3. Fastenpredigt: 4. Station
Der göttliche Kreuzträger stand letztes Mal vor uns, der uns in die Augen schaute und ins Herz hinein und uns sagte: Schau her, das trage ich für dich, für deine Sünden! Willst nicht auch du mir dein Kreuz, das kleinwinzige Kreuz der täglichen Opfer nachtragen?!
Mit der 2. Station beginnt nun der eigentliche Kreuzweg: Nachdem Jesus das Kreuz auf sich genommen hat, setzt sich der Zug in Bewegung hin zur Richtstätte. Ob Ihr euch den Weg vorstellen könnt? Von der Burg Antonia in der Nähe des Tempels, wo der Heiland zum Tod verurteilt worden ist, wäre an sich Golgotha, die Hinrichtungsstätte gar nicht weit entfernt, kaum 100 m. Aber dazwischen ist eine tiefe Talschlucht. So führt der Kreuzweg zuerst von der Anhöhe der Burg Antonia westwärts abwärts bis hin zu einer Sternenkreuzung, wo die eigentliche Hauptstraße vom Damaskustor hereinkommt. Und diese führt nun aufwärts, hinauf nach Golgotha...
Dort, wo die Straßenkreuzung ist, da wollen wir uns heute aufstellen und den Zug erwarten. Wir stehen da auf österreichischem Boden. Denn hier an der Straßenkreuzung steht seit über 50 Jahren das mächtige, schöne Gebäude des österr. Pilgerhospizes. Auf der Terrasse über dem Eingang des österr. Pilgerhospizes nehmen wir Aufstellung und schauen....
Richtig! Da wird schon das Signal gegeben: Ein Posaunenstoß! Zeichen zum Beginn. Jetzt ziehen sie drüben bei der Burg Antonia los. Und nochmals das Posaunenzeichen! Da müssen sie wohl bald kommen: Da sind sie: Hinter dem Posaunenbläser, der nach allen Richtungen das Zeichen zum Platzmachen gibt, der römische Hauptmann, der verantwortlich ist für die Exekution und das Kommando gibt bei der Ausführung des vom Statthalter Pilatus gefällten Urteils. Hinter dem Hauptmann ein Trupp Soldaten. Dann folgt ein Knecht mit einer Holztafel, auf der der Grund für die Verurteilung angegeben ist. Schließlich kommen die Henkersknechte mit den Verurteilten: Der linke Schächer, der rechte Schächer. Und dann Jesus, mit dem schweren Kreuz beladen, von Henkersknechten an Stricken gezogen. Gebeugt unter der schweren Last wankt Jesus daher. Hinter ihm noch ein paar Soldaten als Abschluss. Dann die Ankläger und Zeugen im Prozess Jesu: Die Hohenpriester, Ratsherren, Pharisäer. Schließlich viel Volk, Einheimische und Fremde...
So kommt der Zug von der Burg Antonia herab in die Straßenkreuzung, wo wir Aufstellung genommen haben. Eng und schmal sind die Straßen. Holprig und schlecht gepflastert. Der Zug kommt kaum vorwärts im Gedränge der Pilger, die eben jetzt auf Ostern nach Jerusalem kamen. Die Massen stauen sich. Ein einziges Geschiebe. Die Soldaten machen von der Peitsche Gebrauch. Das ist heute noch so üblich in Jerusalem. So geht es nur langsam, Schritt für Schritt vorwärts. Unter furchtbarem Lärm und Geschrei. Von allen Seiten drängen sich neugierige Gaffer. Sie rufen Jesus Spottnamen zu und weiden sich an seiner Qual. Von Freunden Jesu keine Spur.
Das Kreuz aber lastet schwer auf seinen Schultern. Die Geißelung hat ihn sehr entkräftet. Blutbeulen bedecken den ganzen Rücken. An manchen Stellen sind die Knochen bloß. Der Herr kann sich kaum mehr auf den Beinen halten. Die Henker zerren und stoßen ihn. Sie haben es ja eilig. Am frühen Abend fängt ja schon der Sabbat an, der Feiertag. Da muss längs alles erledigt sein.
Da an der Straßenkreuz, genau dort wo heute das österr. Pilgerhospiz steht, da ist das Gedränge, das Stoßen und Drängen ganz arg. Der Heiland tut einen unglücklichen Fehltritt. Er wankt. Er stürzt. Da liegt er nun: Ein erschütterndes Bild: Der die Welt schuf durch ein „Werde“ liegt nun ermattet auf der Erde!
Man reißt den Heiland wieder auf: Weiter, weiter...! Und da, gar nicht weit weg von der 3. Station, wo Jesus zum 1. Mal unter dem Kreuze zusammenbrach, da ereignet sich nun eine Szene von unbeschreiblicher Zartheit!
Wir können diese Szene von unserm Standplatz aus überblicken und miterleben: Da kommt es zur Begegnung von Mutter und Sohn. 4. Station.
An der Straßenkreuzung war es, kaum 10 Meter von der dritten Station entfernt: Da hat die Mutter Jesu in einem Hauseingang gewartet.
3. Fastenpredigt: 5. Station
Zeugen der Kreuzigung des Herrn wollten wir uns vorladen in diesen Fastenpredigten, damit sie uns berichten und damit sie uns belehren: Judas stand zuerst vor uns. Dann Simon Petrus, der sich gewandelt hat aus einem Feind des Kreuzes in einen Freund des Kreuzes.
Heute möchte ich nochmals einen Simon vorladen, der sich ebenfalls aus einem Feind des Kreuzes in einen Freund des Kreuzes gewandelt hat: Simon von Cyrene! Wir kennen ihn aus der 5. Kreuzwegstation. Aber wir sind meist allzu schnell fertig mit dem Betrachten dieser Station. Und doch ist sie so vielsagend. Sehen wir uns die Szene näher an. Es lohnt sich! Wir wissen dann noch besser, was wir am Karfreitag bei der Kreuzverehrung zu tun haben und was wir zu tun haben, wenn uns ein Kreuzträger begegnet oder uns selber ein Kreuz aufgeladen wird.
Der römische Statthalter Pilatus hatte in seiner erbärmlichen Menschenfurcht und Feigheit im Prozess Jesu immer mehr nachgegeben dem gehässigen Drängen und Treiben der Hohenpriester und des aufgehetzten Pöbels und hatte schließlich trotz des wiederholt ausgesprochenen richterlichen Befundes: "Ich finde keine Schuld an ihm" das Todesurteil über Jesus gefällt.
Nach der Verurteilung hat man dem Heiland das Kreuz aufgeladen. Er sollte es selbst hinaustragen an den Ort der Hinrichtung.
Wir empfinden es als unglaubliche Rohheit und als unmenschliche Grausamkeit, wenn wir hören, dass man zum Tod Verurteilte ihr Grab selber schaufeln ließ, ehe sie erschossen wurden. Die Zeit liegt noch nicht so weit zurück, in der das geschehen ist. Aber im Prozess Jesu geschah noch Grausameres: Ein gänzlich Schuldloser, der noch dazu durch die vorausgegangene beleidigende und demütigende Behandlung, durch die furchtbare Misshandlung in der Geißelung und Dornenkrönung und durch andere seelische und leibliche Martern völlig erschöpft war, musste selber das Werkzeug seiner Hinrichtung, den Galgen, an den er nicht bloß etwa gehängt, sondern genagelt werden sollte, tragen...
Der Weg führte vom Gerichtsgebäude des Pilatus über schlechte, steinige, holprige Strassen der Stadt zum Stadttor hinaus auf den Kalvarienberg hinauf. Der Weg war an sich nicht sehr lang, etwa 300 m. Aber die schmale, bergansteigende Straße war damals von den vielen Pilgern, die sich auf Ostern in Jerusalem einfanden, und von der zahlreichen gaffenden Zuschauermenge so dicht umdrängt, dass kein rechtes Vorwärtskommen war, obwohl die Soldaten mit Schreien und Fluchen, mit Schlagen und Stossen zur Eile trieben: Das 4 m lange Kreuz wuchtete mit seinem schweren Gewicht so drückend auf den zerschundenen Schultern des Herrn. Und die Kraft des Kreuzträgers war so erschöpft, dass er sicher nicht bloß einmal, zweimal, dreimal, sondern noch öfter zu Boden gedrückt wurde. Ein jammervolles Bild! Wir können uns unmöglich vorstellen, wie übervoll dieser Weg für unsern Heiland war an Schmerzen und Qualen und Verdemütigungen!
Als sie eben am Stadttor angekommen waren, dort, wo der Weg dann den Berg hinanführt, stieß vielleicht jemand an das Ende des langen Kreuzbalkens oder Jesus stolperte über einen Stein. Jedenfalls verlor er bei seiner geschwächten Standfestigkeit das Gleichgewicht und stürzte noch einmal: ein tief erschütterndes Bild!
Und hier war es nun, wo das Exekutionskommando der Soldaten nicht von Mitleid, sondern von Angst gepackt wurde: Der Verurteilte stirbt uns noch auf dem Wege. Das darf nicht sein. Die Kreuzigung darf ihm nicht erspart bleiben. Man muss es ihm also leichter machen, damit man ihn lebend bis hinauf zur Richtstätte bringt!
Da berichten nun die drei ersten Evangelisten Mt Mk Lk übereinstimmend über Simon von Cyrene. Der Text der Hl. Schrift ist hier überaus aufschlussreich:
Mt 27,32: "Während sie hinauszogen, trafen sie einen Mann aus Cyrene mit Namen Simon. Diesen zwangen sie, sein Kreuz zu tragen."
Mk 15,21: "Und sie nötigten einen Vorübergehenden, Simon v. Cyrene, der vom Felde kam, den Vater des Alexander und des Rufus, Sein Kreuz zu tragen."
Lk 23,26: "Und als sie Ihn abführten, ergriffen sie einen gewissen Simon, einen Cyrenäer, der vom Felde kam, und luden ihm das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage"
Immer wird also ausdrücklich betont, dass dieser Mann gezwungen, genötigt wurde, dass er ergriffen werden musste, um das Kreuz Jesu zu tragen. Er war wahrlich kein Freund des Kreuzes und des Gekreuzigten, er war ein Feind.
Wir brauchen uns das Ganze nur recht konkret vorstellen: Dieser Simon, aus der Stadt Cyrene in der römischen, nordafrikanischen Provinz Cyrenaica gebürtig, ist ein Landarbeiter, ein Mann aus dem Volke, der von der Feldarbeit im Arbeitskleid gerade zurückkehrt in seine Wohnung. Mittag ist's. Müde ist er von der Arbeit. Hungrig. Durstig. Essen will er. Und dann will er sich für das Fest, das schon am Abend beginnt, fertig machen. Dass er gerade am Stadttor auf diesen schrecklichen Zug mit den drei zum Tod Verurteilten, die sich auf dem Weg nach Golgotha befanden, stoßen musste! Welch peinlicher, unguter Zufall! Wenn er es von Weitem erblickt oder geahnt hätte, was ihm bevorstand, hätte er diese fürchterliche Begegnung vermieden. Als Mann vom Land eher furchtsam als neugierig, wusste er, dass man bei solchen Gelegenheiten leichter verliert als gewinnt. Als er dann an der Spitze des Gefolges römische Soldaten zu Fuß und zu Pferd erblickte, geriet er noch mehr in Erregung. Mit der Behörde, mit der Justiz und mit den Soldaten der Besatzungsmacht wollte er nichts zu tun haben. Sein Grundsatz war: Leben und leben lassen. Und nichts zu tun haben mit den Behörden! Man zahlt nur drauf!
Diesmal aber konnte dieser Arbeiter nicht mehr ausweichen. Der Zug hielt an: Einer der drei Verurteilten war eben wieder zu Boden gestürzt und war einfach nicht mehr imstande, das schwere Kreuz zu halten und zu tragen. Die Soldaten waren wütend. Sie schauten sich um nach einem der da helfen könnte. Selbst das Kreuz dem armen Verurteilten abzunehmen, fanden sie unter ihrer Würde. Simon duckte sich und versteckte sich hinter dem Rücken von ein paar Frauen. Aber der Hauptmann hatte ihn schon entdeckt. Ein stark gebauter, vierschrötiger Mann, ein Arbeiter, na der ist gerade recht. Der Hauptmann winkte dem Simon mit der Hand und rief ihm zu, er solle kommen. Simon tat, als ob er nicht höre und schaute auf die andere Seite. Aber ein Soldat kam auf ihn zu: „Flegel, bist du taub? Mach weiter!" Und schon packte er ihn am Arm. Simon wehrte sich. Brachte allerhand Gründe vor: Eilig habe er es. Müde sei er. Komme eben von der Arbeit. Müsse heim. Aber es half nichts. Vielleicht mit einem Fußtritt wurde er zu dem Verurteilten, der da ohnmächtig auf dem Boden lag, hingestoßen. "Nimm das Kreuz", schrie der Hauptmann.
Simon wusste: Jetzt hat das Sich-wehren keinen Sinn mehr. So griff er denn zu. Ungern, ganz gegen seinen Willen und wutschnaubend nahm er das Kreuz auf die Schulter und machte sich auf den Weg, sicher mit ein paar kräftigen Flüchen. Er ahnte noch nicht, wem er das Kreuz nachtragen durfte. Er wusste noch nicht, wie ihm unversehens die größte Gnade und Ehre seines Leben zuteil geworden war.
Wahrlich, dieser Simon war zuerst ein Feind unter dem Kreuze Jesu. Nicht dass er überhaupt in seinem Temperament und Charakter ein selbstsüchtiger, nur auf sich bedachter Mann gewesen wäre, der nie bereit war, andern zu helfen. Zu andern Zeiten und unter andern Umständen hätte sich sicher mit ihm reden lassen und er hätte sicher hilfsbereit zugegriffen, wenn etwa daheim der Nachbar eine Hilfe brauchte. Aber hier und jetzt, unter diesen Umständen. Und einem zum Tod Verurteilten. Was ist denn das überhaupt für ein Mensch dessen Platz er gewissermaßen nun einnahm unter dem Kreuze? Simon sieht sich beim Dahinschreiten unter dem Kreuz den Verurteilten näher an. Simon war erst vor einigen Jahren aus seiner Geburtsstadt Cyrene nach Jerusalem gekommen, um da eine kleine Landwirtschaft zu pachten. Er kannte fast niemanden in der Hl. Stadt, suchte auch nicht neue Bekanntschaften und noch weniger verfolgte er die öffentlichen Angelegenheiten. Feld und Haus waren sein Leben, und außer seiner Frau und seinen zwei Buben liebte er niemanden. Deshalb wusste er nichts von dem, was in jenen Tagen vorgefallen war. Die Verurteilten waren nach seiner Meinung gemeine Verbrecher. Über den Schwächsten, der Schuld an seiner Verspätung trug, war er zornig, aber bis zum Hass reichte es doch wieder nicht. In wenigen Stunden wird dieser Unglückselige mit seinen Qualen und dem Tod seine Verbrechen gebüßt haben. Aber ist der wirklich ein Verbrecher? Er sieht in seinen Schmerzen und Qualen doch so eigenartig hoheitsvoll aus? Mit einer erhabenen Überlegenheit und doch ganz dem Schmerz hingegeben geht er dahin, dieser Arme, wie einer, der das Leid der Welt trägt. Und dann hört Simon, wie dieser arme Verurteilte heißt: Jesus von Nazareth. Ja, den Namen hatte er schon früher öfters gehört. War das nicht der, von dem man allerlei Wunder zu erzählen wusste und der sich als Messias ausgab? Vielleicht ist er es wirklich, solch eigenartige, geheimnisvolle Hoheit strahlt dieser Mensch aus, so ganz anders als die anderen zwei zum Tod Verurteilten. - Und bei diesen Beobachtungen fängt nun die Gnade in der Seele des Simon wieder zu arbeiten an. Er fühlt auf einmal, dass es eigentlich gar keine Schmach ist, diesem Mann das Kreuz zu tragen. Einem solchen Menschen helfen, ist doch ein schöner Liebesdienst. Ja, vielleicht ist es gar eine Pflicht und eine Ehre zugleich, diesem einzigartigen Menschen voll Hoheit und Würde in seinem Leiden zu helfen. Es muss wohl so sein, denn Simon umfasst auf einmal willig und froh das Kreuz, fast als ob es leichter geworden wäre, fast als ob es eine Ehre wäre, es tragen zu dürfen. Und in diesem Augenblick bleibt der Herr ganz kurz stehen, dreht sich mit einem tiefen Blick der Dankbarkeit um zu Simon und geht dann wieder weiter. Und dieser Blick des Herrn war für Simon so vielsagend. Der Herr schaute ihm ins Herz. Und neu belebt, erfreut, in seinem Ahnen gestärkt, folgt Simon dem Herrn bis zur Richtstätte hinauf.
Dann entschwindet er unseren Augen. Aber seine Gestalt und seine Tat bleiben ewig mit dem Kreuzweg des Gottmenschen verbunden. Und wenn seine beiden Buben Rufus und Alexander später in der Christengemeinde von Rom, wie uns Paulus berichtet, eine bedeutende Rolle gespielt haben, vielleicht als Priester, so ist wohl sicher anzunehmen, dass auch der Vater, Simon von Cyrene, die Gnade gehabt hat, den christlichen Glauben anzunehmen und als Jünger des gekreuzigten Herrn zu leben und zu sterben. Die Gnade der Bekehrung als Lohn für jene Stunde unter dem Kreuze Jesu!
So war wirklich auch hier wieder unter dem Kreuze Jesu aus einem Feind des Kreuzes und des Gekreuzigten ein Freund des Kreuzes und des Gekreuzigten geworden. Diese Wandlung Simons von Cyrene unter dem Kreuze Jesu ist für uns alle ungemein vielsagend: Wie Simon sieh zuerst gegen das Kreuz sträubte, so ist es doch meist bei uns allen. Alle sind wir schließlich Feinde des Kreuzes und glückselig der, dem es aufgegangen ist, was für ein Segen im Kreuze stecken kann. Wo ein Kreuz in Sicht kommt, pflegen wir uns zu drücken. Wenn Christus mit seinem Kreuz beladen vor unserer Haustür stehen bleibt und die drinnen anruft: "Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich" so zeigen wir uns schwerhörig. Niemand will hören. Niemand will den Herrn einlassen.
Auch Simon hat sich gesträubt, aber es half ihm nichts. "Sie nötigten ihn". Ja, so geht es meist auch bei uns. Ob man will oder nicht, auf einmal spürt man ein Kreuz auf seinen Schultern. Wenn man es dann wenigstens verstünde, aus der Not eine Tugend zu machen...
"Sie nötigten ihn." Wer? Nun, die Soldaten. Ja, aber diese waren nur Werkzeug Gottes, Werkzeug seiner Gnade. Gott war es, der dem Simon das Kreuz auf die Schultern legte. Anscheinend war es ein Zufall.... Zufall, dass gerade in dieser Minute von der anderen Seite der Zug mit Jesus daherkam; Zufall, dass gerade in dieser Minute Jesus todesmatt niedersank und sein Kreuz nicht weiter tragen konnte... Zufall, Zufall scheinbar. 4,5,6 Zufälligkeiten. Und doch war es kein Zufall, sondern Gottes Weisheit hatte alles von weither so gelenkt und geleitet zu diesem Zweck, dass gerade dieser Arbeiter Simon v. Cyrene der Träger des Kreuzes Jesu wurde.
Gewiss wären außer Simon noch andere dagewesen, die das Kreuz Christi hätten tragen können. Simon Petrus, wie gut wäre ihm das Kreuztragen angestanden, nachdem er öffentlich den Herrn verleugnet hatte. Das wäre doch für ihn die rechte Busse gewesen. Aber Gott wollte nicht den Simon Petrus, Gott wollte den Simon v. Cyrene, diesen Ausländer, diesen Arbeiter. Dieser soll der Kreuzträger sein.
Ihm war diese Gnade, diese Ehre, diese Auszeichnung zugedacht. Und wenn er auch anfangs das Kreuz unwillig trug, er sollte es bald spüren, dass dieses Kreuz, das er zu tragen hatte, kein Verbrecherkreuz war, sondern ein Segenskreuz. Und er spürt es, wie von diesem Jesus vor ihm und von seinem Kreuz eine ganz eigenartige, wandelnde Kraft ausging. Froh und gern trug er es schließlich, bis er oben angekommen war auf Golgotha. Dort legte er das Kreuz nieder. Wird er nun, so schnell als möglich, verschwunden sein? Nein, das ist nicht zu glauben Er hatte in dieser kurzen halben Stunde schon so viel Eigenartiges erlebt und gesehen. Jetzt wollte er alles sehen bis zum Ende. So sah er die Kreuzigung. So hörte er die sieben letzten Worte Jesu vom Kreuze herab. Und er sah die Mutter, die ihm sicher dankte für seinen Liebesdienst und für ihn betete. Und als der Herr am Kreuze seine Seele dem Vater übergab, da war die Seele Simons für Christus gewonnen. Das Kreuz war sein Heil. Das Kreuz Christi hat ihn zum berühmten Mann gemacht, denn wo immer man von Jesus und seinem Kreuze redet, wird auch der Name jenes Arbeiters aus Cyrene in Ehren genannt. Und zuletzt hat ihm das Kreuz sicher die Himmelstür aufgeschlossen.
Lernen wir von Simon v. Cyrene! Wenn auch uns das Kreuz entgegenkommt auf unserem Lebensweg, wenn es sich uns anhaftet und sich an uns anklammert, betrachten wir das nicht als schlechtes Zeichen! Wem Christus Anteil gibt an seinem Kreuz, den liebt Er. Wer aber sein Kreuz nicht tragen will, von dem sagt Christus: "Er ist meiner nicht wert!"
Aus der Not eine Tugend machen, wie Simon von Cyrene. Ich möchte dabei dieses Sprichwort nicht bloß im landläufigen Sinn verstehen: Halt weil es nicht anders geht, sich nun dreinfinden in das Kreuz, das einem auferlegt wurde und es im rechten Geist der Sühne tragen! Aus der Not eine Tugend machen, das meine ich auch so: Aus der Not der anderen, die vielleicht noch viel Schwereres zu tragen haben, eine Tugend machen. Und die einzige Tugend, die hier in Frage kommt, heißt Caritas, Bruderliebe, wissend, dass wir dann, wenn wir dem notleidenden Mitmenschen ein Kreuz abnehmen oder tragen helfen, Ihm selbst, dem göttlichen Kreuzträger helfen, der da gesagt hat: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!" Die Caritas-Haussammlung ist bald vorbei. Hast Du ein spürbares Opfer im Dienste der Nächstenliebe gebracht, gemäß dem Wort: "Die Liebe teilt!" Die Caritas-Kirchensammlung war in allen unseren Kirchen. Hast Du ein spürbares Opfer auf den Opferteller gelegt? Oder hast du ein paar schäbige 10-Groschen-Stücke unwillig daraufgeworfen?
Dem Bruder, der Schwester in Not helfen, beistehen, einander ertragen, einander verzeihen, einander das Kreuz nicht schwerer, sondern leichter machen! Ich weiß nicht, ob bei euch hier am Gründonnerstag die nun mögliche Fußwaschung beim Abendmahlsgottesdienst gemacht wird. Ich habe es anderswo erlebt. Und es war ergreifend. Nein, erschütternd. Der Herr hat gesagt: "Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch Ihr tut, wie ich euch getan habe!" Der hl. Paulus hat es uns heute in der Epistel mit ähnlichen Worten gesagt: "Brüder, ahmet Gott nach als seine vielgeliebten Kinder und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt und sich für uns als Opfergabe hingegeben hat!"
Aus der Not eine Tugend machen wie Simon von Cyrene und wie er einer werden, der dem Herrn Jesus das Kreuz tragen hilft. Das ist der Ruf unserer Notzeit vor allem an die Männer.
Kreuzträger sein wie Simon v. Cyrene, in Gottergebenheit und Christusliebe, dann wird jedes Kreuz, auch wenn es noch so schwer drückt, zum Segenskreuz!
Kreuzträger sein wie Simon v. Cyrene in hilfsbereiter Nächstenliebe, dann geben wir das Christentum und christliche Caritas nicht dem Gespött preis, sondern werden zu Aposteln dafür, weil man auf uns zeigen wird, wie man auf die Christen der Urkirche gezeigt hat mit den Worten: Seht, wie sie einander lieben!