5.Ostersonntag – A

gehalten in St. M. Loreto und im Hohen Dom zu Salzburg

am 23.4.1978

 

Das heutige SoEv ist ein Stück aus den Abschiedsreden Jesu beim Letzten Abendmahl: Damals, vor seinem Leiden und Sterben wollte der Herr mit diesen Worten seinen Jüngern Mut machen. Die Kirche erinnert uns an diese Abschiedsworte Jesu jetzt, vor dem nahen Fest der Himmelfahrt Christi, um auch uns Mut zu machen in aller Angst und Einsamkeit und um uns das wahre Ziel unserer kurzen Erdenpilgerfahrt und den Weg zu diesem Ziel aufzuzeigen.

Die ersten Worte in diesem Teil der Abschiedsreden Jesu klingen wie ein Trostlied: "Euer Herz sei ohne Angst! Glaubt an Gott und glaubt an Mich!"

Euer Herz sei ohne Angst! Ist das nicht ein zu billiger Trost, wo doch so viel Angst in den Menschen von heute steckt? Angst vor der Einsamkeit, die den Menschen - nicht bloß den alten, auch den jungen - oft so schrecklich befallen kann; Angst vor der Sinnlosigkeit des Lebens; Angst vor der Feindseligkeit der Welt; Angst vor den 'Mächten und Gewalten' des Bösen, auch wenn man deren personale Existenz nicht wahrhaben will; Angst vor Terror und Verlust der Freiheit und des Lebens, wenn wir etwa an den erschütternden Fall des italienischen Staatsmannes Aldo Moro denken. Und dazu die Angst vor so viel Ungewissheit und Ungeschütztheit! Wie schnell kann man doch aus allen scheinbaren Sicherungen herausgeworfen werden! Wie schnell werden alle irdischen Ziele fragwürdig! Wie schnell können Angst und Verwirrung den Menschen bis an die Wurzeln seiner Existenz erschüttern! - So erging es damals den Jüngern Jesu vor und in der Passion ihres Meisters. So ergeht es gar vielen Menschen immer wieder: Man hat sich ein rein innerweltliches Ziel gesetzt, man hat sich eine Existenz aufgebaut; da zerbricht auf einmal alles; auf einmal wird alles so fragwürdig und sinnlos, an das man sich so geklammert hat. - Verunsichert und einsam, seelisch zermürbt und verlassen steht man plötzlich vor einem Scheiterhaufen seiner großen Pläne, trostlos und verlassen, allein gelassen und bitter einsam.

Da hinein klingt nun das Trostwort Jesu: "Euer Herz sei ohne Angst! Glaubt nur an Gott und glaubt an Mich!" Dabei zeigt dann Jesus die alle Schrecken und Ängste überwindende Kraft des Glaubens auf, indem Er darauf hinweist, dass es über die Brüchigkeit und Vergänglichkeit unserer irdischen Existenz hinaus noch eine andere Dimension unseres Daseins gibt: nämlich das große, letzte, herrliche Ziel, für das wir erschaffen und bestimmt sind und zu dem hin Er, Jesus Christus, uns Wegweiser und Weg sein will. Christus sagt es uns heute: Unser letztes Ziel ist nicht das Nichts und das absolute Ende, wie viele heute meinen, sondern das ewige Glück in der unzerstörbaren, beglückenden Geborgenheit beim Vater im Himmel: "Im Hause Meines Vaters sind viele Wohnungen", sagt Jesus und Er ist hingegangen, um uns dort einen Platz zu bereiten. Jesus fügt dann noch mit absoluter Sicherheit, die keinen Zweifel zulässt, hinzu: "Ich komme wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dann dort seid, wo Ich bin!" Auf den Heimgang Jesu zum Vater in die himmlische Herrlichkeit soll also unsere Heimholung folgen im Tod, der nicht Ende, sondern der Anfang des eigentlichen, wahren, ewigen Lebens sein wird, wenn wir geglaubt und aus dem Glauben unser Erdenleben gemeistert und uns im Glauben bewährt haben.

"Heimgang Christi und Heimholung der Christen", so könnte man also diesen Abschnitt der Abschiedsreden Jesu überschreiben.

Jesus erklärt dabei dann noch, dass jene Jünger, die wahrhaft an Ihn glauben, ja das Ziel kennen und den Weg, der zu diesem Ziel, das jenseits der Todeslinie liegt.

Da hakt nun der Zweifler unter den Aposteln, Thomas, ein. Er vertritt dabei uns alle, die wir immer wieder von Zweifeln über Weg und Ziel über den Tod hinaus befallen werden: "Herr, wir wissen doch nicht, wohin Du gehst. Wie sollen wir da den Weg kennen?!"

Darauf gibt Jesus dem Zweifler Thomas und allen durch Glaubenszweifel verunsicherten und allen für die Wahrheit der jenseitigen Wirklichkeit blind gewordenen Menschen die Antwort: "ICH bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch MICH!"

Ein Dreifaches steckt in diesen Worten Jesu: 1. erklärt Er, dass Er selbst das ist, wonach Thomas gefragt hat: "Ich bin der Weg!" Dazu gibt Jesus 2. noch die Versicherung, dass man auf diesem Weg, also durch Ihn, sicher zum Ziel, zum Vater im Himmel gelangt. Und 3. spricht Jesus noch die Aufforderung aus, wir alle sollten diesen Weg zum Ziel auch wirklich einschlagen: "Ich bin der Weg zum Vater. Zum Vater gelangt man auf dem Weg, der Ich bin. Geht nur diesen Weg! Dann mündet euer Erdenleben nicht in die Sinnlosigkeit und in das Nichts, sondern in die Herrlichkeit des ewigen, ewig seligen Lebens beim Vater im Himmel!"

Da schaltet sich jetzt noch ein anderer Apostel, Philippus, in den Dialog ein: Er ist von Sehnsucht nach diesem Vater–Gott, den Jesus während seiner öffentlichen Lehrtätigkeit immer wieder in so warmen Farben in seiner ganzen beglückenden Güte und Liebe geschildert hat, zutiefst gepackt und bricht in die Bitte aus: "Herr, zeig uns doch den Vater und es genügt uns!"

Darauf folgt fast zurechtweisend wieder die Antwort Jesu: "Philippus, wer Mich gesehen hat, hat auch schon den Vater gesehen. Wie kannst du nur sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du denn nicht, dass Ich im Vater bin und dass der Vater in Mir ist?"

Unser Erdenleben, unser Erdenpilgerweg - ein Gehen zum Vater mit und durch Christus der der Weg zum Vater ist!

Wenn doch wir alle, die wir uns Christen nennen, wieder viel mehr und viel stärker, viel fester daran glauben und uns nicht wie Maulwürfe in das Irdische, Materielle, Vergängliche so verbohren würden! So viele Menschen entwerfen für ihr kurzes Erdenleben ein Ziel nach dem andern und bahnen sich die Wege dahin. Dabei werden sie doch immer wieder enttäuscht, weil ihnen so oft - und dies oft ganz plötzlich - alles zerbricht oder zerschlagen wird und weil sich viele dieser selbstgesteckten innerweltlichen Ziele als Luftschlösser herausstellen oder wie Seifenblasen zerplatzen. Das Ziel aber, das Jesus Christus uns Menschen unter Hingabe seines Lebens im Opfertod am Kreuze aufgezeigt hat, hält man leichtfertig für eine Utopie, für eine Fata morgana. Und doch ist es das einzig wahre Ziel. — Und der Weg zu diesem Ziel ist Er, Christus, der einzig wahre und sichere Weg, auch wenn viele Menschen heute diesen Weg für eine alte, zerfurchte, holprige, stillgelegte Straße halten neben den kühnen Autobahnen des Lebens, auf denen diese Menschen ins Blaue dahinrasen. Dabei stellt sich bei solchen Menschen dann, wenn bei Schicksalsschlägen und Heimsuchungen oder mindestens in der Todesstunde alle selbstgesteckten Ziele sich in Sinnlosigkeit auflösen, Ratlosigkeit, Verwirrung und seelische Erschütterung ein. Es geht solchen Menschen dann wie jenen, die im alttestamentlichen Buch der Weisheit bekennen mussten: "Wir Toren hielten das Leben der Gerechten, der Gläubigen, für Unsinn und ihr Ende für glücklos und ehrlos. Nun aber sehen wir, wie sie unter die Kinder Gottes gezählt werden und ihr Anteil unter den Heiligen das unzerstörbare Glück in der ewigen Heimat ist!"

Kehren wir zurück zum Anfang des heutigen SoEv mit dem letztlich doch einzig wahren Trost, den uns da der gekreuzigte und auferstandene Herr zu geben weiß: "Euer Herz sei ohne Angst! Glaubt an Gott und glaubt an mich!" Das heißt: Glaubt an den Vater, der euer letztes Ziel ist, und glaubt an Mich, der ich der Wegweiser und der Weg zu diesem letzten Ziel bin. Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen... Ich gehe hin, um euch einen Platz zu bereiten...Ich komme dann wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin."

Die Herrlichkeit beim Vater, die Seligkeit im Himmel unser Ziel. Christus der Weg zum Ziel! Glauben wir an das Ziel! Glauben wir an den Weg zum Ziel, und gehen wir diesen Weg, der wirklich zum Ziel führt, damit dann einmal das in Erfüllung geht, was der Grazer Telefonseelsorger so großartig in seinem Gedichtband "Der tanzende Job" so formuliert hat:

 

 

Er führt uns heim (frei nach Psalm 126)

 

Wenn Gott uns heimführt

aus den Tagen der Wanderschaft,

uns heimbringt aus der Dämmerung

in sein beglückendes Licht,

das wird ein Fest sein!

Da wird unser Staunen

von neuem beginnen.

Wir werden Lieder singen,

Lieder, die Welt und Geschichte umfassen.

Wir werden singen, tanzen

und fröhlich sein:

Denn Er führt uns heim:

aus dem Hasten in den Frieden

aus der Armut in die Fülle.

 

Wenn Gott uns heimbringt

aus den engen Räumen,

das wird ein Fest sein!

Und die Zweifler werden bekennen:

Wahrhaftig, ihr Gott tut Wunder!

Er macht die Nacht zum hellen Tag;

Er lässt die Wüste blühen!

Wenn Got uns heimbringt

aus den schlaflosen Nächten,

aus dem fruchtlosen Reden,

aus den verlorenen Stunden,

aus der Jagd nach dem Geld,

aus der Angst vor dem Tod,

aus Kampf und aus Gier,

wenn Gott uns heimbringt,

das wird ein Fest sein!

Dann wird er lösen

die Finger der Faust,

die Fesseln, mit denen wir uns

der Freiheit beraubten.

Den Raum unseres Lebens wird Er weiten

in alle Höhen und Tiefen,

in alle Längen und Breiten

seines unermesslichen Hauses.

Keine Grenze zieht Er uns mehr.

Wer liebt, wird ewig lieben!

 

Wenn Gott uns heimbringt,

das wird ein Fest sein.

Wir werden einander umarmen und zärtlich sein.

Es werden lachen

nach langen Jahren der Armut,

die Hunger gelitten.

Es werden singen

nach langen unfreien Nächten

die von Mächten Gequälten.

Es werden tanzen die Gerechten,

die auf Erden gekämpft und litten

für eine bessere Welt!

 

Wenn Gott uns heimführt,

das wird ein Fest sein!

Den Verirrten werden die

Binden von den Augen genommen.

Sie werden sehen.

Die Suchenden finden endlich ihr Du.

Niemand quält sie mehr

mit der Frage „Warum“.

Es werden verstummen,

die Gott Vorwürfe machten.

Wir werden schauen

ohne je an ein Ende zu kommen.

Wenn Gott uns heimführt,

das wird ein Fest sein!

Der Mensch sät in Betrübnis,

er leidet und reift!

Es bleibt sein Ende

ein Anfang!

Wer sät in Betrübnis,

wird ernten in Freude.

Denn Gott, unser Gott,

ist ein Gott der ewigen Schöpfung,

ein Gott,

der mit uns die neue Erde,

den neuen Himmel gestaltet.

Er lässt uns kommen und gehen,

lässt uns sterben und auferstehen.

Der Sand unserer irdischen Mühsal

wird leuchten.

Die Steine,

die wir zusammentrugen

zum Bau unserer Welt,

sie werden wie Kristalle glänzen.

Wir werden uns freuen

wie Schnitter beim Ernten.

Wenn Gott uns heimbringt

aus den Tagen der Wanderschaft,

das wird ein Fest sein!

Ein Fest ohne Ende!