2. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B

gehalten in St. M. Loreto am 20.1.1994

 

Von der Berufung der ersten Apostel zur Nachfolge ist heute im Ev die Rede: Jesus geht den Jordan entlang, still, besinnlich, bis jetzt noch unbekannt den Menschen. Da zeigt Johannes der Täufer, der von seinen Jüngern umgeben ist, auf ihn mit einem lang ausgestreckten Zeigefinger und sagt zu ihnen: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt!“

Wir kennen dieses Wort des Täufers als Einleitung zur Kommunionspendung durch den Priester. Wir denken nur meistens recht wenig dabei. Zwei Jünger des Täufers Johannes aber müssen sich viel, sehr viel gedacht haben, als sie erstmalig diese Worte hörten: Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt… Was heißt das nur? Hat ihnen etwa der Täufer, ihr Lehrmeister, früher schon bei Unterweisungen, die er ihnen erteilte, diese Worte gedeutet und gesagt: Wenn der verheißene Messias kommt, dann wird er nicht groß und überheblich wie ein General auftreten und unserem Volk und Land mit Soldaten die Freiheit erkämpfen, nein, dann wird er demütig und selbstlos wie ein Lamm, das geschlachtet wird, sich hinopfern, um unsere Sündenschuld zu tilgen und uns von der Wurzel allen Unheils freimachen und erlösen? So hat es doch schon vor Jahrhunderten der große Prophet Jesaja vorausgesagt vom kommenden Messias und Erlöser.

Seht, da ist er nun, von dem diese Prophezeiung gilt! Seht das Lamm Gottes… Geht ihm nach und werdet nun seine Jünger und Helfer im großen Erlösungswerk, das er beginnt!

Zwei der Johannesjünger, Andreas und Johannes, horchten auf bei diesen Worten ihres Meisters und befolgten seine Weisung.

Zage und verlegen gingen sie hinter dem göttlichen Heiland her, zu schüchtern, um diesen rätselhaft geheimnisvollen Mann, von dem Johannes zu ihnen gesprochen hat, anzureden. Da dreht sich auf einmal dieser Jesus um, schaut die zwei, Andreas und Johannes, groß an mit einem Blick, der ihnen wohl bis in die Tiefe der Seele drang. In diesem Blick steckte ja so viel ergreifende, gewinnende Liebe. Und Jesus sagt nun zu diesen zweien mit gütiger Stimme: „Was sucht ihr denn?“

Die Antwort auf diese Frage Jesu lautet dann nicht etwa: „Meister, bist du, wie uns unser bisheriger Lehrer Johannes d.T. gesagt hat, der verheißene Messias und Erlöser, der die Menschen aus ihrer Sündennot befreien wird, oder: dürfen wir dich näher kennen lernen?“ Nein. Die zwei sind zu solch einer Antwort viel zu verlegen. Es kommt nur eine richtige Verlegenheitsfrage über ihre Lippen. Diese aber ist eigentlich doch sehr vielsagend: „Meister, wo wohnst du?“

Und Jesus, der später von sich sagen wird: Die Vögel haben ihre Nester, die Füchse ihre Höhlen, der Menschensohn aber hat nichts, wohin er sein Haupt legen könnte, dieser Jesus sagt nun zu den beiden Johannesjüngern die ergreifenden Worte der Einladung: „Kommt und seht!“ Er hätte sagen können: Stört mich nicht und lasst mich in Ruhe! Oder: Das geht euch nichts an, wo ich wohne! Nein, der Herr lädt die beiden ein: Kommt und seht! Für die beiden wurde dann diese erste Fühlungnahme mit Jesus zu einem tief ergreifenden und ihr ganzes weiteres Leben umwandelndes Ereignis. Was sie dabei erlebt haben, wissen wir nicht, aber diese erste Fühlungnahme mit Jesus muss so schön und erhebend und herzerquickend und beglückend gewesen sein, dass der eine der zwei, der Apostel Johannes, noch im hohen Alter von fast 100 Jahren es ganz genau gewusst hat, in welcher Stunde es zu dieser ersten Christusbegegnung gekommen war. In seinem Ev hat Johannes niedergeschrieben: „Es war um die 10. Stunde!“

Wann war unsere erste, bewusst erlebte Christusbegegnung? Etwa bei der Erstkommunion? Oder später beim Eindringen in den Sinn der hl. Schrift, in den Sinn der Evangelien? Oder in einer stillen Stunde der Anbetung vor dem Allerheiligsten? Meister, wo wohnst du? „Kommt und seht“, hier im Tabernakel wohne ich, verborgen zwar unter der Brotsgestalt, aber wahrhaft und wirklich! Glaubt nur, dann werdet ihr es spüren und erleben, wie es einst die beiden Johannesjünger erlebt haben.

Auf jeden Fall war dies für diese beiden späteren Apostel Andreas und Johannes der Anfang ihrer Berufung! Der Anfang ihrer Christusnachfolge! Sie machten ernst damit und begannen dann auch gleich für Christus zu werben: Andreas suchte seinen Bruder Simon für Christus zu gewinnen, Johannes seinen Bruder Jakobus.

Berufung zur Christusnachfolge im Apostolat! Berufung zur Christusnachfolge im Priester- und Ordensberuf!

Darüber müssen wir heute im Anschluß an das Sonntagsevangelium nachdenken und uns fragen: Was könnte ich tun, um in unserer Zeit, wo der Mangel an guten Priestern und Ordensschwestern immer größer wird, junge Menschen für den Priester- und Ordensberuf und ganz allgemein für die rechte Christusnachfolge zu gewinnen und zu begeistern.

Es gibt noch solche junge, ideal gesinnte Menschen, die nur darauf warten, dass sie angesprochen und dass ihnen die Wege geebnet werden zu diesem Ideal engster Christusnachfolge.

Heute wagen viele Menschen, auch gute, praktizierende Katholiken nicht mehr, für den Priester- und Ordensberuf zu werben oder auch nur zu reden und zu zeigen, dass auch geistliche Berufe einen Menschen beglücken können. Heute schämen sich manche Eltern, wenn Kinder mit dem Ansinnen an sie herantreten, der Sohn möchte Priester werden, die Tochter möchte ins Kloster gehen. Oft verhalten sich heute Menschen dem Priester- und Ordensberuf gegenüber so, als ob die Nachfolge Christi im geistlichen Stand eine Schande wäre und nicht eine hohe Ehre und Auszeichnung. Beten wir doch viel darum, dass wieder junge Menschen, die gläubig und ideal gesinnt sind, sich zum Priester- und Ordensberuf entscheiden, denn der Priestermangel ist so groß geworden, dass viele Pfarreien keinen eigenen Seelsorger mehr haben; und so viele weibliche Orden haben der Reihe nach Niederlassungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen aufgeben müssen, weil seit Jahren der nötige Nachwuchs ausgeblieben ist und die vorhandenen Schwestern alt und aufgebraucht sind. Ihr kennt doch das Wort des göttlichen Heilands: „Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige. Bittet daher den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende!“

Es ist so schön, wenn man in der Fortsetzung des heutigen SoEv bei Johannes weiter liest, wie jene, an die der Ruf zur Nachfolge ergangen ist , dann geworben haben, um andere auch für das Ideal zur Nachfolge Christi im Apostelberuf zu gewinnen: Der Apostel Andreas warb seinen Bruder Simon Petrus, ein anderer gewann den Philippus; dieser warb wieder seinen Freund Nathanael und führte ihn zu Jesus. So ist schließlich das Apostelkollegium zustande gekommen und mit ihm die junge Kirche, in der an jedes Glied so oder so der Ruf des Herrn ergeht: „Komm, folge mir nach!“ Sei auch du, ob im Priester- oder Ordensstand oder auch als überzeugter gläubiger, aktiver Laie ein Apostel in der Nachfolge Christi. Mögen die Laien, wenn sie wirklich gläubig sind, nie vergessen, dass es auch im Laienstand gilt, Apostel zu sein in Wort und Tat und vor allem in einem vorbildlichen Leben das Strahlkraft besitzt für die anderen. Amen.