3. Sonntag im Jahreskreis – B

gehalten in St. M. Loreto am 24.1.2988

 

"Kommt! Folgt mir nach! Ich will euch zu Menschenfischern machen!" Die Berufung der ersten Apostel durch Jesus, womit die Stunde der Kirche schlug, war das Thema des Ev des letzten So und dann das Thema der letzten Predigt. Heute geht die Berufung der Apostel weiter und die Gründung der  Kirche durch Jesus wird noch deutlicher. Es heißt aber heute nicht mehr bloß als Antwort auf die Frage der beiden allerersten Jünger: "Meister, wo wohnst du?" "Kommt und seht!" Jetzt heißt es: "Kommt, folgt mir nach! Ich will euch zu Menschenfischern machen!“

"Kommt und seht!" Andreas und Johannes sahen, wo Jesus wohnte, sahen vor allem, wie Jesus war; sie blieben einen Tag bei Ihm und waren nun begeistert von dieser einzigartigen Persönlichkeit voller Menschenfreundlichkeit, Güte und Hoheit. Begeisterung für Ihn war aber dem Herrn bei seinen Jüngern, um seine Apostel, seine Sendboten, die Verkünder seiner Frohbotschaft und die Säulen seiner zu stiftenden Kirche zu sein, zu wenig. Begeisterung, gar wenn sie nur auf dem Erlebnis einer eintägigen Begegnung mit Jesus beruht, kann wieder abnehmen und sogar wieder ganz erlöschen. Es braucht zum Apostel mehr: Er muss Jesus nachfolgen, und Nachfolgen heißt in diesem Fall: hinter Ihm hergehen und in Seine Fußstapfen treten, weil Er den Weg zeigt, weil Er das Beispiel gibt,  weil Er in allem Vorbild ist. Und dann, wenn man es gewagt hat, seinem Nachfolgeruf auch wirklich Folge zu leisten, sofort und bedingungslos, muss man es Ihm auch nachmachen. Worin? Zu allererst im Predigen und Verkünden dessen, was Er zu verkünden und zu predigen begonnen hat.

Was aber hat Er, Christus, damals zu verkünden und zu predigen begonnen? Das wird nun im heutigen SoEv ganz knapp und kurz zusammengefasst vorausgeschickt, wenn es da einleitend im heutigen SoEv heißt: "Nach der Gefangennahme des Täufers Johannes ging Jesus nach Galiläa und verkündete das Evangelium Gottes: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!'" Das zentrale Thema der Predigt Jesu ist "das Reich Gottes", die Basileia Theou, die Königsherrschaft Gottes. Dort, wo Gott zu herrschen beginnt, weil man seine Gebote beobachtet, weil man seinen Willen zu erfüllen trachtet, dort kehrt in den Herzen der Menschen, in den Gemeinschaften der Menschen, von der Urzelle aller menschlichen Gemeinschaften, der Ehe und Familie angefangen, Friede und Freude, Gnade und Segen, die Freiheit der Gotteskinder und das wahre Heil ein. Die Bedingung dafür aber, dass das in Erfüllung gehen kann, ist die Forderung Jesu: "Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!"

So fordert es der Herr zu allererst von jenen, die seine Apostel, seine Jünger sein wollen und dann - in seinem Dienst - Menschenfischer werden sollen. Bevor man zu predigen beginnt, heißt es täglich neu, sich zu bekehren und zuerst selber an das Evangelium glauben! Evangelium aber heißt: Frohbotschaft, Freudenbotschaft, Heilsbotschaft, Gute Nachricht. Wovon? Vom gütigen Vater-Gott, der seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns Menschen aus der Knechtschaft der Sünde, des Teufels, des Todes zu befreien und zu erlösen. Sich täglich bekehren und an das Evangelium glauben! Das braucht es zu allererst bei dem, der Apostel in der Nachfolge Christi sein will.

Es ist ergreifend, wie ich da am vergangenen Sonntag im Fernsehen die Bischofsweihe meines ehemaligen Hörers, des bisherigen Abtes von St. Lamprecht, Maximilian Aichern, beobachten konnte und wie ihm, dem neuen Bischof von Linz da in den Zeremonien der Bischofsweihe das geöffnete Evangelienbuch auf Schulter und Nacken gelegt und er förmlich davon eingehüllt wird, gleichsam um ihm zu sagen: Wenn du als Nachfolger der Apostel wirklich Menschenfischer werden willst, musst du dich zuerst selber täglich neu bekehren und an das Evangelium, das du als Erstverantwortlicher in der Diözese zu verkünden hast, auch wirklich selber glauben. Es gibt nämlich keine wichtigere, keine entscheidungsvollere, keine verantwortungsvollere, aber auch keine beglückendere, keine froh-machendere Botschaft als das Evangelium.

Und nun, nach dieser sogenannten summarischen Zusammenfassung der Predigt Jesu: "Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, bekehret euch und glaubt an das Evangelium!", folgt die endgültige Berufung der beiden Apostelbrüderpaare; Simon Petrus und Andreas einerseits, Jakobus und Johannes anderseits.

Beide Brüderpaare sind Fischer am See Genesaret, am Galiläischen Meer. Der Beruf des Fischers galt den Pharisäern damals als minderwertig, denn die Fischer waren in den Augen der Schriftgelehrten und Pharisäer ungebildete oder höchstens halbgebildete, auf jeden Fall gesetzesunkundige Leute.

Vom ersten Brüderpaar Simon Petrus und Andreas heißt es, als Jesus am See entlanggehend daherkam: "Sie warfen gerade im See das Netz aus, denn sie waren Fischer". Der Ausdruck vom "Auswerfen" des Fischernetzes ist ein technischer Begriff und meint das geschickte Auswerfen des Rundnetzes im flachen Wasser; man tat das entweder vom Ufer aus oder in seichtem Wasser stehend. Simon Petrus und Andreas übten auf jeden Fall also ihren bisherigen Beruf aus. Gleiches gilt vom zweiten Brüderpaar: Johannes und Jakobus. Von ihnen heißt es im Evangelium: "Sie saßen im Boot und richteten ihre Netze her". Es hatte vielleicht beim letzten Auswerfen und Fische fangen Löcher bekommen, es hatte undichte Stellen erhalten, es musste geflickt werden. Auch sie übten also ihren bisherigen Beruf aus. Ihre erste Begegnung mit Jesus, so schön sie auch war, war noch kein endgültiges Brechen mit ihrer Vergangenheit, war noch kein Wechseln ihres Berufes.

Nun aber ergeht ein Ruf an sie, der sie aufrüttelt und aus ihrem bisherigen Leben radikal herausreißt. Der Ruf Jesu lautet in unserer gewohnten Übersetzung aus dem griechischen Urtext: "Kommt! Folgt mir nach!" Ganz wörtlich übersetzt heißt es eigentlich: "Auf! Los! Hinter Mir her!" Das war eine fast soldatische Kommandosprache. Das war keine nett und freundlich ausgesprochene Einladung, nein, es war ein Ruf, eine Berufung, eine Aufforderung mitzukommen, hinter Jesus herzugehen. Und die Begründung: "Ich will euch nämlich zu Menschenfischern machen!" Sie sollen also fortan nicht mehr Fische aus dem See herausholen, sondern lebendige Menschen fangen. Einen ganz neuen Beruf bekommen sie, der wohl ihrem bisherigen Beruf ähnlich ist und doch wieder ganz anders. Denn vernunftlose Geschöpfe einfangen, wie es die Fische sind, will zwar auch gelernt sein, aber ist halt doch leicht im Vergleich zu dieser neuen Aufgabe: Menschen zu fangen für Ihn, für Christus, Menschen, die Verstand und freien Willen haben und die sich nicht so leicht überzeugen lassen, die so wankelmütig und störrisch, eigensinnig und so schwer zum Glauben an überirdische, übernatürliche Wirklichkeiten zu bringen sind. Aber Er, der sie ruft, bringt das zustande: Ich will euch zu Menschenfischern machen! Aber dazu müsst ihr zu allererst selber an Mich glauben.

Und wirklich, sie glauben an Ihn, der sie da ruft und beruft; es heißt vom ersten Brüderpaar: "Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten Jesus". Und vom zweiten Brüderpaar: "Da ließen sie ihren Vater Zebedäus mit seinen Taglöhnern im Boot zurück und folgten Jesus."

Der Ruf Jesu hatte also sofortige Wirkung. Diese erstberufenen Apostel ließen also ihre Netze liegen und folgten Jesus nach. Diese äußerst knappe Bemerkung ist typisch gemeint. Über die näheren Umstände der Loslösung dieser ersten Apostel von ihrer bisherigen Arbeit, von ihrer Familie, von ihrem Haus, von ihrer Umgebung wird nicht weiter geschildert, es soll nur gesagt werden: Wer von dem Herrn gerufen wird, der muss sofort und ohne Einwand oder Bedingung gehorchen. Und es gilt, was Jesus bei anderer Gelegenheit gesagt hat: "Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, ist schon Meiner nicht wert!"

Jüngerschaft im Dienste Jesu ist also Nachfolge Jesu. Schade, dass dieser Begriff "Nachfolge" so abgegriffen und fast ausgehöhlt ist. Aber es steckt so viel drin. Und gerade hier bei der Berufung der ersten Apostel merken und spüren wir es, was Nachfolge Christi wirklich heißt: Der Ruf Jesu zur Nachfolge erging an Männer, die tatsächlich alles liegen und stehen ließen und sich auf den. Weg begaben hinter Jesus her, um nun ganz bei Ihm zu sein und für Ihn dazusein und von Ihm immer wieder neu gesandt zu werden.

Apostel sein heißt also: aus Liebe zu Jesus - wenn es sein muss - alles verlassen und nur noch für Ihn da sein. Glauben wir jetzt nicht, dass das in der Nachfolge der Apostel nur von den zum Priester- und Ordensstand Berufenen gilt.

Es gilt auch, wenn der Ruf des Herrn ergeht, von so manchem Laien. Sogar an einen kinderreichen Familienvater erging ein solcher Ruf zur Nachfolge und er gehorchte, verließ alles und ging: Der heilige Bruder Klaus. Und der Ruf erging an den einzigen Sohn eines reichen Textilkaufmanns. Er hörte den Ruf des Herrn, er folgte dem Ruf, er verließ alles und ging und machte ernst mit der Nachfolge Jesu. Franziskus. In einem Singspiel auf ihn fand ich das so formuliert:

"Franz von Assisi - ein junger Mann - ein reicher junger Mann - der einzige Sohn eines Textilunternehmens - ein Troubadour - er erkrankt - vielleicht am Reichtum - wer weiß - er lebt in einer reichen Zeit - er hat Zeit - er denkt nach - er entdeckt - wie Columbus Amerika - er entdeckt das Neue Testament - das Evangelium von Jesus von Nazaret" - er hört den Ruf - er geht - und macht Ernst - ganz Ernst - mit der Nachfolge Christi - in Armut - in Demut ...

Und glauben wir ja nicht, dass es das heute nicht mehr gibt. Ich denke an einen reichen italienischen Industriellen: Alles hat er verlassen, weil er den Ruf Jesu vernahm. Er ging nach Brasilien, um Aussätzige zu betreuen mit Brüdern und Schwestern, die sich ihm anschlossen.

So hat es auch jener französische Graf Follereau gemacht. So haben es gar manche gemacht.... Sie verließen alles, sie ließen alles in der Nachfolge Christi. So entstand Kirche. So entsteht sie immer wieder und bleibt dabei jugendfrisch und jung.

Mit Jesus in Gemeinschaft stehen und für Ihn einstehen, Jesus auf seinem Weg nachfolgen, sich von Ihm senden lassen im missionarischen Dienst, das gehört alles zusammen. Diese Erwählung bedeutet dabei nicht Herauslösung aus der Welt, aus dem Gewebe von Bezügen und Aufgaben, in das wir eingespannt sind, und bedeutet schon gar nicht eine Privilegierung und Bevorzugung vor anderen und etwa die Aufforderung, die Solidarität mit den anderen aufzugeben. Der wählende Ruf hat zum Ziel, Zeugnis zu geben für Jesus, und Dienst am Wort des Heils und am Werk der Barmherzigkeit durch apostolische Gesinnung und Haltung. Gewiss sind hier zunächst und zu allererst die Apostel und ihre unmittelbaren Nachfolger gemeint, aber zum Apostolat des guten Beispiels, des guten Wortes, der guten Tat ist jeder Getaufte aufgerufen in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche! Vergessen wir das nicht. Und zur Nachfolge Christi im Sinn der Nachahmung Christi und seines selbstlosen Dienens ist jeder berufen. Amen.