Rabanus Maurus und sein Hl. Geist-Hymnus
Im Jahre 381 hat das I. Konzil von Konstantinopel die Gottheit des Hl. Geistes feierlich definiert und diesbezüglich die allzu kurze Aussage im Symbolum Nicaenum ("Credo...in Spiritum Sanctum") ergänzt durch den Zusatz "...et in Spiritum Sanctum, Dominum ac vivificantem, qui ex Patre (Filioque) procedit, qui cum Patre et Filio simul adoratur et conglorificatur, qui locutus est per prophetas". Der Wegbereiter für diese Konzilsentscheidung des Jahres 381 war vor allem der hl. Basilius d. Gr. (+ 379), der große Kirchenvater des Morgenlandes, mit seinem bedeutenden theologischen Werk "Über den Hl. Geist".
Was darin über den Hl. Geist dargelegt ist, hat im Abendland der genau 400 Jahre nach dem I. Konzil von Konstantinopel geborene hl. Rabanus Maurus in dichterischer Sprache in vielsagender Kurzfassung zum Ausdruck gebracht in seinem Hl. Geist-Hymnus "Veni Creator Spiritus". Dieser Hymnus ist wie ein Kommentar zu den genannten Sätzen über den Hl. Geist im Symbolum Nicaeno-Konstantinopolitanum und gewissermaßen eine Kurzfassung der theologischen Aussagen über die dritte göttliche Person im berühmten Werk des hl. Basilius d. Gr. "Über den Hl. Geist".
Bevor auf diesen in allen christlichen Kirchen gebeteten Hl. Geist-Hymnus näher eingegangen wird, was seine Entstehung und seine bibeltheologischen Aussagen betrifft, sei zuerst die Persönlichkeit seines Dichters charakterisiert, weil es sich lohnt, Leben und Werk dieses Heiligen näher kennenzulernen, denn Rabanus Maurus zählt unstreitig in kirchlicher wie in wissenschaftlicher Hinsicht zu den hervorragendsten Männern des 9.Jahrhunderts. Als Lehrer wie als Abt und Erzbischof blieb er der Wissenschaft ein gleich begeisterter Förderer und Freund... Seine schriftstellerische Tätigkeit war zwar vorherrschend nur reproduzierend und kompilatorisch, aber ungemein vielseitig und umfassend. Sie erstreckte sich auf fast alle Gebiete des kirchlichen Lebens und des damaligen theologischen Wissens, auf das exegetische, dogmatische, didaktisch-liturgische und aszetische Gebiet, sowie auf die Disziplin. Neben Kommentaren zu fast allen Büchern des Alten wie des Neuen Testaments verdienen u.a. auch die von ihm gedichteten Hymnen und darunter der Hl. Geist-Hymnus "Veni Creator Spiritus", den jeder Theologe auswendig kennen und oft zu seinem Betrachtungsstoff machen sollte, unser besonderes Interesse.
Der hl. Rabanus Maurus wurde 780/81 in Mainz geboren. Aus seinen ersten Lebensjahren ist kaum etwas bekannt. Man nimmt an, dass er sehr jung, wahrscheinlich sogar als Kind, d.h. als "puer oblatus", als von den Eltern Gott dargebracht, nach Fulda gekommen ist 1)
Dort, im Kloster Fulda, war - gut 40 Jahre nach der Gründung dieses Klosters durch den hl. Bonifatius - in der Nachfolge des heiligen Abtes Sturmius ein gewisser Baugulf seit 779 Abt. Dieser hatte damals für eine außerordentlich zahlreiche Mönchsgemeinschaft zu sorgen. Mangel an Priester- und Ordensnachwuchs wie heute kannte man nicht. Aus einer Mönchsliste vom Ende des Jahres 781 erfährt man, dass damals 365 Mönche, also so viele, als das Jahr Tage zählt, zum Kloster Fulda gehörten. Dabei hatten sicher nicht alle Mönche ihren Standort in Fulda selbst, ein Teil von ihnen lebte sicher außerhalb Fuldas in Außenstationen des Klosters.
Rabanus Maurus kam also in ein Kloster, das geprägt war durch eine ganz beträchtliche Schar von Mönchen. Das war sicher insofern von Vorteil, als sich dadurch für den jungen Rabanus Maurus die Möglichkeit bot, zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten kennenzulernen.
Über die Ausbildung des hl. Rabanus Maurus in Fulda sind Einzelheiten nicht bekannt; sie wird vor allem dem entsprochen haben, was nach der aus dem 9.Jahrhundert stammenden Lebensbeschreibung des heiligen Abtes Sturmius in Fulda für angehende Mönche als wichtig galt. Dazu gehörten das Auswendiglernen von Psalmen, dann die Lektüre vor allem biblischer Texte, in erster Linie der Evangelien und der Apostelbriefe. Durch beständiges Lesen, Rezitieren und Meditieren der Texte des Neuen, aber auch des Alten Testamentes sollte sich der junge Ordenskleriker das Wort Gottes aneignen und - erleuchtet vom Heiligen Geist - zu einem immer tieferen Verständnis der Heilswahrheiten gelangen. Auch die Regel des hl. Benedikt wurde auf diese Weise gelernt, damit sie zur Richtschnur des klösterlichen Lebens werde.
Vermutlich stach der junge Mönch Rabanus Maurus bald aus der großen Schar der anderen Klosterjugend hervor, weil er nach seiner Ausbildung im Kloster Fulda zusammen mit seinem Freund Hatto zum seligen Alkuin, dem gelehrten und von Kaiser Karl dem Großen hochgeschätzten Kultusminister des Reiches, der damals in Tours dem dortigen Kloster vorstand, zur weiteren theologischen Ausbildung geschickt wurde.
Dass er Schüler des seligen Alkuin war, betont Rabanus Maurus selbst an verschiedenen Stellen seiner Schriften. Er nennt den seligen Alkuin seinen geschätzten Lehrmeister, der ihn im Hunger nach dem Wort Gottes durch wertvolle Ermahnungen belehrt und zum Streben nach wahrer Weisheit angeleitet habe.
In der Schule des seligen Alkuin, der - wie im Buch "Ergriffen vom dreieinigen Gott" ausführlich gezeigt wurde 2) - eine ganz besondere Vorliebe für das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit hatte und dabei auch eine besondere Verehrung der dritten göttlichen Person, des Heiligen Geistes pflegte, wird wohl der junge Mönch Rabanus Maurus auch immer mehr vom dreieinigen Gott ergriffen und in der Verehrung des Heiligen Geistes bestärkt worden sein. Wie stark der selige Alkuin mit seinen Schülern den Dreifaltigkeitsgedanken gepflegt hat, zeigt nicht nur die Votivmesse zur heiligsten Dreifaltigkeit, die er verfasst und sicher zusammen mit seinen Schülern oft gefeiert hat, sondern zeigt auch eine von ihm verfasste und mit seinen Schülern sicher oft gebetete Litanei, in der auf Christusanrufungen folgende trinitarische Dreiergruppe von Anrufungen angefügt ist: "Erbarme Dich, Herr, Gott Vater, mein Ruhm, mein Leben! Erbarme Dich, Christus, Heiland, mein Heil, meine Kraft! Erbarme Dich, Heiliger Geist, mein Tröster, mein Trost, meine Erleuchtung! Erbarme Dich, Herr Gott, Dreifaltigkeit und Einheit: Dich lobe ich, Dich bete ich an, Dich bekenne ich! " 3)
Die Verehrung des dreifaltigen Gottes und speziell auch der dritten göttlichen Person, des Heiligen Geistes, wie sie Rabanus Maurus von seinem Lehrer Alkuin gewissermaßen eingeimpft bekam, mag ihm dann - zurückgekehrt ins Kloster Fulda - bei den wichtigen Ämtern, die ihm dort anvertraut wurden, eine große Hilfe gewesen sein. Denn als Magister, als Lehrmeister für den zahlreichen Ordensnachwuchs, und dann erst recht in den schwierigen 20 Jahren, da er von 822-842 dem großen Kloster Fulda als Abt vorstand, brauchte er gar sehr den erleuchtenden Beistand des Heiligen Geistes; nicht minder, als er 847 als 67jähriger noch zum Erzbischof in seiner Heimatstadt Mainz erhoben wurde.
In der Schule des seligen Alkuin, der ja nicht bloß ein bedeutender Theologe, sondern auch ein hervorragender Dichter war, wird in Rabanus Maurus auch das dichterische Talent geweckt und zur Entfaltung gebracht worden sein. So wurde Rabanus Maurus nicht bloß ein bedeutender Exeget und sehr guter Kenner der Hl. Schrift, der beachtliche Kommentare zu einer ganzen Reihe alt- und neutestamentlicher Bücher geschrieben hat, sondern auch ein vielbeachteter Hymnendichter, der liturgische Hymnen vermutlich nicht nur gedichtet, sondern auch komponiert hat 4) Von allen Geistlichen wurde ja damals nicht nur eine gediegene musikalische Praxis, sondern auch ausreichende Kenntnis der Musiktheorie verlangt. Das spiegelt sich noch im Werk des hl. Rabanus Maurus "Über die Ausbildung der Geistlichen" 5). Wie sehr Rabanus Maurus dabei in den mittelalterlichen Vorstellungen von der religiösen Bedeutung der Musik und von der ihm durch den seligen Alkuin eingeimpften Trinitätsfrömmigkeit erfüllt war, zeigt beispielsweise die Erklärung der Zither, von der Rabanus Maurus sagt, ihre Dreieckform sei das Symbol der göttlichen Dreieinigkeit, ihre 24 Saiten aber bedeuteten die Kirche mit ihren 24 Dogmen; somit symbolisiere das Zitherspiel gläubige Trinitätsfrömmigkeit und treuen Gehorsam der Kirche gegenüber, in der der Heilige Geist als übernatürliches Lebensprinzip wirke.
Durch die Schaffung neuer liturgischer Hymnen sind von Rabanus Maurus und von seinen Schülern, zu denen beispielsweise Walafried Strabo und Otfried von Weißenburg gehörten, bedeutende literarische und musikalische Impulse für die Liturgie und Kirchenmusik ausgegangen, obgleich damals das offizielle Rom den Hymnen in der Liturgie noch ablehnend gegenüberstand.
Nachdem die sogenannte "karolingische Renaissance" gegen Ende des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts einen Aufschwung der Hymnendichtung und Hymnenkomposition gebracht hatte, entwickelte sich in der Folgezeit die neue, rhythmisch akzentuierende Verskunst, bei der die Metren und Verse nun nach betonten und unbetonten Silben gebaut wurden und der Endreim aufkam. Einer der bedeutendsten Vertreter der ersten karolingischen Dichtergeneration war der Lehrer des hl. Rabanus Maurus, der selige Alkuin, von dem zehn Hymnen überliefert sind. Rabanus Maurus aber war nun auch auf diesem Gebiet ein gelehriger Schüler seines großen Lehrers.
Von Rabanus Maurus sind 30 lateinische Hymnen überliefert. Anscheinend hat er für alle wichtigen Feste des Kirchenjahres Hymnen gedichtet. Sein bekanntester Hymnus, den er wohl täglich selber gebetet haben wird, ist nun sein Hymnus auf den Heiligen Geist: "Veni Creator Spiritus, mentes Tuorum visita! Imple superna gratia, quae Tu creasti pectora..." ("Komm, Schöpfer Geist, kehr' bei uns ein, besuch' das Herz der Kinder dein, die deine Macht erschaffen hat, erfülle nun mit deiner Gnad!...")
Dieser Heilig-Geist-Hymnus des hl. Rabanus Maurus gehört seit fast 1200 Jahren zum unverzichtbaren Schatz der Kirchenlieder beider christlichen Konfessionen. Zur Entstehung und zum Inhalt dieses Heilig-Geist-Hymnus des hl. Rabanus Maurus sei einiges gesagt:
Im Jahre 1979 erschienen von Heinrich Lausberg überaus aufschlussreiche Abhandlungen über den Hymnus "Veni Creator Spiritus ". 6) Der Autor führt darin eine Reihe von Argumenten für die Tatsache an, dass Rabanus Maurus der Verfasser dieses Heilig-Geist-Hymnus ist: Es zeigen sich nämlich ganz auffallende Übereinstimmungen mit anderen Texten des hl .Rabanus Maurus, ferner andere Entsprechungen, Wortfolgen, Ausdrücke, Strophenstrukturen usw., die alle auf diesen Heiligen hinweisen. H. Lausberg meint dann, dass der Text des Hymnus "Veni Creator Spiritus" für die theologische Debatte um das "Filioque" auf der Aachener Synode um 809 geschrieben worden sei. Es ging damals um einen Antrag dieser Synode: Im nicaeno-constantinopolitanischen Glaubensbekenntnis war bisher vom Heiligen Geist gemäß Joh 15,26 nur gesagt worden: "Qui ex Patre procedit" ("Der vom Vater ausgeht"). Nun sollte in das Glaubensbekenntnis eingefügt werden: "Der vom Vater und vom Sohn (lateinisch "Filioque") ausgeht". Eine solche Einfügung war bisher erst in Spanien praktiziert worden. Rom aber verhielt sich einer solchen Einfügung in das Credo gegenüber noch sehr zurückhaltend, wenn nicht sogar ablehnend. Da wollte nun die Synode von Aachen dieser Einfügung in das Credo den Weg ebnen. Der Hymnus "Veni Creator Spiritus" sei - so meint H. Lausberg - zunächst ein aktuelles kirchenpolitisches Streitlied für das "Filioque" während der Aachener Synode von 809 gewesen, an der Rabanus Maurus, der Schüler des seligen Alkuin, damals mit Sicherheit als Mitglied des dienenden Personals teilgenommen habe. H. Lausberg fasst dann seine Beweisführung für seine Behauptungen, was die Entstehung des Hymnus "Veni Creator Spiritus" betrifft, in folgendem Schlußsatz zusammen: "Wenn wir unser Resultat chronologisch optimal formulieren wollen, so hat Rabanus Maurus den Hymnus für die Aachener Synode des Jahres 809 und für die nach Rom entsandte Kommission gedichtet." - So viel zur Veranlassung der Entstehung dieses Heilig-Geist-Hymnus des hl. Rabanus Maurus. Was aber den Inhalt dieses Hymnus betrifft, so werden in den ersten drei Strophen jene Titel des Heiligen Geistes angeführt, die Ihm in der Hl. Schrift der Reihe nach gegeben werden:
"Qui diceris Paraclitus, altissimi donum Dei, fons vivus, ignis, caritas, et spiritalis unctio." ("Der Du der Tröster wirst genannt, vom höchsten Gott ein Gnadenpfand, Du Lebensbrunn, Licht, Lieb und Glut, der Seele Salbung, höchstes Gut") - "Tu septiformis munere, dextrae Dei tu digitus, tu rite promissum Patris, sermone ditans guttura" ("0 Schatz, der siebenfältig ziert, o Finger Gottes, der uns führt, Geschenk, vom Vater zugesagt, Du, der die Zungen reden macht.")
Überdenken wir ganz kurz diese biblischen Titel für den Heiligen Geist: "Creator Spiritus" wird der Heilige Geist zuerst genannt, denn Er ist der schöpferische Geist, von dem es am Anfang der Genesis (1,2) heißt, dass Er über den Urwassern schwebte und aus dem Chaos den Kosmos formte.
Dann wird Er "Paraclitus" ("Paraklet") genannt. So nennt ihn Christus mehrmals in seiner Abschiedsrede beim Letzten Abendmahl (vgl. Joh 14,16; 15,26; 16,7). Das Wort "Paraklet" kommt vom griechischen Zeitwort "parakalein" - herbeirufen, zu Hilfe rufen; als Verbaladjektiv "paräkletos" bezeichnet es den, der um Hilfe angerufen wird, den Helfer, den Beistand, den Fürsprecher, den Tröster; Paraklet ist dasselbe Wort im Griechischen wie unser deutsches, aus dem Latein kommende Fremdwort "Advokat".
Wörtlich sagte Jesus (bei Joh 14,16): "Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Parakleten (Tröster) geben, damit dieser in Ewigkeit bei euch bleibe, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt." Nach diesen Worten Jesu in seiner Abschiedsrede ist der Hl. Geist vom Vater verschieden, er wird ja vom Vater gegeben, er ist auch vom Sohn verschieden, weil er ja im Gegensatz zu dem Sohn, dem einen Tröster, dem einen Paraklet, der andere Paraklet ist, der nach dem Weggang des Sohnes an Stelle des Sohnes den Aposteln Helfer, Beistand, Tröster, eben Paraklet sein wird.
Bei Joh 14,26 sagte Jesus noch weiter: "Der Paraklet aber, der Hl. Geist, den der Vater in Meinem Namen senden wird, wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe."
Und bei Joh 15,26 fügt Jesus noch hinzu: "Wenn der Paraklet kommt, den Ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird von Mir Zeugnis ablegen." In unübertreffbarer Kürze und Klarheit ist hier der Unterschied des Hl. Geistes von Vater und Sohn ausgesprochen: der Unterschied des Hl. Geistes vom Vater, weil der Hl. Geist ja aus dem Vater hervorgeht; der Unterschied des Hl. Geistes vom Sohn, weil der Hl. Geist ja vom Sohn gesandt wird. Da niemand aus sich selbst hervorgehen und niemand sich selbst senden kann, so kann der Hl. Geist weder mit dem Vater noch mit dem Sohn personal identisch sein.
Ein weiterer Name, der im Hymnus "Veni Creator Spiritus" dem Hl. Geist gegeben wird, ist im deutschen Text "Gnadenpfand des höchsten Gottes; im lateinischen Text heißt es: "Donum Dei altissimi". Der Hl. Geist ist "donum" = Geschenk, die Gabe Gottes schlechthin. Darum sagt der hl. Petrus in seiner Pfingstpredigt (Apg 2,38): "Tut Buße und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden und ihr werdet die Gabe, den Hl. Geist empfangen!" Zu Simon Magus aber, der dem Laster der Simonie den Namen geben musste, weil er den Hl. Geist erkaufen wollte, sagte Petrus: "Dein Geld sei mit dir zum Verderben, denn du hast geglaubt, die Gabe Gottes mit Geld erwerben zu können." Bei der Firmung zeichnet der Bischof mit Chrisam ein Kreuz auf die Stirn des Firmlings und spricht dabei: "N.N., sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Hl. Geist!"
Weiter nennt der hl. Rabanus Maurus im Hymnus den Hl. Geist "fons vivus", Lebensquell im Deutschen. Wir erinnern uns dabei an jenen vielsagenden Text im Joh 7,37 ff: "Am letzten Tag, dem großen des Festes, stand Jesus da und rief laut aus: 'Wen dürstet, der komme zu Mir, und es trinke, wer an Mich glaubt; wie die Schrift sagt: Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Leibe fließen.' Das aber sagte Er von dem Geist, den die empfangen sollten, die an Ihn glauben."
Dass der Hl. Geist dann auch "ignis" - Feuer, im Deutschen "Licht und Glut" genannt wird, ist dem klar, der aus dem biblischen Bericht über das Pfingstereignis (Apg 2,3) weiß, dass der Hl. Geist sich auf die Apostel am Pfingstfest in Feuerzungen herabgesenkt hat: "Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und es (das Feuer) ließ sich auf jeden von uns nieder."
Dass der Hl. Geist vom hl. Rabanus Maurus in seinem Hl. Geist-Hymnus dann auch noch "caritas" - Liebe genannt wird, kann den nicht überraschen, der weiß, dass der Hl. Geist ja nichts anderes ist als die personale Liebe des Vaters zum Sohn, des Sohnes zum Vater.
Der Hl. Geist als Salbung der Seele, als siebenfältiger Gnadenschatz, als Finger Gottes (vgl. Lk 11,20), von dem der Lebensfunke auf die toten Knochen (bei Ez 37,5 ff) überspringt, so dass sie lebendig werden. Der Hl. Geist als die "Verheißung des Vaters" (Lk 24,49) und als jener, der im pfingstlichen Sprachenwunder die Apostel reden machte (vgl. Apg 2,4), das sind alles Bezeichnungen für den Hl. Geist, die der großartige Kenner der Bibel - und das war Rabanus Maurus - der Hl. Schrift entnommen hat.
Mit der 4. Strophe seines Hl. Geist-Hymnus fängt dann der hl. Rabanus Maurus an, in Gebetsform das auszusprechen, was er sich vom Hl. Geist erwartet: Licht für den Verstand, Glut für das Herz, Kraft für den Willen, Treue für das Mitwirken mit der Gnade des Herrn: "Accende lumen sensibus! Infunde amorem cordibus! Infirma nostri corporis virtute firmans perpeti!" ("Zünd' an in uns des Lichtes Schein, gieß Liebe in die Herzen ein, stärk unsres Leibs Gebrechlichkeit, mit deiner Kraft zu jeder Zeit!") Dann erfleht Rabanus Maurus vom Hl. Geist auch noch Schutz vor allen feindlichen, bösen, dämonischen Mächten und Gewalten, dazu noch den Herzensfrieden und den äußeren Frieden sowie die Führung auf dem Weg zum großen Ziel, um alles Schädliche, vom Ziel Ablenkende vermeiden zu können: "Hostem repellas longius, pacemque dones protinus; ductore sic te praevio vitemus omne noxium".
Der Hymnus schließt dann mit der Bitte, durch Ihn, den Hl. Geist, der der Geist der Wahrheit ist, der in alle Wahrheit einführen kann, möge es gelingen, auch in das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit des einen Gottes gläubig einzudringen und an diesem Dreifaltigkeitsglauben allzeit festzuhalten: "Per te sciamus da Patrem, noscamus atque Filium, Te utriusque Spiritum Credamus omni tempore" ("Den Vater auf dem ewigen Thron lehr uns erkennen und den Sohn; dich, beider Geist, sei'n wir bereit zu preisen gläubig alle Zeit").
Dieser Hl. Geist-Hymnus, den wir dem hl. Rabanus Maurus verdanken, wurde bald aus einer ursprünglich privaten Dichtung zu einem offiziellen liturgischen Gebet. Heute ist der Hymnus "Veni creator Spiritus" das einstimmende Lied bei den beiden Vespern am Hohen Pfingstfest. Er wird überdies zur Eröffnung feierlicher sakraler Handlungen gesungen, so bei der Priesterweihe und Bischofskonsekration 7). Dieser Hymnus scheint in der Liturgie bereits im Jahre 1049 auf. Damals, bei der Eröffnung des Konzils von Reims, wurde er vom einzigen heiligen deutschen Papst Leo IX. angestimmt, der in seinem Glaubensbekenntnis die Wahrheit vom Hl. Geist besonders klar ausgesprochen hat in dem Satz: "Credo Spiritum Sanctum, plenum et perfectum verumque Deum, a Patre et Filio procedentem, coaequalem et coessentialem et coomnipotentem ett coaeternum per omnia Patri et Filio, per prophetas locutum" 8) ("Ich glaube an den Hl. Geist, der voller, vollkommener, wahrer Gott ist, der vom Vater und vom Sohn <von Ewigkeit her> ausgeht und der zusammen mit dem Vater und dem Sohn dem Wesen, der Allmacht und der Ewigkeit nach völlig gleich ist. Er hat gesprochen durch die Propheten.“)
Er hat auch gesprochen durch die Heiligen, vor allem durch jene Heiligen, die in einem ganz besonderen Naheverhältnis zu Ihm standen wie der hl. Rabanus Maurus, der sich als Mönch, als Lehrer, als Abt von Fulda und als Erzbischof von Mainz in Wort und Tat als unerschrockener Hirte und selbstloser Seelsorger bewährt hat und der überdies ein vom Hl. Geist erleuchteter Deuter der Hl. Schrift, mehrmaliger Vorsitzender auf bedeutsamen Synoden, ein erleuchteter Priestererzieher und Kämpfer für den wahren, unverfälschten und unverkürzten Glauben war.
In der Grabinschrift, die der hl. Rabanus Maurus für sich selbst verfasst hat, sagt er, dass ihm - angetrieben vom Hl. Geist, dem Geist der Wahrheit - die Beschäftigung mit dem Wort Gottes immer und überall, in jeder Situation seines Lebens (als Mönch, als Lehrer, als Abt, als Bischof) lieb und teuer gewesen sei. Als bereits erfahrener Mönch hatte er sich vom Hl. Geist die Gnade erbeten, dass er zeit seines Lebens Diener der Diener Christi, sowie Schüler derer, die gut lehren, und Helfer derjenigen sein könne, die sich um den wahren Glauben bemühen. Er war das alles wirklich in seinem Leben, das 780/81 in Mainz in der Kraft des Schöpfer-Geistes begonnen und in der Tröstung des Hl. Geistes in Mainz nach 75 Lebensjahren geendet hat.
Fußnoten:
1) In seinem "Liber de oblatione puerorum" schreibt Rabanus Maurus: "Monachum facit aut propria voluntas aut parentum devotio"
2) vgl. F.Holböck, Ergriffen vom dreieinigen Gott (Stein am Rhein 1981) S.155-162
3) Der lateinische Text dieser litaneienförmigen Anrufungen lautet "Miserere Domine Deus Pater, gloria mea, vita mea! Miserere Christe Salvator, salus mea, fortitudo mea! Miserere Spiritus Paraclitus, consolatio mea, illuminatio mea! Miserere Dominus Deus Trinitas et unitas! Te laudo, Te adoro, Te confiteor." (MGH Poet.Lat.I/303s)
4) vgl. G.Rehm, Hrabanus Maurus als Hymnendichter, in: W. Böhne, Hrabanus Maurus und seine Schule. Festschrift der Rabanus-Maurus-Schule 1980 (Fulda 1980) S.175-181
5) vgl. Rabanus Maurus, De institutione clericorum III/24
6) H. Lausberg, Der Hymnus "Veni Creator Spiritus", in: Jahr-buch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 1969, S.26-58; ders., Der Hymnus "Veni Creator Spiritus", in: Abhandlungen der westfälischen Akademie der Wissenschaften 64, Opladen 1979; ders., De hymno illo qui incipit verbis "Veni Creator Spiritus", in: Festschrift des Kaiser-Karl-Gymnasiums zu Aachen (Aachen 1976) S.10-14
7) vgl. L.Kunz, "Veni Creator Spiritus", in: LThK, Bd.10 Freiburg/Br.1965) Sp.665-666
8) vgl. Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum, Definitionum et Declarationum (Friburgi/Br.1963) Nr.682