Heilige Nacht 1976

 

Ein paar Gedanken möchte ich vorlegen über das rechte Weihnachten-Feiern. Viele können es nämlich nicht mehr, entweder weil ihnen der Glaube an das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes fehlt, oder weil das Weihnachtsfest allzu sehr kommerzialisiert worden ist oder vielleicht sogar, weil ihnen - vor allem jungen, kritischen Menschen - das allzu Stimmungsvolle und Sentimentale des üblichen Weihnacht-Feierns zuwider ist.

Halten wir zuerst einmal fest, dass es beim Weihnachtsgeheimnis nicht um einen Mythos und nicht um eine schöne Legende, sondern um historische Wirklichkeit geht. "Die Geburt Jesu Christi steht ebenso hart und untilgbar in der Geschichte wie sein Kreuzestod... Richtig gelesen, bezeugt die Geburtsgeschichte bei Lk die Geschichtlichkeit des von Gott gesandten Retters der Welt" (R. Schnackenburg, Die Geburt Christi ohne Mythos und Legende S.10)

Halten wir darüber hinaus fest, dass es beim Weihnachtsgeheimnis nicht bloß um ein historisches Ereignis, sondern auch um eine Offenbarungswahrheit geht, die nur im. Glauben erfasst und bejaht werden kann: Der Logos, der ewige Sohn Gottes hat sich selbst entäußert und ist Mensch geworden, uns in allem gleich, nur empfangen vom hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau.

Wem nun der Glaube an dieses Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes fehlt oder abhanden gekommen ist, der kann freilich gar nicht
richtig Weihnachten feiern, für ihn wird das Weihnachtsgeschehen - sofern er seine Geschichtlichkeit zugibt - höchstens zu einer magisch schönen Familienidylle mit einem jungen Paar und einem neugeborenen Kind oder zu einem Gleichnis für das was so viele Flüchtlinge mit ihren Kindern an Hartem und Leidvollem in den Kriegen und Vertreibungen erleben mussten.

Weihnachten aber ist mehr, ist viel mehr!

Wie also sollte Weihnachten gefiert werden? Zunächst einmal im redlichen Bemühen, gläubig in sein Geheimnis einzudringen. Dazu braucht es an sich weder Stimmung noch Rührung noch Gefühlvoll-Sentimentales, wie es sich vielfach in Lied und Brauch um Weihnachten herumgelagert hat.

Man kann ja an sich gar wohl verstehen, wenn junge, kritische Menschen heute aufbegehren gegen den sinnlosen Geschenkrummel, die Konsumorgien und die allzu privatistische Rührseligkeit von Weihnachten und statt dessen sozialkritisch aufmerksam nachten auf die Not von Randgruppen der Gesellschaft, auf die Ungerechtigkeit von Kriegen und auf den Hunger in der Dritten Welt. Die Forderung nach Verzicht auf Luxusgeschenke und das. Verzichtleisten zugunsten von sozial-caritativen Hilfswerken in der Heimat, in Katastrophengebieten der weiten Welt und in den Entwicklungsländern hätte da sicher seine volle Berechtigung. Es ist bei uns ja sicher wieder viel geopfert worden in der Adveniat-Aktion und anderen Aktionen für den "Bruder in Not".

Dennoch sollte man zu Weihnachten auf das eigentliche Feiern nicht verzichten.

Das richtige Weihnachtsfeiern sollte nicht bloß vom üblichen konsum- und prestige-orientierten Geschenkezwang gelöst werden, sondern sollte zu allererst einmal sich äußern im rechten Zeit-nehmen füreinander in der Ehe und Familie: Im Geiste Jesu Christi, den man zu Weihnachten feiert, sollte man den Mitmenschen, vor allem den Familienangehörigen das wieder einmal schenken, was sie wirklich brauchen: Zeit für ein verständnisvolles Gespräch, Bereitschaft zur Versöhnung in den privaten Beziehungen und das rechte Gut-sein zueinander.

Darüber hinaus aber sollte sich das richtige Weihnachten-Feiern auch dadurch zeigen, dass man es wagt, Jesus Christus wieder einmal in den Mittelpunkt des Gesprächs zu stellen. Bei einem Glaubensgespräch zu Weihnachten sollte man wieder einmal darüber nachdenken und seine Erfahrungen und Gedanken darüber austauschen, was uns Jesus Christus, dessen Geburtstag gefeiert wird, bedeutet, und zwar der ganze Jesus, sein Weg, seine Botschaft, sein Werk, sein Verhältnis zum Vater und zu den Menschen, nicht nur sein Geborenwerden in der Nacht von Betlehem. Einmal könnte dabei die Frage im Vordergrund stehen, wie wir Jesus Christus heute sehen - im Unterschied zum Jesusbild, das wir in unserer Kindheit hatten. Oder dann wieder die Frage, wo wir Jesus am überzeugendsten als eine gegenwärtige Wirklichkeit, nicht bloß als Gestalt der Vergangenheit sehen können. Dann etwa wieder die Frage, welche biblische Aussage oder welche künstlerische Darstellung uns am unmittelbarsten anspricht. Da ist vor ein paar Jahren ein Buch erschienen, herausgegeben von Heinrich Spaemann mit dem Titel: "Wer ist Jesus Christus für mich? 100 zeitgenössische Zeugnisse" (Kösel-Verlag München). Dieses Buch gibt Anregungen in Fülle zu einem weihnachtlichen Glaubensgespräch in trauter familiärer Runde. Gleiches gilt von meinem kleinen Buch "Warum ist Gott ein Kind geworden?"

Ein solches Glaubensgespräch könnte helfen, das weihnachtliche Feiern aus aller allzu sehr verweltlichten Art oder aus allem allzu sentimental Gefühlsmäßigen herauszuführen und zur rechten Tiefe und Besinnlichkeit hinzuführen. Zu diesem so begonnenen Weihnachten-feiern müsste dann selbstverständlich immer auch der liturgische Höhepunkt kommen: der schön gestaltete und im rechten Geist mitgefeierte weihnachtliche Gottesdienst, in welchem ja derselbe Christus immer wieder wahrhaft gegenwärtig wird, den einst vor 1976 Jahren die seligste Jungfrau Maria im Stall zu Betlehem geboren hat. Glauben wir daran und beugen wir dankbar anbetend die Knie, wenn wir im Credo der hl. Messe das "Incarnatus..." beten oder singen hören: "Unsertwegen und unseres Heiles wegen ist Er, der Sohn Gottes, vom Himmel herabgestiegen, Er hat Fleisch angenommen durch den Hl. Geist aus Maria der Jungfrau und ist Mensch geworden". Amen.