3. Ostersonntag im Jahreskreis – A
gehalten in St. M. Loreto am 6. Mai 1984
Wie am Ostermontag verkündet uns die Kirche auch heute an diesem 3. Ostersonntag das einmalig schöne Ev von den beiden Emmausjüngern. Viele werden sich fragen, warum uns heute wieder diese Geschichte zur Kenntnis gebracht wird, vielleicht ärgern sie sich sogar darüber. Ich aber freue mich darüber, weil wir aus dieser österlichen Geschichte so viel lernen können. Wenn wir am Ostermontag vielleicht vor allem das so gütige, liebevolle Verhalten des auferstandenen Herrn den beiden mutlosen, verzagten Jüngern gegenüber betrachtet haben, so könnten wir diesmal vor allem aus dem Verhalten der beiden Emmausjünger dem Heiland gegenüber in den ersten Stunden, da er ihnen wegen ihrer Verzagtheit und Mutlosigkeit noch fremd war, viel lernen.
1. Das Erste, was mir an den beiden Emmausjüngern in der Zeit, bevor sie ihren geheimnisvollen Begleiter erkannten, auffällt, ist dies, dass sie miteinander über all das sprachen, was sich mit Jesus zugetragen hatte. Das aber ist etwas ganz Bedeutsames und Wichtiges, das wir von den beiden Emmausjüngern lernen und an ihnen nachahmen sollten.
Gewiss, sie waren zwei Verzagte, ja fast Verzweifelte, aber sie kamen dabei trotz allem nicht los von Jesus. Für ihre allzu menschliche und beschränkte Sicht des Christusereignisses hatte Jesus in einem schaurigen Fiasko am Schandholz des Kreuzes geendet, aber Er war trotzdem immer noch die große, ihr ganzes Fühlen und Denken, Glauben und Hoffen bewegende Gestalt. Sie sprachen darum auf dem Weg miteinander über das, was sich mit Jesus zugetragen hatte, sie kamen einfach nicht los von Ihm, sie redeten auch dann noch von Ihm, als alle Hoffnungen durch die Geschehnisse des Karfreitags in ihnen zerschlagen worden waren. Gibt es denn überhaupt einen gewichtigeren Gesprächsstoff als "das, was sich mit Jesus zugetragen hat"? Müsste nicht Er, sein Leben, sein Leiden und Sterben, sein Predigen, sein Wunderwirken, sein Verhalten gegenüber den Kranken und Leidenden, gegenüber den Kindern und Sündern, sein Beten und Opfern, aber auch seine Auferstehung und Erhöhung in Macht und Herrlichkeit und sein Wiederkommen am Ende der Zeiten DER große Gesprächsstoff sein, der uns alle (nicht bloß uns Priester und Theologen, sondern auch die gläubigen Laien) immer wieder beschäftigt und bewegt? Über Jesus und das, was sich mit Ihm zugetragen hat, sollten nicht bloß die Katecheten mit ihren Schülern, sondern auch die Eltern mit ihren Kindern oft und oft sprechen. Über Jesus und das, was sich mit Ihm zugetragen hat, sollten wir auch im betrachtenden Gebet immer wieder meditieren. Und was ist beispielsweise der richtig betrachtend gebetete Rosenkranz anderes als ein Sprechen mit Maria, der jungfräulichen Mutter Jesu und unserer Mutter über Jesus und das, was sich mit Ihm zugetragen hat? Ist das nicht der Sinn des Rosenkranzgebetes, dass wir an der Mutterhand Mariens das bedenken und besprechen, was sich mit Jesus zugetragen hat zu unserem Heil, zu unserer Erlösung?
2. Die Emmausjünger waren aufmerksame Zuhörer, als der Fremde, der sich auf dem Weg zu ihnen gesellt hatte, mit ihnen sprach. Sie wiesen ihn nicht kalt ab, sie schenkten ihm Gehör, sie hörten auf ihn. Sie spürten unwillkürlich: Dieser hat uns etwas zu sagen, hat uns viel zu sagen. Darum hörten sie auf ihn.
Ist das nicht wieder nachahmenswert an den beiden Emmausjüngern? Dieses Zuhören—können, wenn jemand mit uns spricht, mit uns sprechen möchte, um uns seine Freuden, seine Leiden mitzuteilen und seine Sorgen und Kümmernisse uns zu erzählen. Dieses Zeit—haben für einander, um einander anzuhören in teilnehmender Liebe und Geduld, wäre doch so wichtig in der Familie, in der Gemeinschaft. Es geht dabei dann viel öfter, als wir vermuten, darum, dass Jesus selbst es ist, der mitten unter uns ist und zu uns spricht: "Wo zwei oder dreiin meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen". Er spricht zu uns im Hl. Geist viel öfter, als wir vermuten. Wir sollten viel mehr auf Ihn hören. Darum geht es ja beim Glaubensakt: Gott spricht zu uns sein Wort und wir sollten die Antwort darauf geben im Glauben, und zwar dadurch, dass wir auf Ihn horchen und Ihm dann gehorchen, dass wir auf Ihn hören und Ihm dann gehören mit unserem ganzen Sein! Die Emmausjünger haben das verstanden. Sie sind darin wahrlich nachahmenswert!
3. Die Emmausjünger kannten die Hl. Schrift. Sie lasen darin, wie es für einen gläubigen Israeliten selbstverständlich war. Die Emmausjünger haben dabei freilich, wie die allermeisten Israeliten, die Hl. Schrift mit allzu menschlichen, allzu irdisch eingestellten Augen gelesen und allzu irdisch—menschlich ausgelegt, gedeutet und interpretiert, was in der Hl. Schrift des AT über den kommenden Messias geschrieben steht. Sie wussten aus fleißiger Schriftlesung am wohl sicher um all das, was, in der Hl. Schrift vom Messias, vom kommenden messianischen Reich, von der messianischen Erlösung geschrieben steht. Aber sie konnten sich durch ihre Befangenheit im Irdischen keinen leidenden, sondern nur einen siegreich triumphierenden Messias vorstellen und konnten es sich darum nicht zusammenreimen, wie die Hl. Schrift den Messias einerseits als gewaltigen König in Macht und Herrlichkeit, anderseits als leidenden Gottesknecht schildert, der zerschunden und zerschlagen, zertreten und verhöhnt, die Sünden der Menschen auf sich nimmt, um ihre Wunden zu heilen. Sie meinten, eine Erlösung durch den Messias könne nur eine Erlösung vom Kreuz, nicht aber eine Erlösung durch das Kreuz sein. Da belehrte sie nun der Fremde, der sich auf dem Weg zu ihnen gesellt hatte. Es kam zu jener ergreifenden Bibelstunde auf offener Straße, in der die Hl. Schrift nicht in falscher Weise entmythologisiert wurde, wie es heute oft durch unsere Schrifterklärer und Exegeten geschieht, nein, die Hl. Schrift wurde den beiden Emmausjüngern, angefangen von Moses und den Psalmen und den Propheten, nur richtig interpretiert mit dem einzig richtigen Endergebnis: "Musste nicht der Messias all das leiden, um so in seine Herrlichkeit einzugehen" und den Menschen das ewige Heil zu verdienen?
Wie stehst Du zur Hl. Schrift? Liest Du sie? Was tust Du, um Deine Kenntnis der Hl. Schrift zu vertiefen? Müssen erst immer die andersgläubigen Christen, die Protestanten oder gar die Sektierer, kommen, um uns zur kostbarsten Lektüre hinzuführen, zum Lesen der Hl. Schrift! weil sie uns Katholiken oft wirklich leider zu Recht den Vorwurf machen, dass wir die Hl. Schrift nicht kennen, weil wir sie nicht lesen. Was lesen doch unsere guten, frommen Leute alles zusammen über neue und neueste Offenbarungen und Erscheinungen, die eigentliche göttliche Offenbarung aber, wie sie in der Hl. Schrift aufgezeichnet ist, ist so vielen dieser Frommen leider gar oft ein mit sieben Siegeln versiegeltes Buch!
4. Noch ein Letztes, das mir an den beiden Emmausjüngern wahrhaft nachahmenswert dünkt. Die beiden Emmausjünger waren gastfreundlich gegen den Fremdling; sie luden ihn zum Bleiben ein mit der schönen Bitte: "Herr, bleibe bei uns..." Wir sollten diese Bitte, die auch in einem schönen Kanon vertont ist, oft an unseren Herrn richten, etwa in der erweiterten Form jenes vielsagenden Gebetes, das wir in unserem alten Kirchenbuch Nr. 187 als die Weiterführung der Bitte der beiden Emmausjünger hatten: "Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt! Bleibe bei uns und deiner ganzen Kirche. Bleibe bei uns am Abend des Tages, am Abend des Lebens, am Abend der Welt. Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte, mit deinem hl. Sakrament, mit deinem Trost und Segen. Bleibe bei uns, wenn über uns kommt die Nacht der Trübsal und der Angst, die Nacht des Zweifels und der Anfechtung, die Nacht des bitteren Todes. Bleibe bei uns und bei allen deinen Gläubigen in Zeit und Ewigkeit!"
Sehen wir heute einmal hinter dieser schönen, vielsagenden Bitte der beiden Emmausjünger aber zu aller erst ihre edle Gastfreundschaft: Sie laden den Fremden, den sie immer noch nicht erkannt haben, in ihr Heim ein und bewirten ihn auch sogleich mit dem, was sie haben: Mit Brot und Wein. Dabei werden sie, die Gastgeber, zu Gästen, und sie, die sich großmütig an einem Fremden erwiesen haben, erleben, wie geheimnisvoll wahr das Wort ist, das sechs Jahrhunderte später der Mönchsvater des Abendlandes, der hl. Ordensvater Benedikt, in seine Ordensregel hineingeschrieben hat: "Venit hospes, venit Christus! Kommt ein Gast, so kommt Christus!“ Und jeder Gast ist so zu behandeln, als wäre es Christus, der gesagt hat: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan!" Ach, wie weit sind wir heute oft von dieser christlichen Gastfreundschaft entfernt, auch wenn wir vielleicht noch als Tischgebet zu beten pflegen: "Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast!" Vom hl. Gregor d. Gr.wird erzählt, dass er im Refektorium seiner Mönche den Hauptplatz, den Ehrenplatz immer freihielt für einen Armen, in welchem er Christus bedienen und bewirten wollte. Ein nachahmenswertes Vorbild! Nachahmenswert nicht nur am Familienfasttag, sondern das ganze Jahr über. Es müsste bei jeder Mahlzeit eigentlich aus christlicher Gastfreundschaft heraus für einen Hungernden in der Welt der Betrag für eine Mahlzeit beiseitegelegt und bei der jährlichen Caritashaussammlung abgegeben werden.
Jener, den die beiden Emmausjünger bewirtet haben, hat sie überreich dafür belohnt: Am Brotbrechen erkannten sie ihn als den Auferstandenen! Am Brotbrechen, am eucharistischen und am caritativen Brotbrechen, am brüderlichen Teilen, muss man den wahren Christen erkennen. Und Er, der gesagt hat, dass auch ein Glas Wasser, das wir dem Dürstenden reichen, belohnt wird, wird auch uns jede gastfreundliche Bruderliebe belohnen. Er hat ja in seiner großen Gerichtsrede auch gesagt: "Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben..." Wir werden dann in der Stunde des Gerichtes den Herrn gar nicht lange fragen müssen: "Herr, wann warst du hungrig und wir haben dir zu essen gebeben. Wann warst du durstig und wir haben dir zu trinken gegeben..." Wir wissen bereits seine Antwort: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!"
Die Emmausjünger haben sich daran gehalten. So viele andere in ihrer Nachfolge haben sich daran gehalten. Tun auch wir es, damit auch unser Herz warm wird von österlicher Freude, jetzt und einmal für immer in der Ewigkeit.
Da las ich in der Deutschen Tagespost vom 5. Mai 1984, dass kürzlich in Metz in Lothringen der singende Jesuitenpater Aimé Duval im Alter von 65 Jahren gestorben ist. Er hat in den 60er Jahren seine religiös inspirierten Lieder mit seiner Gitarre in vielen Konzertsälen, auch hier bei uns in Salzburg im vollen, von jungen Menschen gefüllten Kongresshaus vorgetragen. Viele junge Menschen hat er damals so begeistert, dass der Salzburger Otto Müller Verlag die in Französisch abgefassten Lieder P. Duvals in deutsche Übersetzung zusammen mit Schallplatten herausbrachte. Und fast alle Lieder P. Duvals drehten sich dabei um Jesus und das, was sich mit Ihm zugetragen hat. In einem Lied, das mir besonders gut gefallen hat, kam besonders schön das, was wir in der Stimmung der Emmmausjünger in österlicher Freude in uns tragen sollten, zum Ausdruck. Wenn ich singen könnte, würde ich zum Abschluss dieser meiner Predigt vorsingen. Da ich nicht singen kann, müsst ihr mit dem Text dieses Liedes von P. Duval zufrieden sein. Es beginnt im Französischen mit den Worten: "Seigneur, mon ami. Tu m'as pris par la main..." "0 Herr, Du mein Freund, Du nimmst mich bei der Hand. Mit Dir so vereint, gehe ich ohne Angst durch das Land. : Ich gehe mit Dir durch den Frost und den Wind. Wie leicht ist es mir, weil im Herzen zusammen wir sind. Die Welt ist von Tanz und Vergnügen erfüllt. Doch ich geh' voran, denn ich suche in allem Dein Bild./ Beschwingt gehe ich, sing ein Lied durch die Nacht. Du wartest auf mich an der Tür Deines Hauses voll Pracht./ Und dann bist Du da, unverhüllt seh' ich Dich. Dein Antlitz ist nah und Dein Tisch ist bereit auch für mich".