes wäre es vielleicht auch angebracht, einmal auch an das Kreuzzeichen zu denken, das wir gläubigen Christen jeden Tag - mindestens wie ich annehme, beim Morgen - und Abendgebet - und jeden Sonntag beim Gottesdienst am Anfang und am Ende über uns machen. (Ich habe einmal eine Kleinschrift herausgegeben mit dem Titel: „Vergesst das Kreuzzeichen nicht!“)

Das Kreuzzeichen ist, wenn es würdig, andächtig und gesammelt gemacht wird - so habe ich in dieser Kleinschrift ausgeführt - 1.ein sinnreiches Gebetszeichen und 2.ein wirksames Graden- und Segenszeichen.

Der bedeutende Religionsphilosoph und Religionspädagoge Romano Guardini hat in seinem kleinen Buch „Von heiligen Zeichen“ geschrieben: „Du machst das Zeichen des Kreuzes. Mach‘ es richtig: Kein so verkrüppeltes, hastiges, bei dem man nicht weiß, was es bedeuten soll. Nein, mach‘ ein rechtes Kreuzzeichen, langsam, groß, von der Stirne zur Brust, von der linken zur rechten Schulter. Fühlst du, wie es dich dann ganz umfasst? Sammle dich recht! Alle Gedanken und dein ganzes Gemüt sammle in dieses Zeichen, wie es geht von der Stirne zur Brust, von Schulter zu Schulter. Dann fühlst du: Ganz umspannt es dich, Leib und Seele; es nimmt dich zusammen, es weiht dich, es heiligt dich. Warum? Es ist das Zeichen des Alls und ist das Zeichen der Erlösung. Am Kreuz hat unser Herr alle Menschen erlöst. Durch das Kreuz heiligt er den Menschen, ganz, bis in die letzte Faser seines Wesens.

Darum machen wir es vor dem Beten, damit es uns ordne und sammle, Gedanken, Herz und Willen in Gott zusammenfasse. Nach dem Gebet machen wir es, damit in uns bleibe, was Gott uns (mit seinen Gnaden) geschenkt hat. In der Versuchung machen wir es, auf dass Gott uns stärke. In der Gefahr machen wir es, auf dass er uns beschütze. Beim Gesegnet-werden machen wir es, auf dass Gottes Lebensfülle hereingenommen werde in die Seele und alles darin befruchte und weihe. Denk daran, sooft du das Kreuzzeichen machst! Es ist das heiligste Zeichen, das es gibt. Mach‘ es recht, langsam, groß, mit Bedacht! Dann umfasst es dein ganzes Wesen, dein Tun und Lassen, und alles wird darin gestärkt, gezeichnet und geweiht in der Kraft Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, der einmal wiederkommen wird in Herrlichkeit.“

 

Der verstorbene Kardinalbischof Alfred Bengsch von Berlin hat in seinem Buch “Kirche ohne Kreuz?“ geschrieben: „Was der Welt zum Heile dient, was die Kirche wahrhaft trägt, ist das Kreuz des Herrn! Und mit Ihm, in seiner Gnade sind es jene, die als Jünger Christi sich selbst verleugnen und ihr Kreuz tragen. Sie machen keine Schlagzeilen,... aber Gott kennt diese Christen, und sie sind kostbar in seinen Augen!“

 

Ein lateinischer Spruch lautet: “Stat crux, dum volvitur orbis!“ Zu Deutsch: Es steht das Kreuz, während der Erdkreis sich dreht. Es soll damit auf die gewaltige, unveränderliche und unvergängliche Kraft des Kreuzes inmitten aller zeitlichen Veränderungen im Weltgeschehen und politischen Geschehen und inmitten aller kosmischer Erschütterungen am Jüngsten Tag hingewiesen werden, ganz im Sinn des heutigen SoEv. Der große, mutige, glaubensstarke Bischof Kardinal Michael Faulhaber, der vor Jahren in München unmittelbar nach der großen Fronleichnamsprozession starb, schrieb in der Zeit größter Kriegsnot (1942) in das Gästebuch des Franziskanerklosters auf dem Kreuzberg in der Rhön die tröstlichen Verse mit diesem lateinischen Spruch “Stat crux, dum volvitur orbis. Es steht das Kreuz, während der Erdkreis sich dreht.“:

 

„Die Sterne kommen, die Sterne gehn,

Was im Lenze geblüht, muss im Herbste verwehn.

Die Wolken eilen, die Wolken ziehn,

Sie wandern am Fuß des Kreuzes dahin:

Stat crux, dum volvitur orbis!

Die Jahre kommen, die Jahre fliehn,

Das Kreuz sieht sie alle vorüberziehn,

Das Kreuz, das am Berge Schildwacht hält,

Die Zeiten wandern, es wandert die Welt:

Stat crux, dum volvitur orbis.

Den Kreuzberg herauf kam ein endloser Zug:

Die einer zur Kirche, die andern zum Krug.

Sie sind wieder fort. Das Kreuz sah sie gehn.

Die Menschen wandern, das Kreuz bleibt bestehn:

Stat crux, dum volvitur orbis!

Ich selber zog müde vom Wandern hier ein:

Im Schatten des Kreuzes die Kraft zu erneun.

Ich muss wieder ziehen: das Kreuz steht in Ruh:

Stat crux, dum volvitur orbis!“

 

Nachdem am Himmel am Jüngsten Tag das Zeichen des Kreuzes gewaltig und alles umspannend erschienen sein wird, da werden dann - wie es im heutigen SoEv weiter heißt - „Alle Völker der Erde wehklagen“. Ja, das wird die Stunde sein, in der die Gottlosen erkennen werden, dass Gott allein der wahre Mittelpunkt ihres Lebens hätte sein sollen, um den sich alles drehen muss. Eitel und sinnlos wird ihnen dann all ihr Tun und Treiben erscheinen, ihre Kriege und Siege, ihre Machtgier und Mordlust; sie werden erkennen, wie verkehrt ihr ganzes Dasein war, als sie auf den Knien lagen vor ihren selbstgemachten Götzen ‚ und wie sie total verblendet dem Lügner von Anbeginn geglaubt hatten und dem ewigen Gott trotz aller Mahnungen und Warnungen nur Spott und Unglauben entgegengeschleudert haben.

Wer nicht in Anbetung vor dem einzig wahren Gott in demütigem Glauben kniet, der muss ja - so zeigt es sich immer wieder - einem Götzen Anbetung zollen.

In der äußersten Bedrängnis des nun einsetzenden Jüngsten Gerichtes, aus dem es für die Menschen der Gottlosigkeit und des Unglaubens dann keine Rettung mehr geben wird, werden die Klagelieder der Verzweifelten sich mischen mit der gewaltigen Symphonie des aus seinen Fugen krachenden Weltalls.

„Und sie werden dann den Menschensohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.“

Der einst schmachvoll Gerichtete wird nun der Richter aller sein, der einst Gelästerte, Geschmähte, Bespiene, Gegeißelte, der alles erduldete mit der Bitte um Verzeihung auf seinen Lippen, er wird nun der Herr, der Richter aller sein, vor dem alle Knie sich beugen werden im Himmel, auf Erden und unter der Erde.

Die Zeit der Gnade und des Erbarmens wird dann vorüber sein, die Stunde der Gerechtigkeit wird dann angebrochen sein, in der dann kein großer Name, kein klangvoller Titel, kein siebenstelliges Bankkonto etwas helfen wird, sondern nur die Treue zu Christus und seiner Kirche, die Liebe zu Gott und den Mitmenschen und die Werke der Barmherzigkeit, die man verrichtet hat...

Glücklich wir, wenn wir als Freunde Christi, als Freunde des Kreuzes Christi befunden werden, denn es wird uns dann nicht Fluch und Verwerfung entgegenhallen, sondern die beseligende Einladung: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters....

Freunde, Brüder, Schwestern, soll das nicht am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr unser Vorsatz sein? In der Freundschaft Christi, in der Gnade Gottes leben! Glauben, hoffen, lieben und Gutes tun und darin nicht müde werden. Dann wird der letzte Tag, der Tag des Gerichtes, kein Dies irae, kein Tag des Zornes, sondern ein Tag der Freude werden. Amen.