5. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr A (!)

gehalten im Hohen Dom zu Salzburg am 17.Mai 1981

 

Jene von Ihnen, die einmal besinnlich und mit offenen Augen die älteste Kirche Salzburgs, die Stiftskirche der Erzabtei St. Peter betreten haben, denen ist sicher das großartige frühromanische Portal aufgefallen: In der sogenannten Lunette ist Christus, der Auferstandene und erhöhte Herr dargestellt. Um das Bild Christi im Bogen herum ist ein ungemein sinnvoller lateinischer Spruch. Es sind Worte, die Christus selbst in den Mund gelegt werden: “JANUA SUM VITAE, SALVANDI QUIQUE VENITE, PER ME TRANSITE. VIA NON EST ALTERA VITAE!“ Zu Deutsch: „Ich (Christus) bin das Tor zum Leben. Ihr alle, die Ihr gerettet werden sollt, kommt und geht durch Mich hindurch. Es gibt keinen anderen Weg zum Leben“.

 

In diesem Spruch sind großartig die Hauptthemen des Evangeliums vom vorigen 4. und heutigen 5. Sonntag in der Osterzeit zusammenkomponiert. Am letzten Sonntag war das Evangelium, in welchem Jesus Christus uns gesagt hat: „Ich bin die Türe, durch die man zur wahren Herde und in den rechten Schafstall hineingelangt.“ — Heute bringt Christus im Evangelium wieder ein solches Bild. Er sagt, dass Er der Weg ist, der zum Vater und zur wahren Heimat führt.

Christus – die Türe zur wahren Herde; Christus – der Weg zum Vater.

Denken wir ein wenig über das nach, was uns da aus der Abschiedsrede Jesu im 14. Kapitel des Johannes-Evangeliums zur besinnlichen Meditation vorgelegt wird. Es sind so vielsagende Worte, über denen ergreifende Abschiedsstimmung liegt und in denen die selbstlose Liebe des Guten Hirten zu seinen Schafen spürbar wird.

 

1. Zuerst tröstet Jesus jene, die nach seinem Tod und seinem Heimgang zum Vater auf Erden als seine Stellvertreter, als Hirten seiner Herde, sein Werk in der Kirche fortsetzen sollen. Er sagt ihnen: „Euer Herz sei ohne Angst! Glaubt an Gott und glaubt an Mich!“

Ja, wer wirklich tief und stark an Gott glaubt und ebenso tief und stark und voll Vertrauen an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, den gekreuzigten und auferstandenen Heiland und Erlöser, der braucht eigentlich keine Angst und keine Furcht zu haben. Es mögen auch dunkle, schwere, harte, leidvolle Stunden im Leben daherkommen (- wie jetzt so plötzlich und unerwartet im Leben von Papst Johannes Paul II. nach diesem mörderischen Attentat am vergangenen 13. Mai 1981), immer wird der rechte, starke Gottesglaube, der rechte, tiefe Christusglaube Halt und Trost, Kraft und Stütze sein, um das Leben zu meistern und alle Schwierigkeiten des Lebens überwinden zu können und auch einem scheinbar total sinnlosen Geschehen noch einen tiefen Sinn abzugewinnen.

 

2. Christus spricht dann davon, dass Er bei seinem Weggehen aus dieser Welt nur zum Vater vorausgehe: „Ich gehe hin, um euch einen Platz zu bereiten. Und wenn Ich hingegangen bin und euch einen Platz bereitet habe, dann komme Ich wieder und werde euch zu Mir holen, damit auch ihr dort seid, wo Ich bin!“

Das ist wieder ein ungemein tröstliches Wort für das christliche Leben und christliche Sterben: Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist uns vorausgegangen. Er ist schon in der Herrlichkeit beim Vater. Dort, ja dort und nirgends sonstwo, ist auch unser letztes Ziel, unsere wahre Heimat. Hier auf Erden haben wir keine bleibende Stätte. „Wir sind nur Gast auf Erden“, nur Pilger zur wahren Heimat. Wehe dem Menschen, der das nicht erfasst und meint, sich auf Erden so festsetzen, förmlich festkrallen zu können, dass er hier ewig bleibt. Nein, hier sind wir letztlich nur Fremdlinge und Pilger, Gastarbeiter allesamt! Die großen, wahrhaft gläubigen Menschen, voran die Heiligen, haben diese Tatsache, ohne einer falschen Weltfremdheit zu verfallen, immer vor Augen gehabt. Ich denke da an den ersten Papst, den hl. Petrus. Er hat, — den Tod schon vor Augen— in seinem 2. Brief(2 Petr 1,14) geschrieben: „Ich weiß, dass mein Zelt bald abgebrochen wird.“ Ähnlich drückt sich der hl. Paulus im 2 Kor 5,1 aus: „Wir wissen, dass wir dann, wenn unser irdisches Wohnzelt abgebrochen wird, einen Bau von Gott empfangen, ein nicht mit Händen errichtetes ewiges Haus im Himmel!“

Diese bildliche Sprache über den Tod hat sich bekanntlich die Kirche in der Totenpräfation zu eigen gemacht, wenn sie da betet: „Deinen Gläubigen, o Herr, kann ja das Leben nicht geraubt werden‚ es wird nur neu gestaltet. Und wenn die Herberge ihres Erdenpilgerns in Staub zerfällt, steht ihnen eine ewige Heimat im Himmel offen.“

Jeder Mensch ist auf Pilgerfahrt auf Erden und das ganze Volk Gottes, die Kirche ist, wie das II. Vaticanum stark betont hat, eine pilgernde Kirche. Da und dort schlagen wir provisorisch — gleichsam wie auf einem Campingplatz - unser Zelt auf. Dann aber, bisweilen sehr plötzlich und schnell, wird dieses Zelt wieder abgebrochen. Hier gibt es keine bleibende Stätte.

Unser Trost aber liegt darin: Der Herr ist uns in seiner Auferstehung und Himmelfahrt zur wahren, bleibenden, ewigen Heimat vorausgegangen und Er will, dass auch wir dort seien, wo Er jetzt ist. In der Todesstunde kommt Er und holt uns ab. Glücklich der Mensch, der so das Leben und Sterben auffaßt!

 

3. Nun sagt Christus weiter in seiner Abschiedsrede: „Ihr kennt den Weg, wohin Ich gehe!“ Da schaltet sich sogleich der Zweifler Thomas in das Gespräch ein und macht die Bemerkung: „Herr, wir wissen nicht, wohin Du gehst. Wie sollen wir da den Weg wissen?!“ Und darauf Christus: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! Niemand kommt zum Vater außer durch Mich!“

Es ist das wieder ein ungemein tröstliches Wort, in welchem der Herr selber uns sagt, was Er für uns ist: Weg, Wahrheit und Leben. Es käme immer nur darauf an, das ernst zu nehmen und bewusst in sein kurzes Erdenleben einzubauen. Tagtäglich. So hat es der verstorbene Passauer Theologieprofessor und früher viel gelesene religiöse Schriftsteller Ignatius Klug gemacht in seinem Morgengebet, das er seinen jungen Leuten, die er zu erziehen und beruflich auszubilden hatte, aus eigener Lebenspraxis beigebracht hat. So fängt dieses Morgengebet an: „Herr, dieser Tag und was er bringen mag, sei mir aus deiner Hand gegeben, Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Du bist der Weg, ich will ihn gehen. Du bist die Wahrheit, ich will sie sehen. Du bist das Leben. Mag mich umwehen Kühle und Glut. Alles ist gut, so wie es kommt. Gib, dass es mir frommt. In Deinem Namen beginn‘ ich. Amen.“

 

Christus - der Weg. Diesen Weg gilt es zu kennen und zu gehen, er führt sicher zum Ziel. Den Weg kennen. Machen wir uns das klar am modernen Leben: Wenn man heutzutage in eine moderne Großstadt etwa mit dem Auto hineinführt, in der man noch nie gewesen ist, hat man seine großen Schwierigkeiten, ob das nun die Einbahnen oder andere unbekannte Umstände sind. Man hat eine Adresse, wo derjenige wohnt, den man aufsuchen muss. Man möchte fragen. Aber man kann nicht halten. Denn dichte Reihen parkender Autos an allen Straßenrändern. Und wo zufällig kein Auto geparkt steht, da ist sicher ein Halteverbot. Man kommt mit dem Wagen an eine Ampel mit rotem Licht, dreht schnell die Scheibe herunter, und fragt einen Vorübergehenden. Der zuckt die Schulter: „Tut mir leid, bin selber fremd hier!“ Auf der Ampel ist es inzwischen grün geworden. Die Fahrt mit dem Wagen geht weiter. Hinter mir hupen schon die anderen. Man versucht es rechts herum, um in die richtige Straße der angegebenen Adresse zu kommen. Falsch. Nun wird es links herum probiert. Und das Ergebnis? Man ist plötzlich wieder da, wo man schon vor einer halben Stunde war. Endlich findet man eine Parklücke. Nun fragt man sich zu Fuß mühsam durch zur richtigen Straße und zur angegebenen Adresse. Endlich, nach langen Irrwegen ist man an Ort und Stelle.

 

Geht es im religiös — sittlichen Leben vielen Menschen heute nicht ähnlich? Was wird herumprobiert und herumgesucht, um dem Leben den rechten Sinn, die rechte Orientierung zum Ziel zu geben. Aber so viele Umwege und Irrwege! Christus tritt da vor uns hin und sagt: „Ich bin der Weg!“ Er führt direkt zum Ziel, zum Vater und ins Vaterhaus!

Schade, dass dies heute viele nicht mehr wahrhaben wollen und es nie oder nur sehr spät erkennen. Sich in der heutigen Welt und Zeit mit ihren verwirrenden Auskünften auf religiös — sittlichen Gebet und mit ihren verschiedensten, vom eigentlichen Ziel ablenkenden Angeboten zurechtzufinden, ist heute wahrlich oft nicht leicht!

Aber wir alle, die wir Christen sind, hätten seit der Taufe die rechte Adresse bei uns, wo wir hinfinden und landen müssen. Im Hause des Vaters. Der Weg aber zum Vater ist Christus. Wer Ihn in seinem Wort, in seinem Geheimnis, in seiner Kirche gefunden hat, der ist auf dem rechten Weg.

Christus kennenlernen! Denn wenn wir Ihn erkannt haben, dann haben wir auch den himmlischen Vater erkannt, der unser letztes Ziel ist.

Leider gilt das, was Christus damals tadelnd zum Apostel Philippus gesagt hat, auch vielen von uns: „Schon so lange bin ich bei euch und ihr kennt Mich immer noch nicht?“ Wir kennen Ihn viel zu wenig, wir kennen sein Wort, seine Wahrheit mit der einzig richtigen Sinngebung für unser kurzes Erdenleben und mit der einzig richtigen Orientierung für unser Ziel viel zu wenig. Er bietet uns sein Wort, seine Gnade, seine Sakramente als kostbare Wegweisung und Hilfe auf unserer Erdenpilgerfahrt an. Er ist der Weg! Halten wir uns daran. Amen