3. Ostersonntag - Die Emmausjünger

gehalten in St. M. Loreto am 1.4.1991

 

Zweifellos eines der schönsten Osterevangelien ist das mit den beiden Emmausjüngern. Vielleicht hat der Evangelist Lukas es selber aus dem Mund des einen der beiden Jünger, der hier Kleophas (Klopas) genannt wird, vernommen. Beide Emmausjünger gehörten nicht zum Apostelkollegium, sondern zum weiteren Kreis der Anhänger Jesu. Sie stammten aus Emmaus, das 60 Stadien von Jerusalem entfernt lag, nach heutiger Berechnung 12 km oder drei Wegstunden von Jerusalem entfernt. Diesem Dorf steuern die beiden Wanderer zu. Gedrückten Herzens gehen sie ihres Weges. Zu viel ist in den letzten Tagen über sie hereingebrochen. Bis zum Karfreitag ist Jesus v. N. für sie der Messias gewesen. Auf ihn haben sie gebaut. Auf ihn ihre nationalen Hoffnungen gesetzt. Sie haben geglaubt, er werde jener sein, der das Land von der römischen Fremdherrschaft befreien werde…

Drei Tage sind jetzt schon vergangen, seitdem er im Grabe liegt. Nichts Entscheidendes ist seither mehr geschehen. Wohl haben einige Frauen Kunde davon gebracht, dass ihnen Engel erschienen seien, die da sagten, dass Jesus lebe. Aber für die beiden Männer war das alles nichts als leeres Weibergeschwätz.

Sie haben nun Jerusalem verlassen und sich auf den Heimweg nach Emmaus begeben. Vergebens versuchten sie jetzt auf dem Weg durch Aussprache über das Geschehene mit all dem Schweren, das sie erlebt haben, fertig zu werden. Sie redeten hin und redeten her. Aber nach echt menschlicher Art redeten sie sich immer noch mehr und immer noch tiefer in ihre Ratlosigkeit hinein. Da, plötzlich hören sie Schritte hinter sich. Jemand holt sie ein und geht neben ihnen her. Wer mag der unbekannte Weggenosse wohl sein. Nach seiner Kleidung zu schließen, ist er ein Pilger, der zum Passahfest nach Jerusalem gekommen ist, wohl aus weiter Ferne, vielleicht gar aus Griechenland. Nach den blauen Quasten an den Zipfeln seines Obergewandes muss es ein gelehrter Rabbi sein. Sie schauen dem Fremden nicht unmittelbar ins Gesicht, sondern sehen ihn nur so von der Seite an, undeutlich. Eigenartig kommt ihnen vor, dass er seine Hände immer in den Falten seines Mantels versteckt. Neugierig sind sie... Doch halt, jetzt spricht der Fremde sie an: Was sind denn das für Reden, die ihr unterwegs miteinander führt?

Da bleiben sie traurig stehen und einer von ihnen, Kleophas, fragt verwundert: „Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem, der nicht weiß, was dort in diesen Tagen geschehen ist? Es ist ihnen einfach rätselhaft, dass einer, der zum Fest in Jerusalem gewesen ist, von all dem, was sich in diesen Tagen dort ereignet hat, nichts wissen soll. Darauf dann der Fremdling? "Ja, was denn?" Kurz sind diese Worte, aber zugleich voll warmer Anteilnahme. Darum lösen sie die Zunge der beiden Emmausjünger, denn sie spüren schon, diesem Fremden kann man Vertrauen. Darum öffnen sie ihm jetzt auch ihr Herz.

Das ganze Auf und Ab ihrer Erwartungen, Hoffnungen und Enttäuschungen breiten sie nun vor dem Fremden aus. "Ja das mit Jesus v. N., der ein Prophet war, mächtig in Wort und Tat vor Gott und allem Volk. Und wie ihn unsere Hohenpriester und unsere Obern zum Tod verurteilt und gekreuzigt haben. Wir aber hatten gehofft, er würde Israel erretten. Aber jetzt ist es schon drei Tage her, dass sich dieses Furchtbare zugetragen hat,...“

Sie erzählen und erzählen, wie der Bau ihres Glaubens bei ihnen zusammengestürzt ist und wie nur Trümmer übriggeblieben sind, Hoffnungslosigkeit und totale Fiaskostimmung.

Während die beiden so den hoffnungslosen Gedanken dem totgeglaubten Christus nachtrauern, geht der verklärte Auferstandene neben ihnen her und beginnt ihre Messiaserwartung zu läutern und zu vertiefen. Dabei erweist sich der den beiden Emmausjüngern immer noch fremde Unerkannte als ein wahrhaft gotterleuchteter Schriftausleger und Lehrer.

So spricht er ihnen zu: "O Ihr Unverständigen, wie schwer wird es doch eurem Herzen, all das zu glauben, was die Propheten vorausgesagt haben! Musste nicht der Messias dies alles erdulden, um so in seine Herrlichkeit einzugehen?“ Und bei Mose anfangend und den Propheten erklärt er ihnen alles, was sich in den Schriften des AT auf den Messias bezieht. Anhand des AT zeigt der Auferstandene den beiden Emmausjüngern, dass das Leiden und Sterben des Messias nicht zufällig, sondern von Gott gewollt und von den Propheten vorausverkündet war. Die Hl. Schrift spricht doch klar davon. Der himmlische Vater hat es in seinem Heilsplan für seinen Sohn so bestimmt als Weg, den er gehen muss, um in seine Herrlichkeit zu gelangen. Es muss eine ewig denkwürdige Bibelstunde gewesen sein. Der göttliche Exeget führte die Beweisführung mit solcher Klarheit und mit so feuriger Kraft durch, dass den beiden Jüngern plötzlich das Herz zu glühen begann. "Brannte nicht unser Herz in uns", so sagen sie nachher zueinander, "als er unterwegs zu uns redete und uns die Schriften aufschloss?"

Wunderbar klar und warm hat der geheimnisvolle Fremdling zum Herzen und Verstand der beiden Jünger gesprochen.

Unterdessen sind sie in Emmaus, am Ziel ihrer Wanderung angekommen. Eben neigt sich die Sonne dem Untergang zu. Der hereinbrechende Abend bietet den Jüngern willkommene Gelegenheit, dem Fremden ihre Dankbarkeit zu bezeugen. Da Jesus sich den Anschein gibt, als ob er weitergehen wolle, dringen sie mit liebevollen einladenden Worten in ihn: "Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt!"

Wer könnte einer so freundlichen Einladung widersprechen und widerstehen? Jesus geht mit ihnen in ihr Haus, und hier wird nun der unbekannte Weggenosse, der auf dem Weg zum vertrauten Freund geworden ist, ihr intimer Tischgenosse.

Doch als er sich mit ihnen zu Tisch gesetzt hatte und das Tischgebet, den Tischsegen gesprochen hatte und das Brot, das sie ihm gereicht hatten zu brechen begann, da gingen ihnen mit einem Mal die Augen auf, sie erkannten in dem Fremden den Herrn und Meister.

Kaum aber haben jetzt die beiden den Auferstandenen erkannt, ist er auch schon ihren Blicken entschwunden.

Jetzt aber gab es für sie kein Bleiben und Rasten mehr: In der Freude ihres Herzens vergaßen sie ihr Brot auf dem Tisch und die Müdigkeit in den Füßen.

Trotz der vorgerückten Stunde brachen sie sofort wieder auf und eilten nach Jerusalem zurück, um auch den Brüdern so schnell als möglich mitzuteilen, dass der Herr lebe und ihnen erschienen sei.

Geht der Herr nicht immer wieder auch neben uns her und unsere Augen sind gehalten, so dass wir ihn nicht erkennen? Unsere Augen sind gehalten, weil wir auf unsere eigenen Leiden und Enttäuschungen starren und nicht bereit sind, uns wahrhaftig für das Wort Gottes, für das Wort des Herrn zu öffnen. Aber auch wir könnten aus der Lesung der Hl. Schrift daheim privat, in Bibelrunden und Gebetsgruppen und beim Hören des Wortes Gottes im Gottesdienst die Erkenntnis und den Trost finden, der den Emmausjüngern zuteil geworden ist.