Fest der hl. Familie: Jesus, Maria und Josef
gehalten in St. M. Loreto am 30.12.1979
Jeden Sonntag pflegen wir hier in Loreto nach der hl. Messe und der Wiederaussetzung des Allerheiligsten um heilige Familien und gute Priester und Ordensleute zu beten. – Heute, am Fest der hl. Familie tun wir es auch und tun wir es ganz besonders mit dem Blick auf die hl. Familie schlechthin: Die hl. Familie von Bethlehem und Nazareth – Vorbild jeder christlichen Familie.
Was ich von der rechten Mitfeier der hl. Messe gern zu sagen pflege, dass nämlich alle Teilnehmer an der Messfeier sich zusammenschließen sollten zu einer rechten Gebetsgemeinschaft, Opfergemeinschaft und Mahlgemeinschaft, das gilt von der hl. Familie von Nazareth, das sollte auch von jeder christlichen Familie gelten, die sich redlich bemüht, zu einer hl. Familie heranzureifen: Gebetsgemeinschaft muss sie sein, aber auch Opfergemeinschaft und Mahlgemeinschaft und das nicht bloß in leiblicher Hinsicht, sondern auch in übernatürlicher, sakramentaler Sicht.
1. Die christliche Familie, die sich nach dem Vorbild der hl. Familie orientiert, muss eine Gebetsgemeinschaft sein. Man hat ja mit Recht den Grundsatz aufgestellt: Eine Familie, die zusammen betet, hält auch zusammen. Diesen Grundsatz hat ein Amerikaner, der Volksmissionär P. Patrik Peyton aufgestellt, der Gründer und Propagator des Kreuzzugs für den Familienrosenkranz. Nach dem 2. Weltkrieg erlebte er, wie in den USA trotz des errungenen Sieges die Familien, die lange den Gatten, den Vater durch Kriegseinsatz entbehren mussten, nun, da er wieder in die Familie zurückkehrte, nicht mehr recht harmonierten; es fehlte auf einmal weithin am Familiengebet. Man war sich gegenseitig entfremdet, man verstand sich nicht mehr, man betete nicht mehr zusammen. So fing P. Peyton an, für den gemeinsam gebeteten Rosenkranz die „Werbetrommel” zu rühren; es wurde ein großer Erfolg, eine richtige Volksbewegung entstand. Man ging auf seine Vorschläge ein und fing wieder an, zusammen in der Familie, die Eltern miteinander, die Eltern vor den Kindern, mit den Kindern, für die Kinder zu beten. Und auf einmal erlebte er es, wie man ihm dankbar anerkennend schrieb: Seit wir wieder miteinander beten, ist wieder Friede und Harmonie in unserer Ehe, in unserer Familie eingekehrt! P. Patrik Peyton verstand es, bei seinem Kreuzzug für den Familienrosenkranz auf das Vorbild der hl. Familie hinzuweisen, die im schönsten Sinn des Wortes eine Gebetsgemeinschaft war: Wenn man nämlich das Beten mit Recht ein frommes Sprechen mit Gott und den Heiligen genannt hat, so war eigentlich jedes Sprechen der Angehörigen in der hl. Familie miteinander ein immerwährendes Gebet: Das Sprechen Marias und Josephs mit Jesus war sicher ein Gebet, wenn man bedenkt, dass dieses Kind in der hl. Familie ja der menschgewordenen Sohn Gottes ist. Und das Sprechen des Jesuskindes mit Maria und Joseph war sicher auch Gebet, wenn das Beten ein Sprechen mit den Heiligen ist und Maria und Joseph zweifellos die größten Heiligen sind, die über unsere Erde gingen.
In dieser hl. Familie hat sicher das Tagewerk immer mit Gebet begonnen und ist sicher mit Gebet beschlossen worden. Und das Gebet, das aus dieser hl. Familie zum Himmel emporstieg, war sicher nicht nur Bittgebet in den irdischen Sorgen, sondern zuallererst ganz gewiss immer Lobgebet der Verherrlichung des himmlischen Vaters und Ausdruck der Ergebung in seinen heiligsten Willen: „Ja, Vater!“
2. Die christliche Familie nach dem Vorbild der hl. Familie als eine Opfergemeinschaft:
Zu jeder Gemeinschaft gehören zumindest die Opfer und Verzichtleistungen des Sich-Einfügens und Einordnens in Geduld und Liebe; denn wo die Bereitschaft und der Wille dazu fehlt, zerbricht eine Gemeinschaft und wäre sie noch so ideal geplant wie eine klösterliche Gemeinschaft. In jeder Familie ist es auch so: Es braucht Einordnung und Unterordnung im Verzicht auf eigene Wünsche und auf den eigenen Willen. Das ist nicht immer leicht, das fordert Opfer von jedem Familienmitglied. So wird die Familie zur Opfergemeinschaft. Ich meine das aber in einem noch tieferen Sinn. Denn in keiner Familie bleiben die Prüfungen, die Schicksalsschläge, die Heimsuchungen aus. So war es in der hl. Familie! Denken wir an die Armut im Stall zu Bethlehem, denken wir an die Flucht nach Ägypten, denken wir an jene Szene, die uns im heutigen Evangelium geschildert wird: Das Zurückbleiben des Jesusknaben im Tempel – das schmerzliche Suchen der Eltern – das befremdende Wort des Jesusknaben an seine Mutter („Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“). – Dieses Wort sollte die Mutter auf noch größeren und noch schmerzlicheren Verzicht vorbereiten: auf die Passion Jesu, auf die Schmerzen, die wie ein Schwert dabei das Herz der Mutter durchbohren werden! – In der hl. Familie gab es dann, wenn Gott Opfer forderte und Leid schickte, kein Murren, kein Aufbegehren gegen den Willen Gottes, im Gegenteil: über allem Leid stand allezeit groß und verklärend die Ergebung in den hl. Willen des himmlischen Vaters und die allzeit vorhandene Opferbereitschaft, die diese drei heiligsten Personen zusammenschmiedete im Gedanken, dass durch diese Opfer dem Vater im Himmel Sühne geleistet würde zur Entsühnung und Erlösung der sündigen Menschheit. – In jeder christlichen Familie müsste es nach dem Vorbild der hl. Familie auch so sein! Wie viel Segen ginge dann von solchen Familien aus! Sie würden dabei einen gewaltigen Beitrag leisten zur Entsühnung der fluchbeladenen Menschheit und zur Fortsetzung des Erlösungswerkes Jesu Christi!
3. Jede christliche Familie sollte nach dem Vorbild der hl. Familie auch eine Mahlgemeinschaft im schönsten Sinn dieses Wortes sein. Mahlgemeinschaft, das sind ja unsere Familien meistens schon noch: Man kommt noch zum Essen heim. Aber auch dies ist nicht mehr so ohne weiteres möglich: Jedes Familienmitglied kommt vielleicht zu einer ganz anderen Zeit zum Essen nach Hause, jeder verschlingt halt das vorbereitete oder wieder aufgewärmte Essen, aber von Gemeinschaft, die bei einem richtigen Mahl gebildet und verstärkt würde durch das Gespräch miteinander, durch das Mitteilen und Besprechen von Sorgen und Anliegen, das kommt meistens schon nicht mehr zustande. Schade! Dabei sollte die christliche Familie ja noch im viel tieferen und höheren Sinn Mahlgemeinschaft sein beim sonntäglichen Kirchgang zum gemeinsam empfangenen Opfermahl der hl. Eucharistie. Wie würde das doch noch mehr als das gemeinsame Gebet eine Familie zusammenschmieden und zusammenschweißen! Denn dabei würde immer wieder das verwirklicht, was Christus gesagt hat mit den Worten: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen!“
4. Die christliche Familie müsste wieder viel mehr, als das heutzutage weithin der Fall ist, nach dem Vorbild der hl. Familie zu einer Gemeinschaft werden, in der es nicht das Gegeneinander oder das armselige Nebeneinander bloß gibt, sondern das beglückende Miteinander und Füreinander. „Miteinander Kirche leben“, das war vor ein paar Jahren in unserer Erzdiözese das große, bedeutsame Jahresprogramm. Miteinander, nicht gegeneinander, nicht bloß nebeneinander! Das gilt auch für die Gemeinschaft der Familie, der christlichen Familie nach dem Vorbild der hl. Familie!
Man hat mit Recht gesagt, dass die Familie, in der man sich bemüht, nach dem Vorbild der hl. Familie als Gebetsgemeinschaft, Opfergemeinschaft und Mahlgemeinschaft in einem schönen, harmonischen Miteinander und Füreinander zusammenzuleben, ein Rest des verlorengegangenen Paradieses ist. Es stimmt! Es ist längst versunken, das Paradies der ersten Menschheit, eine leise Sehnsucht danach ist geblieben in allen Weltanschauungen und Ideologien. Einen Abglanz des ersten Paradieses hat Gott der Menschheit geschenkt in der hl. Familie von Nazareth, deren Kennzeichen die Reinheit, die Einheit und die Heiligkeit vor Gott waren. Und jede christliche Familie, die sich bemüht, nach dem Vorbild der hl. Familie zu leben, wäre dann tatsächlich ein Rest des verlorenen Paradieses! Beten wir heute zur hl. Familie darum, dass es viele christliche Familien wieder redlich versuchen, so zu leben: in Reinheit, in Einheit, in Heiligkeit! Es muss möglich sein, denn es gibt der Beispiele dafür genug aus dem Leben verschiedener Heiligen. In solchen Familien würden dann auch wieder gute Priester und Ordensschwestern heranreifen, auch das hat sich immer wieder gezeigt.