Hochfest der Geburt des Herrn
gehalten am 25.12.1975
Weihnachten ist es wieder geworden. Die Glocken haben das Fest am Hl. Abend und in der Hl. Nacht feierlich eingeläutet. Die Lichter brannten am Christbaum. Die schönen alten Weihnachtslieder klangen wieder auf im Radio, im Fernsehen... Vielleicht haben wir uns sogar selber zum Singen aufgerafft. Und waren dann nett und gut zueinander und haben einander beschenkt. Und jetzt freuen wir uns noch auf ein festliches Essen. Ist das nun alles von Weihnachten 1975? Was merkt man denn überhaupt noch vom Geschehen jener fernen Nacht vor 1975 Jahren? Von jener Engelsbotschaft mit dem „Gloria in excelsis Deo et in terra pax...“? Und von jenem neugeborenen Kind, das in einem Stall zur Welt kam, weil nicht einmal in der Herberge dafür Platz war? Im Eingangslied der Dritten Weihnachtsmesse heißt es von diesem Neugeborenen in den Worten des Propheten Jesaja: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt auf seinen Schultern ruht die Weltherrschaft Sein Name ist: Bote des göttlichen Ratschlusses!“ Schöne Worte. Aber was ist daran wahr? Hat man denn im Großen des Weltgeschehens schon etwas gemerkt von dem Licht aus dem Stall von Betlehem? Ist es denn auf unserer Erde seit damals spürbar besser geworden? Viele antworten pessimistisch: „Nein! Schaut euch doch um in unserer Welt! Nur in unserem Jahrhundert: Kriege noch und noch, Millionen Tote, Elend über die Massen, keine Spur von Licht, von Frieden. Es ist nicht besser geworden!“
Aber hat denn Gott geoffenbart, es würde bei der Geburt des Messias ein perfektes Paradies anbrechen? Hat er uns etwa verheißen, der Messias werde uns erlösen von allem irdischen Leid, von allen Sorgen und Nöten? Hat er nicht gesagt, er werde dazu kommen, um uns zu erlösen von unseren Sünden und uns Gnade verdienen, damit wir den Weg aus dem Dunkel in das Licht finden, wenn wir mit unserem guten Willen und mit ehrlicher Anstrengung sein Reich aufbauen helfen, das ein Reich der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens sein soll?
Es käme nur darauf an, dass wir immer wieder neu Ernst machen mit dem, was Christus uns vorgelebt und von uns durch Wort und Tat gefordert hat. Dann würden wir immer mehr und mehr erfahren und erleben, wie wahr das ist, was das vor 10 Jahren zu Ende gegangene II. Vat. Konzil in den so bedeutsamen christologischen Aussagen der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ über Christus uns gesagt hat. Dort heißt es so vielsagend im 10. Artikel: „Christus...schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist...Er ist der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte.. Im Lichte Christi, des Erstgeborenen vor aller Schöpfung, lässt sich eine Lösung finden für die dringlichsten Fragen unserer Zeit.“
Einige Zeilen später (Artikel 22) wagt das II. Vat. Konzil dann sogar die Behauptung, dass sich „tatsächlich nur im Geheimnis des menschgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt... Denn Er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist hat er gedacht, mit menschlichem Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen hat er geliebt. Geboren aus Maria, der Jungfrau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde“.
Mit Recht spricht das Konzil dann (Artikel 32) im gleichen Dokument von der Solidarität des menschgewordenen, ewigen Wortes mit uns Menschen, da Er „sich ganz in die menschliche Lebensgemeinschaft einfügte und die menschlichen, besonders die familiären Verflechtungen heiligte, sich freiwillig den Gesetzen seines Heimatlandes untertan machte und das Leben eines Arbeiters, wie es damals der Zeit und dem Land eigen war, leben wollte. Dazu gab er aber auch noch seinen Menschenbrüdern in seiner Verkündigung das klare Gebot, einander wie Brüder zu begegnen... Den Aposteln aber befahl er, allen Völkern die Frohbotschaft zu verkünden, damit die Menschheit zur Familie Gottes werde, in der die Liebe die Fülle des Gesetzes sein soll. Diese uns von Christus vorgelebte und anbefohlene brüderliche Solidarität muss stetig wachsen bis zu jenem Tag, an dem sie vollendet sein wird und die aus Gnade geretteten Menschen dann als eine von Gott und Christus, ihrem Bruder, geliebte Familie Gott vollkommen verherrlichen werden“.
Nochmals weist dann das Konzil im gleichen Dokument (Artikel 38) auf das hin, was Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, gewollt und getan hat: „Das Wort Gottes, durch das alles geworden ist, ist selbst Fleisch geworden und ist, auf der Erde der Menschen wohnend, als wirklicher Mensch in die Geschichte der Welt eingetreten, hat sie sich zu eigen gemacht und in sich zusammengefasst. Er offenbart uns, ‘dass Gott die Liebe ist‘, und belehrt uns zugleich, dass das Grundgesetz der menschlichen Vervollkommnung und deshalb auch der Umwandlung der Welt das neue Gebot der Liebe ist. Denen also, die der göttlichen Liebe glauben, gibt er die Gewissheit, dass allen Menschen der Weg der Liebe offen steht und dass der Versuch, eine allumfassende Brüderlichkeit herzustellen, nicht vergeblich ist!“
Mit dem Blick auf Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes und Heiland der Welt, sollten wir alle gerade zu Weihnachten wieder Hoffnung schöpfen und daran glauben, dass dann, wenn wir uns an Christus und seinen Geist halten, die dunkel vor uns liegende Zukunft licht und hell wird. Es klingt fast wie ein trostvoll-weihnachtlicher Christushymnus, wenn das II. Vat. Konzil am Schluss des 1. Hauptteils der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ abschließend noch schreibt:
„Gottes Wort, durch das alles geschaffen ist, ist selbst Fleisch geworden, um in vollkommenem Menschsein alle zu retten und das All zusammenzufassen. Der Herr Jesus Christus ist das Ziel der menschlichen Geschichte, der Punkt, auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte... Von seinem Geist belebt und geeint, schreiten wir der Vollendung der menschlichen Geschichte entgegen, die mit dem Plan seiner Liebe zusammenfällt: „Alles in Christus dem Haupt zusammenzufassen, was im Himmel und was auf Erden ist“. Der Herr selbst spricht: „...Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“.“ Halten wir uns an Ihn, arbeiten, beten und opfern wir mit Ihm und in seinem Geist und glauben wir wieder fester, stärker, zuversichtlicher an Ihn, der trotz aller Dunkelheiten der menschlichen Geschichte seit seiner Geburt im Stall von Betlehem „das Licht der Welt“ und für uns alle „Weg, Wahrheit und Leben“ ist. Amen