4. Ostersonntag - B

Muttertag und Tag der geistlichen Berufe

gehalten in St. M. Loreto und im Hohen Dom zu Salzburg

am 9. Mai 1976

 

Der Dichter der Salzburger Landeshymne "Land unsrer Väter, laß jubelnd dich grüßen, Garten, gehütet vom ewigen Schnee...",“ der fromme Priester und Katechet Anton Pichler, der ganz in der Nähe des Domes, in der Salzburger Brodgasse geboren wurde, hat uns neben anderen schönen Gedichten folgenden Vers geschenkt, den ich heute, am Muttertag, an den Anfang meiner Predigt setzen möchte: "Bevor ein Kind zur Welt erwacht,/ hat Gott ihm längst schon zugedacht/ ein Herz, das wie kein andres treu/ und Tag für Tag sein Schützer sei: die Mutter!“

Muttertag ist heute. Warum sollte der Prediger am heutigen Tag - auch wenn das nicht zur Liturgie des heute treffenden 3. Sonntags nach Ostern dazugehört - in der Predigt nicht auch ein paar Gedanken über christliche Mutterschaft aufzeigen, gar wo wir heute in einer Zeit leben, in der leider viele Frauen -  Gott sei es geklagt! - nicht an das Wecken, Hüten und Hegen des Lebens im Mutterschoß denken, sondern an das Vernichten des Lebens durch eine teuflische Fristenlösung oder an Verhütung neuen Lebens durch die Anti-Baby-Pille, die die Völker Mitteleuropas, wie sich schon sehr deutlich zeigt, zu sterbenden Völkern macht.

Das heutige Sonntagsevangelium bringt eine Variation zu dem immer wieder ergreifenden Gleichnis Jesu vom Guten Hirten mit dessen selbstloser Sorge für die ihm anvertrauten Schafe. Ob man dieses Gleichnis heute nicht abändern und anwenden dürfte auf die Mutter des Guten Hirten Jesus Christus und auf alle christlichen Mütter, die es mit ihrer Mutterschaft und mütterlichen Verantwortung nach dem Beispiel der Gottesmutter noch ernst nehmen?

Versuchen wir diese Abänderung des Gleichnisses! Statt: "Jesus sprach: Ich bin der Gute Hirte..." könnten wir dann sagen: "Maria sprach: 'Ich bin die gute Mutter des Guten Hirten. Die gute Mutter gibt das Leben den Kindern und gibt, wenn nötig, wie der Gute Hirt das Leben für die Kinder. Die Dirne aber, die eigentlich gar nicht Mutter ist, weil sie lieber ihr Kind im Mutterschoß mordet oder dann, wenn sie es dennoch widerwillig ausgetragen hat, es verantwortungslos im Stiche lässt und flieht, wenn für das Kind Gefahren und Verführer drohen - sie flieht, weil sie nur Dirne ist und ihr am Kind und seinem Heil und Wohl nichts liegt. Ich bin die gute Mutter des Guten Hirten. So wie er kenne auch ich die Meinen, und die Meinen kennen mich. Und ich gebe mein Leben für meine Kinder. Ich habe neben den guten, braven, folgsamen Kindern noch andere, die schwierig sind. Auch sie muss ich retten und umsorgen. Sie werden meine Stimme hören. Dann wird es nur eine Familie in Einheit und Liebe geben.

Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben gebe... Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen!"

Seht, so könnte man das heutige Gut-Hirten-Gleichnis Jesu umgestalten und auf unsere guten Mütter anwenden, voran auf die beste aller Mütter, Maria. So manche Mutter habe ich im Lauf meiner 38jährigen priesterlichen Seelsorgsarbeit auf den verschiedenen Posten kennengelernt, die tatsächlich nach dem Vorbild des Guten Hirten und seiner jungfräulichen Mutter Maria ihr Leben willig und gern in Liebe und Sorge für ihre Kinder hingegeben hätten. Leider ist mir auch da und dort manche Frau untergekommen, die, auch wenn sie widerwillig Kindern das Leben geschenkt hat, dennoch keine rechte Mutter war. Am Muttertag muss ich immer an jene junge Frau denken, die ich bei der mir eine Zeit lang nach dem II. Weltkrieg übertragenen Gefangenenseelsorge kennengelernt habe. Sie musste wegen eines schweren Verbrechens eine relativ lange Kerkerstrafe abbüßen. Als sie dann entlassen wurde, sagte ich ihr zum Abschied noch ein paar gutgemeinte priesterliche Mahnungen. Da kam es spontan wie ein reißender Wildbach aus ihrem Mund herausgeschossen: "Hochwürden, Sie haben leicht reden, Sie haben sicher eine gute Mutter gehabt, aber meine Mutter war keine Mutter!"

Furchtbar, wenn ein junger Mensch das von seiner Mutter behaupten muss! Glücklich der Mensch aber, der es im reifen Alter dem hl. Augustinus nachsprechen kann: "Alles, was ich geworden bin, verdanke ich nach Gott meiner Mutter!"

Beachten wir heute aber auch noch dies: Es geht nicht nur um die leibliche, physische Mutterschaft, sondern auch und eigentlich noch mehr um die geistig-geistliche Mutterschaft und Mütterlichkeit im dienenden Helfen, damit Kinder, Jugendliche, die heute so vielen und großen sittlichen Gefahren ausgesetzt sind, in der rechten Weise zu echten Persönlichkeiten und ganzen Christen heranreifen können. Da wollen wir heute auch an all jene Frauen denken, die sich mütterlich in der heute so schwierig gewordenen, rechten, christlichen Erziehung von Kindern und Jugendlichen abmühen. Wie schwer ist doch diese Aufgabe geworden in einer Zeit des sittlichen Niedergangs und Verfalls!

Das Leben hüten, hegen, pflegen als mütterliche Aufgabe, das gilt dann nicht nur für die Mütter, für die Lehrerinnen und Erzieherinnen, das gilt dann auch als wahrhaft humane und christliche Aufgabe von jenen Berufen, in denen sich Frauen um die Kranken und Alten, Behinderten und Hilflosen selbstlos und opferbereit annehmen. Fast in allen diesen Berufen gibt es heute Mangel an solche Kräften mit wahrhaft mütterlicher Gesinnung in der Nachfolge des Guten Hirten und seiner jungfräulichen Mutter! Der wahre "Schwesternreport" weiß im Gegensatz zu dem, wie er in einem niederträchtigen Film gezeigt wurde, nichts von der traurigen Verallgemeinerung der auf sexuelle, dirnenhafte Befriedigung ihrer Lüste und Süchte bedachten Krankenschwestern zu berichten, sondern von den vielen, vielen, die sich wahrhaft großmütig mütterlich in Liebe um die Kranken, Alten und Behinderten annehmen. Ein Appell an hochherzige, ideal gesinnte junge Mädchen zum beruflichen Engagement als Krankenschwester, als Familienhelferin, als Fürsorgerin und in ähnlichen pflegerischen Berufen wäre am Muttertag auch am Platze, gerade weil heute viele berufstätige Frauen und Mütter ihren mütterlichen Aufgaben nicht mehr voll nachkommen können oder auch nicht mehr wollen.

Zuletzt gehört am heutigen Sonntag noch auf etwas anderes hingewiesen: Der heutige Gut-Hirten-Sonntag ist nämlich durch eigenartiges Zusammentreffen nicht bloß zugleich Muttertag, sondern auch auf Wunsch des Papstes und der Bischöfe Weltgebetstag um geistliche Berufe im Priester- und Ordensstand.

Ich könnte da auf die Wichtigkeit dieses Gebetsanliegens hinweisen mit den Worten des Papstes Paul VI. in seiner Botschaft zum Welttag der geistlichen Berufe 1976. Er schreibt da u.a.: "Geliebte Söhne und Töchter, lasst uns heute zusammen beten in einem ganz wichtigen Anliegen! Die geistlichen Berufe nehmen in der Kirche in letzter Zeit in vielen Ländern immer mehr ab. Jede Berufung in der Kirche ist ein Geschenk Gottes. So viele Wege öffnen sich vor uns, um geistliche Berufe im Priester- und Ordensstand zu wecken. Diese Wege bleiben aber verlassen, wenn man sich nicht entscheidet, sie auch wirklich zu gehen. Wir wissen, dass die Entscheidung für einen geistlichen Beruf nicht allein von der freien Wahl des betreffenden Menschen abhängt. Es ist vielmehr die Gnade Gottes notwendig, der den Menschen ruft, ihn erleuchtet und ermutigt. Deshalb müssen wir beten: Wir bitten Dich, o Herr, Du mögest fortfahren, Deine Kirche zu segnen und sie mit den Gaben Deiner Berufungen reich zu beschenken. Wir bitten Dich, gib, dass viele Deinen Ruf annehmen und die Kirche weiterhin durch die Hochherzigkeit und Treue ihrer Antwort erfreuen mögen.

Solch ein Bittgebet, das uns von den heute erhöhten Erfordernissen der Verkündigung des Evangeliums nahegelegt wird, müsste sich am heutigen Tag in allen kirchlichen Gemeinschaften erheben, die über die weite Welt hin zerstreut sind: in den Pfarreien und Diözesen, in den Seminaren und Instituten, in den Ordensfamilien und Gruppen von Laien, die im Namen Christi versammelt sind. Möge an diesem Tag solch gemeinsames Beten der vorbildliche Ausdruck für den solidarischen Einsatz derer sein, die sich als Teile des einen, geheimnisvollen Leibes Christi und als Zeugen gegenseitiger Gemeinschaft im Glauben und in den guten Werken fühlen. Es muss sich so auf der Höhe des 20. Jahrhunderts dieselbe tröstliche Wirklichkeit der Urkirche wiederholen, da alle einmütig im Gebet verharrten..., während der Herr täglich ihrem Kreis (viele) hinzufügte, die gerettet werden sollten(Apg 1,14 und 2,46-47).“

Statt vieler abstrakter Überlegungen über Wichtigkeit und Notwendigkeit der geistlichen Berufe für die Kirche auch in unserer Zeit sei im Sinn des heutigen Muttertags noch auf christliche Mütter hingewiesen, die auf Grund ihres Beispiels und ihres vielen Gebetes in der eigenen Familie geistliche Berufe geweckt haben: Es kommt mir dabei der Kardinal-Erzbischof Herbert Vaughan in den Sinn. Dieser 1903 verstorbene englische Kirchenführer hatte eine Mutter, die bis zu ihrer Eheschließung nicht einmal katholisch, sondern anglikanisch war. Sie wurde aber dann aus innerster Überzeugung katholisch und nahm ihre Konversion ganz ernst und erfasste den katholischen Glauben und die katholische Frömmigkeit mit der ganzen Glut ihres edlen Herzens. Was sie vor allem auszeichnete, war ihr lebendiger Glaube und ihre tiefe Ehrfurcht und Liebe gegen Christus im Hl. Altarssakrament. Täglich wohnte sie der hl. Messe bei, täglich hielt sie zusätzlich eine Anbetungsstunde vor dem Tabernakel, um gute Priester und Ordensleute zu erbitten. Dabei war sie nicht etwa eine fromme "Betschwester", sondern eine caritativ ungemein aktive und hilfsbereite Frau. Und die Früchte ihres herrlichen Beispiels, ihres jahrelangen beharrlichen Betens und Opferns? Sie sprach nicht bloß 13mal ihr tapferes Ja zu jedem Kind, das sie empfangen und gebären durfte. Sie hätte am liebsten - aus gläubiger Hochschätzung des Priester- und Ordensstandes - alle ihre 13 Kinder freudig Gott wieder zurückgegeben in einem geistlichen Beruf. Und tatsächlich, die fünf Töchter dieser Gemahlin eines englischen Oberst weihten sich dem Herrn im Ordensstand. Von den 8 Söhnen aber wurden 6 Priester, davon stiegen 3 zur bischöflichen Würde empor: der älteste Sohn Herbert wurde Erzbischof von Westminster und Kardinal, eine hochragende Führergestalt der englischen Katholiken um die Jahrhundertwende und Gründer der Millhill—Missionsgesellschaft, der zweite Sohn Roger wurde Erzbischof von Sydney in Australien und der dritte Sohn John wurde Bischof von Sebastopol.

Gewiss gilt hier wie bei jedem Priester- und Ordensberuf, das Christuswort: "Nicht ihr habt Mich erwählt, sondern Ich habe euch erwählt..." Aber auch die menschliche Mitwirkung ist von größter Wichtigkeit. Und wer würde bezweifeln wollen, dass das opferreiche Leben, die ausgezeichnete Frömmigkeit und der beharrliche Gebetseifer von Frau Vaughan, dieser Konvertitin und tapferen Mutter von 13 Kindern, zum Priesterberuf ihrer 6 Söhne und zum Ordensberuf ihrer 5 Töchter ganz entscheidend beigetragen hat?

Danken wir heute allen ähnlich gesinnten christlichen Müttern und beten wir, dass sie in unserer Zeit nicht aussterben, sonst würden wohl auch die Priester- und Ordensberufe in der Kirche allmählich aussterben, was Gott verhüten möge. Amen.