Christi Himmelfahrt
gehalten in St. M. Loreto, am 21.5.1998
Ich möchte dieses Fest charakterisieren als Tag der Freude für Christus und als Tag der Hoffnung für uns Christen:
1. Der Himmelfahrtstag, ein Tag der Freude für Christus: 40 Tage sind vergangen, seitdem der Herr Jesus in seiner Auferstehung glorreich und verklärt als Sieger über Tod, Sünde und Hölle aus dem Grab hervorgegangen war. Wie haben sich die Apostel in diesen paar Wochen jedesmal gefreut, wenn der Auferstandene im verklärten Leib plötzlich bei ihnen auftauchte, sei es auf dem Weg nach Emmaus, sei es im Abendmahlssaal, sei es in Galiläa am See Genesareth oder auf einer der Bergeshöhen. Wie mögen die Apostel da den Worten des geliebten Meisters gelauscht haben, wenn Er ihnen seine Aufträge erteilte und ihnen ein letztes Mal die Geheimnisse des Reiches Gottes erklärte. Nun ist der Herr ein letztes Mal unter ihnen erschienen. Im gleichen Saal, in welchem er vor sechs Wochen, auch an einem Donnerstag, am Gründonnerstag, mit ihnen das Letzte Abendmahl gefeiert, das Altarssakrament eingesetzt, den Aposteln die erste hl .Kommunion gespendet und sie zu Priestern geweiht hatte. Und wie damals führte sie der Herr nun hinaus auf den Ölberg. Damals war es ein Hinausgehen in tiefer Traurigkeit und Niedergeschlagenheit: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod!“ Es ging ja in das bittere Leiden hinein, das am Ölberg seinen schmerzlichen Anfang nahm im Blutschweiß der furchtbaren Todesangst. Diesmal aber sollte der Weg auf den Ölberg in die größte Freude hineinführen, hin zur siegreichen Verherrlichung in der Glorie des Himmels.
Oben, auf der Höhe des Ölbergs angekommen, sprach Jesus ein letztes Mal zu den Aposteln; er erteilte ihnen einen letzten Auftrag: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Geht hinaus in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie...“. Dann fügte er noch ein letztes, kostbares Versprechen hinzu: Auch wenn ich jetzt von euch scheide, ich bin und bleibe trotzdem bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!
Dann breitete der Herr seine Arme aus, um der kleinen Schar seiner Getreuen seinen Segen zu spenden. Und nun erhob er sich aus eigener Macht, er schwebte empor über die Häupter der Apostel, höher und höher. Unwillkürlich fielen wohl die Apostel auf die Knie und beteten den entschwindenden göttlichen Meister an. Und während sie dem Herrn nachschauten, schaute wohl umgekehrt Jesus ein letztes Mal herab: Ihm bot sich jetzt, je höher er emporstieg, eine umso herrlichere Aussicht auf das Land das nun ausgebreitet unter ihm lag. Da grüßten vom Süden her die Häuser von Bethlehem herüber, wo er vor 33 Jahren in einem Stall sein Erdenleben begonnen hatte. Dort zog der Jordan sein graubraunes Band durch die wüstenreiche Ebene, jener Jordanfluss, in welchem er sich demütig hatte taufen lassen. Dort lag der See Genesareth, dessen sturmgepeitschte Wogen er mit seinem Wort der Allmacht gestillt hatte. Und da lagen der Reihe nach die vielen Städte und Märkte und Dörfer in Judäa und Samaria und Galiläa, in denen er gepredigt, Kranke geheilt und Tote zum Leben erweckt hatte. Und da drüben vor den Stadtmauern von Jerusalem stand die kahle Kuppe des Kalvarienberges, auf dem er am Karfreitag im bitteren Leiden und einsamen, schmerzvollen Tod am Kreuze sein kostbares Blut zur Erlösung der sündigen Menschheit vergossen hatte. Welche Flut von Erinnerungen mag bei diesem letzten Blick herab auf die entschwindende Erde auf ihn, den Heiland und Erlöser, eingestürmt sein. Das in den 33 Jahren Erlebte und Erlittene ist nun vorbei. Das Werk, das der Vater ihm aufgetragen und dessentwegen der Sohn in die Welt gekommen war, ist nun vollendet. Die Aufgabe, die ihm gestellt worden war, zu suchen und zu retten, was verloren war, ist nun vollbracht. Nun geht es zurück zum Vater, von dem der Sohn ausgegangen war. Das Werk ist vollendet, die Aufgabe ist vollbracht, nun zieht der Menschensohn als Sieger, als Triumphator in die ewige Herrlichkeit ein. Nach einem Leben tiefster Erniedrigung, bittersten Leidens und größter Schmach darf Jesus nun zurückkehren zum Vater. Sein Herz schlägt höher vor Freude, die durch kein Leid mehr getrübt werden kann: wieder beim Vater sein, wieder daheim sein und Besitz ergreifen von der Herrlichkeit der ewigen Glorie als König der Könige, in dessen Namen sich alle Knie beugen müssen im Himmel, auf Erden und unter der Erde. Ja, wir können es verstehen, wenn sich der Herr heute freut. Er ist ja nicht nur wahrer Gott, sondern auch wahrer, echter Mensch. Er hat ja bereits zu den Aposteln in seiner Abschiedsrede im Abendmahlssaal gesagt: Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, denn ich gehe zum Vater!
Tag des Sieges, Tag des Triumphes, Tag der Verherrlichung ist der Himmelfahrtstag für Christus! Wahrlich, ein Tag der Freude!
2. Und während der Heiland Einzug hielt in der Himmelsherrlichkeit, schauten ihm die Apostel nach, wie Kinder, die sich an etwas besonders Schönem nicht satt sehen können. Unverwandt blicken sie ihm nach, auch noch, als eine heraufziehende lichte Wolke den Herrn ihren Blicken entzog. Noch immer können sie ihre Augen nicht vom Himmel wegwenden, regungslos vor Staunen, bis zwei Männer in weißem Gewand kommen und sie gleichsam wachrütteln: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel hinauf?“ Ja, warum sollten sie denn nicht hinaufschauen? War es doch ihr Herr und Meister, der da auffuhr! War es doch die große Stunde in ihrem Leben, die für sie einen gewissen Abschluss eines Lebensabschnittes, aber noch mehr einen neuen Anfang bedeutete: Nun gingen sie, leuchtend vor stiller Freude, hinab den Berg. Auch wenn ihre Sehnsucht bei ihrem Meister im Himmel weilte, sie wussten um ihre Aufgabe, sie freuten sich über den großen Werktag, der vor ihnen stand. Sie freuten sich, für den göttlichen Meister arbeiten und schaffen zu dürfen, und freuen sich in heiliger Sehnsucht auf den verheißenen Hl. Geist, der ihnen bei ihrer Arbeit beistehen und helfen würde. Jedenfalls, seit die Apostel den Herrn in den Himmel auffahren sahen, wussten sie um das leuchtende Ziel, das vor ihnen lag...
So wurde der Himmelfahrtstag in der Freude des Herrn auch zu einem Tag der Freude für die Apostel und mit ihnen zusammen doch auch zu einem Tag der Hoffnung für alle Christen, für uns alle, die wir an Christus, an die von Ihm vollbrachte Erlösung und an die ewige Heimat im Himmel glauben, die unser großes, letztes Ziel ist. Denn das Wort des Heilands an die Apostel gilt ja auch uns: Ich kehre heim zum Vater, um euch im Himmel eine Wohnung zu bereiten. Auch unser Ziel, auch unsere Heimat ist der Himmel. Auch bei uns soll, wie bei Christus, nach Kreuz und Leid des Erdenlebens der ewige Lohn des Himmels folgen. So ruft uns der heutige Festtag ein mächtiges „Sursum corda!“ zu: Aufwärts die Herzen! Dort, wohin wir den Herrn und Heiland auffahren sehen, ist auch unseres Lebens Ziel. Von dort fällt Licht und Kraft herein auf unseren Lebensweg und auf unsere Lebensarbeit. So wollen wir uns am heutigen Fest erfüllen mit echter, tiefer Freude über den Triumph unseres Herrn und Heilands, der nun zur Rechten des Vaters auch in seiner menschlichen Natur als König der ewigen Glorie thront. Wir wollen uns am heutigen Fest aber auch wieder erfüllen mit froher, hoffnungsvoller Sehnsucht nach der ewigen Heimat, weil wir hier auf Erden keine bleibende Stätte haben. Ein Tag der Hoffnung muss dieses Fest für uns Christen sein! Wir dürfen uns nicht wie Maulwürfe in diese vergängliche Erde verbohren wie Menschen, die nicht über diese kurze Erdenzeit hinausdenken. Uns muss gelten, was Paulus den jungen Christen von Kolossä geschrieben hat: „Sucht das, was oben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters thront! An das, was oben ist, denkt, nicht nur an das Irdische! ... Wenn dann einmal Christus, unser Leben, hervortreten wird vor aller Augen, so werdet auch ihr hervortreten in Herrlichkeit!“