2. Adventsonntag - A
gehalten in St. M. Loreto am 4.Dez.1983
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Die Kirche hat uns für die Adventzeit neben der demütigen Magd des Herrn vor allem den Vorläufer und Wegbereiter des Herrn, Johannes den Täufer als Adventprediger vor Augen gestellt. Jedesmal tritt in den Evangelien der Adventsonntage der Täufer vor uns hin und predigt uns, wie wir dem Herrn, der da kommen soll, den Weg bereiten müssen. Heute predigt er uns vor allem “Metanoia”. Dieses griechische Wort „Metanoia“ bedeutet zunächst nicht Buße, wie es gewöhnlich übersetzt wird, sondern Umkehr, und zwar im Sinn von radikaler Kehrtwendung. Johannes predigte, wir Menschen sollen, um Christus den Weg zu bereiten, vor allem und zu allererst von der verkehrten Richtung die wir eingeschlagen haben, ablassen, wir sollen umkehren, zurückkehren, heimkehren zu Gott und zu seinen Geboten.
Das Wort Metanoia = Umkehr muss man sich sehr konkret klar machen: Ich bin mit meinem Auto in eine Sackgasse hineingeraten und komme da nicht mehr weiter. Was bleibt mir übrig, als am Ende der Sackgasse umzukehren und einen neuen Weg suchen, der mich zum gewünschten Ziel bringt. Oder ein anderes konkretes Beispiel für Metaroia = Umkehr: Ich habe eine Wanderung im Hochgebirge gemacht. Alles ist gut markiert, die gefährlichen Strecken bei dieser Bergpartie sind sogar durch Drähte gesichert, damit die Bergsteiger nicht abstürzen. Aber dann sind starke Nebel aufgezogen, ich habe vor Einbruch der Nacht mein Ziel nicht mehr erreichen können. Da war es das Klügste, umzukehren und die Nacht in der Schutzhütte zu verbringen und am nächsten Morgen bei besserem Wetter, ohne Nebel, den Aufstieg zum Gipfel zu wagen.
Noch so ein konkretes Beispiel, wo sich das Umkehren nahe legte: Beim Skilaufen im Gebirge gerieten Freunde an eine Stelle, wo auf einem Warnschild zu lesen stand: Vorsicht, Lawinengefahr! Im Radio hatte man ohnedies in der Frühe schon vom Föhneinfluss gesprochen, der den Lawinenabgang begünstigen könnte. Da wäre es im höchsten Maß fahrlässig gewesen, wenn meine Freunde; die an sich ausgezeichnete Skifahrer waren, ihren Weg fortgesetzt hätten, statt umzukehren...
Metanoia = Umkehr. Nun wissen wir, was Johannes der Täufer im heutigen SoEv meint, wenn er dreimal in kurzen Sätzen und so, dass es jeder verstehen kann, von der Umkehr spricht, das Thema „Umkehr“ behandelt, und zwar so, dass es auch für uns Christen des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu einem eindringlichen, dreifachen Appell wird:
Der 1. Appell: Kehret um!
Der 2. Appell: Bringt Früchte ‚die den Ernst eurer Umkehr beweisen!
Der 3. Appell:Ich taufe euch zum Zeichen eurer Umkehr mit Wasser!
Der 1. Appell: Kehret um! Das ruft uns nicht bloß Johannes d.T. zu, das ruft uns auch die ganze ernste Zeitsituation zu, das ruft uns auch die Gottesmutter Maria in La Salette, in Lourdes und Fatima zu, das ruft uns auch der Nachfolger Petri, der Papst immer wieder zu. Haben sich nicht allzu viele total verrannt und sind in einer Sackgasse gelandet, wo sie sich selber sagen müssen: So kann es nicht mehr weitergehen, denn wenn wir so weitermachen in Lauheit und Gleichgültigkeit, in sittlicher Haltlosigkeit, in der wir nur noch auf immer mehr Wohlstand und Lustgewinn auswaren, geht es einfach nicht mehr weiter. Ja, sogar die Art, wie wir alle in den letzten Jahren Advent und Weihnachten gefeiert haben, als großen Geschäftsrummel, sentimental und äußerlich verspielt, das kann doch unmöglich der richtige Weg sein, um Weihnachten wirklich gnadenreich zu erleben! Die Geburt dessen, der uns alle heilmachen wollte und es allein vermag, verlief doch ganz anders. Da war doch nicht ausgelassene Stimmung und sinnloses Schenken und Beschenktwerden, sondern die Armut, der Verzicht auf allen Luxus, auf allen Wohlstand: Der Stall, die Krippe, auf die schon das Kreuz seinen Schatten warf! Der alljährliche Weg, der im Advent zur Weihnacht hinführt, wird wirklich zu einer Sackgasse, wenn man sich nur in der Unverbindlichkeit sentimentaler Stimmung aufhält und auf das Wesentliche vergisst, das der uns lehren und vorleben wollte von der Krippe bis zum Kreuz, der da „unsertwegen und unseres Heiles wegen“ vom Himmel herabgestiegen ist. Umkehr tut not, jene Umkehr, zu der uns im Geiste Johannes d.T. die Kirche aufruft!
Der 2.Appell: Bringt Früchte, die den Ernst eurer Umkehr beweisen! So predigte Johannes d.T. Was wären solche Früchte der Buße, die den Ernst unserer Umkehr beweisen? So haben damals die Menschen, die zu Johannes d.T. an den Jordan kamen, auch schon gefragt: „Was sollen wir tun?“ Und Johannes sagte ihnen, sie sollten zu allererst ihre Sünder bekennen und bereuen. Ja, das wäre eine erste Frucht unserer Umkehr: eine gute, aufrichtige, ernste Beichte! Eine ehrliche Advent- und Weihnachtsbeichte, in der man zu allererst eingesteht, dass man sich in eine Sackgasse hinein verrannt hat und dass man sich vom Zeitgeist, vom Weltgeist allzusehr hat anstecken lassen. Zum Zeitgeist aber gehört, dass man glaubt, alles sei erlaubt, nichts sei Sünde. Darum ist weithin das Sakrament der Buße ein vernachlässigtes, geringgeschätztes, vergessenes Sakrament. So erlebtes ich es an einem Adventsonntag in einer Pfarre: Bei den Gottesdiensten rannte alles zur Kommunion vor, aber niemand fand in den Beichtstuhl hinein. Was hat der Namenskollege des Täufers, der Apostel Johannes in seinem 1. Brief (1 Joh 1,8ff) geschrieben? „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht. Wenn wir sagen, dass wir keine Sünden haben, machen wir Gott zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.“
Und als die Menschen den Täufer Johannes am Jordan weiter fragten, was sie denn tun sollten, um Früchte der Buße vorzuweisen, da sagte Johannes d.T. : „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, handle ebenso.“(Lk 3,11) Also auf das teilen mit dem Bruder in Not käme es an. Das wäre wieder eine Frucht, die den Ernst unserer Umkehrbereitschaft beweist. Ganz konkret: Ob wir in diesen adventlichen Tagen nicht unsere Kleiderbestände sichten und das Entbehrliche weggeben sollten für die Caritas, die dafür in der Heimat und in den Entwicklungsländern unter den Armen genug Abnehmer fände. Und Gleiches gilt für die Nahrungs- und Genussmittel: Während wir immer noch im Überfluss leben, gibt es in der weiten Welt, wie man errechnet hat, mindestens 600 Millionen Menschen, die am Verhungern sind.
Auch Zöllner kamen zu Johannes dem Täufer und fragten, womit sie denn den Ernst und die Echtheit ihrer Umkehrbereitschaft beweisen könnten. Und die Antwort Johannes d.T. lautete: „Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!“ Die modernen Zöllner sitzen nicht an Grenzübergängen, sondern dort, wo Menschen ihre Mitmenschen überfordern und zu ihnen hart und lieblos sind! Das wäre also wieder eine echte Frucht der Umkehr: die Liebe, in der wir die anderen nicht unterdrücken, sondern ihnen helfen, mit der Not fertig zu werden.
Und wenn Johannes d.T. zuletzt zu den Soldaten gesagt hat: „Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!“, so können wir nun, diese Forderung auf uns anwendend, sagen: Früchte der Buße und Umkehr wären echte Friedfertigkeit in einer Zeit, wo so viel Gehässigkeit und Streitsucht vorhanden sind. Auch die rechte Zufriedenheit wäre eine Frucht der Umkehr, in der man verzichtet, immer noch mehr zu fordern, und auf vermeintliche oder auch echte Rechte und Privilegien verzichtet und einmal mehr an die Pflichten denkt, die man erfüllen müsste, damit es ein friedvolles Zusammenleben in der Ehe, in der Familie, in der Gemeinde, im Land geben kann. Der wahre Friede kommt nicht durch große Friedensbewegungen und Demonstrationen, sondern fängt bei jedem einzelnen an, der Frieden hält und wieder herstellt, wo er im eigenen Herzen, in der eigenen Familie abhanden gekommen ist.
3.Appell Johannes des Täufers: „Ich taufe euch zum Zeichen eurer Umkehr mit Wasser“, sozusagen im Vorgriff auf die Taufe mit Hl. Geist und mit Feuer, die nur Er, Christus, der Messias vollziehen kann. Die Bußtaufe des Johannes erinnert uns an unsere Taufe, in der wir in Christus hineingetauft worden sind. Wir sollten wieder mehr aus diesem hl. Sakrament leben, nicht als Taufscheinkatholiken, sondern als taufbewusste Christen, die sich in Christus, in seinen Geist, in seine Gnade hineintauchen lassen und in der Gnade Gottes leben als Gnadenkinder, als Gotteskinder, als Kinder des Lichtes, die alle Finsternis in ihrer Seele zum Verschwinden bringen und andere mit dem Licht ihrer Gläubigkeit und Glaubwürdigkeit, was ihr Christsein betrifft, erleuchten gemäß der Forderung des Herrn: Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und den Vater preisen, der im Himmel ist!
Lassen wir den dreifachen Appell des Täufers Johannes zur Umkehr auf uns wirken, damit er nicht das harte Wort auch uns zurufen muss wie den Pharisäern damals: „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch zum Zeichen der Umkehr mit Wasser, aber der nach mir kommt, ist stärker als ich; Er wird euch mit Hl. Geist und mit Feuer taufen. Schön hält Er die Schaufel in der Hand, und Er wird die Spreu vom Weizen absondern und den Weizen in seiner Scheune sammeln, die Spreu aber wird Er in nie erlöschendem Feuer verbrennen“.