Dreifaltigkeitssonntag

6. Juni 1971, 11.00 Uhr im Südwestfunk

Ansprache in der Reihe: "Was soll verkündigt werden?"

 

Dreifaltigkeitssonntag ist heute, ein altes, auf Alkuin, den Hoftheologen Karls des Großen, zurückgehendes christliches Fest. Was soll da wohlverkündigt werden? Ich meine und weiß dabei im Einklang, sowohl mit der katholischen als auch der evangelischen Kirche: Es sollte den Menschen unserer Zeit über das Festgeheimnis hinaus vor allem das verkündigt werden, was der Apostel Johannes, der Liebesjünger Jesu, in seinem ersten Brief geschrieben hat: "Lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott und wer Gott liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer aber nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe!"(1 Joh 4,8)

Tieferes und Christlicheres und dabei eigentlich auch Zeitgemäßeres lässt sich über unser menschliches Zusammenleben, aber auch über Gott gar nicht sagen. Denn hier wird uns vom innersten Wesen Gottes, von seiner Dreipersönlichkeit her das erschlossen, was die treibende Kraft in den Beziehungen der Menschen und in ihren Gemeinschaften sein sollte.

Bei einem modernen Autor, der viel herumkam und vor allem die Not unterdrückter, lieblos ausgebeuteter Menschen in Südamerika kennenlernte, las ich in seinem neuesten Buch mit dem Titel "Gott ist Partei" folgenden Satz: "Wir kennen das große Wort unserer Welt: zuerst haben, dann geben... Gott aber fängt nicht mit dem Haben an, um dann (erst) zu geben, sein Atem und sein Leben sind ganz Hingabe" und zwar des Vaters an den Sohn, des Sohnes an den Vater. Und zusammen geben sie sich einer anderen lebendigen Person hin, die ihre gegenseitige Verbindung ist!" (Jean Cardonnel, Gott ist Partei, Patmos-Verlag, Düsseldorf 1971,S. 48)

Wo zeigt sich denn vergleichbar zur Veranschaulichung am stärksten im menschlichen Bereich diese sich ganz verschenkende, nicht auf Haben und Besitzen, sondern nur auf Hingabe bedachte Liebe? Doch wohl in der ideal gesehenen und gelebten Ehe, von der Papst Paul VI. in seiner viel verkannten Enzyklika "Humanae vitae" geschrieben hat: "Die eheliche Liebe offenbart ihre Natur und ihren Adel, wenn sie in ihrem letzten Ursprung gesehen wird: in Gott, der die Liebe ist, dem Vater, von dem jede Vaterschaft stammt".

Man muß es sauber und edel durchdenken, was da gemeint ist: Mann und Frau, Gatte und Gattin, unzertrennlich verbunden und sakramental konsekriert für die gottgewollte, ehelich-schöpferische, lebensspendende Liebe, schenken einander in der vollen, ganzen, leib-seelischen, fruchtbaren Liebeshingabe: zwei in einem Fleische" (Mt 19,5), zwei Personen, die ganz innig eins geworden sind; und gerade in diesem Höhepunkt des liebenden Einsseins wird ein Drittes empfangen: das Kind, das wiederum - wenigstens konstitutiv - Person ist vom ersten Augenblick an; und dabei sind diese drei Personen in diesem Augenblick, am Höhepunkt der ehelichen Liebeshingabe, ganz eins wie sonst nie in ihrem Leben. Freilich lässt sich dieses liebende Einssein der drei menschlichen Personen nicht durchhalten; zuerst hört es bei Mann und Frau wieder auf, die Spannkraft sogar der höchsten menschlichen Liebe, was ihre Aufgipfelung im zeichenhaften, leib-seelischen Ausdruck der Hingabe betrifft, lässt nach; und schließlich hört auch im Augenblick der Geburt das physische Einssein von Mutter und Kind auf. In Gott aber hört in der ewigen, wechselseitigen Hingabe das liebende Einssein der drei Personen nie auf: in ewig fortdauernder rein geistiger Zeugung schenkt der Vater sein ganzes göttliches Leben und Wesen vorbehaltlos dem Sohn, denn der Vater erkennt sich in intensivster göttlicher Selbsterkenntnis und spricht sich aus in einem einzigen, unendlich inhaltsreichen Wort, dem Logos; und dieses ewige Wort Gottes ist nichts Nebensächliches, rasch wieder Vergehendes wie das menschliche Wort, sondern etwas ganz Wesentliches, gleichen Wesens mit dem Vater, und etwas ewig Bleibendes: der wesensgleiche, ewige, einziggeborene Sohn Gottes, in welchem der Vater ganz Hingabe ist. Und Vater und Sohn sehen sich in ihrer unendlichen göttlichen Wesensfülle und Vollkommenheit. Sich sehen und sich lieben ist hier wirklich eins: Es strömt vom Vater zum "Sohn, dem Geliebten, an dem er sein Wohlgefallen hat" (vgl. Mt 3,17; 17,5) und umgekehrt vom "Sohn seiner Liebe" (Kol 1,13) zum Vater die schönste, beglückendste, innigste Liebe; sie lieben sich in unendlichem, alle Grenzen sprengenden Maß, so daß diese ihre gegenseitige Liebe wiederum nichts Nebensächliches, schnell wieder Vergehendes und Abklingendes, sondern wieder etwas ganz Wesentliches und ewig auf beglückender Höhe Bleibendes sein muss: der Hl. Geist, der aus Vater und Sohn hervorgeht als die personhafte Liebe zwischen beiden, die dritte göttliche Person.

Gott ist die Liebe und diese Liebe ist also ganz und vorbehaltlos Hingabe des Vaters an den Sohn und beider an den Hl. Geist. Gott ist also nicht ein in Einsamkeit und Ichsucht Lebender, sondern von Ewigkeit her ein in Gemeinschaft ein personales Du Liebender: Als Vater liebt Gott von Ewigkeit her den wesensgleichen Sohn im Hl. Geist, dem einigenden Liebesband zwischen beiden.

Die gegenseitige Ich—Du—Beziehung, die der Liebe wesentlich eigen ist besteht in Gott von Ewigkeit her; er muss diese Beziehung nicht erst durch Schaffung eines außergöttlichen Du herstellen, um der in Hingabe und Gemeinschaft Liebende zu sein, nein, anfanglos und wesensnotwendig ist in Gott die Liebe in vollendeter Weise da, sowohl die Hingabe als auch die Gemeinschaft der Liebe wird in Gott von Ewigkeit her je und je realisiert: die Hingabe im vorbehaltlosen Schenken und Mitteilen des einen, einzigen göttlichen Wesens vom Vater an den Sohn und von Vater und Sohn zusammen an den Hl. Geist; und die Gemeinschaft ist ebenfalls in vollendeter Weise realisiert, weil diese drei Liebenden das eine gleiche göttliche Wesen nicht etwa nur unter sich teilen, sondern gemeinsam besitzen und sind. Dabei bleiben aber diese Drei, die da durch ihre gegenseitige Liebe sich und ihr Wesen einander übergeben und so innigste Lebens- und Wesensgemeinschaft bilden, trotzdem selbständige Personen, weil sie durch ihre vollkommene Hingabe ihren Selbstand nicht verlieren, sondern dadurch erst konstituieren.

Nur weil es diese ewige Liebe der Hingabe und Gemeinschaft im drei-persönlichen Gott gibt, darum kann es auch eine Liebe Gottes zum Geschöpf geben, dem Gott sich schenkt und mit dem Gott Gemeinschaft sucht Und darum kann es auch Liebe der Menschen zueinander geben.

Die Liebe Gottes zum Geschöpf zielt erst recht wieder nicht auf das Haben, sondern nur auf das Geben, weil ja Gott in seiner souverän freien Liebe zum Geschöpf, das er ins Dasein rief, nicht sich selbst bereichert sondern nur dem außergöttlichen, geschöpflichen Du Anteil an seinem Sein und Leben schenkt, um es überhaupt erst liebenswert zu machen. Gott, in welchem es von Ewigkeit her das dreipersönliche Zusammensein, Füreinandersein und Ineinandersein der Liebe gibt, will aus freiem Überströmenlassen seiner Liebe auch das Zusammensein mit geschöpflichen Partnern seiner Liebe. Die ganze Schöpfungs- und Heilsgeschichte ist letztlich nichts anderes als die Geschichte dieser gemeinschaftsuchenden und gemeinschaftbegründenden Liebe Gottes. Um diese Gemeinschaft der Liebe zwischen dem dreipersönlichen Gott und dem Geschöpf Mensch geht es in der ganzen Offenbarung: Der Mensch soll von dieser dreipersönlichen Liebe Gottes, die überströmt in den außergöttlichen Bereich, erkennen und als Ebenbild Gottes widerspiegeln und weiterschenken in seine Gemeinschaften hinein: in die Ehe, in die Familie, in die kirchlichen, beruflichen und staatlichen Gemeinschaften hinein und überall hin, wo Menschen zusammenleben und zusammenarbeiten. Die Liebe gegenseitiger Hingabe und Gemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Hl. Geist muss in der Art, wie sie uns geoffenbart wurde, Urbild und Urquell aller Liebe sein, die wiederum, soll sie echt sein, auf Hingabe und Gemeinschaft ausgerichtet sein muss wie in Gott.

Wenn wir dies mehr erfassten, würden sich viele Probleme, die uns gerade heute, aufsteigend aus der menschlichen Selbstsucht und den anderer Süchten, so zu schaffen machen, ganz von selbst lösen. Es stimmt ja doch, was der Apostel Johannes, dessen erster Brief eingangs zitiert wurde, weiter schreibt: "Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. Gott hat kein Mensch je gesehen. Wenn wir aber einander lieben, dann bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet. Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat... Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und geglaubt: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm." (1 Joh 4,11-16)