Das Marienbild der Kirche

Predigtzyklus in der Kollegienkirche, Salzburg, 19.-22.Mai 1946

 

1. Maria als Gegenstand des Glaubens

2. Mariens Unbefleckte EmpfŠngnis

3. Mariens GnadenfŸlle.

4. Mariens Gottesmutterschaft.

 

 

4. Predigt : Mariens GottesmutterwŸrde , 22.5.1946

 

Katholische Jugend, katholische Frauen und MŠnner!

Vor Jahren hielt uns im BorromŠum bei einer Maiandacht der verstorbene Salzburger Heimatdichter Anton Pichler eine Ansprache, die auf uns Studenten damals in der schlichten, besinnlichen u. doch so begeisternden Art tiefen Eindruck machte. Der Dichter begann damals seine Ansprache mit folgenden Versen, die mir immer im GedŠchtnis blieben:

"Alles, was schšn ist, alles, was heilig, klingt aus dem Wort Dir: Eine Mutter!

Alles, was Liebe, alles, was GŸte, kŸndet das Wort Dir: Meine Mutter!

Dir soll Dein Trost Sein: All Deine Sorgen nimmt sie hinweg Dir: Deine Mutter!

Alles, was Leid ist, einsam Entbehren, klagt aus dem dort Dir: Keine Mutter! "

Seht, liebe GlŠubige, an diese Verse unseres Salzburger Priesterdichters Anton Pichler musste ich denken, als ich mich daran machte, die heutige Predigt vorzubereiten, in der ich noch vom wichtigsten und be­deutungsvollsten Zug im Marienbild der Kirche zu euch sprechen soll. Von der Gottesmutterschaft Mariens!

Bisher stand das Marienbild der Kirche in seiner strahlenden Reinheit und leuchtenden Schšnheit vor uns: Unbefleckte EmpfŠngnis und GnadenfŸlle Mariens, wahrlich ein Kunstwerk, in welchem der gro§e Meister Gott sich gleichsam selber Ÿbertroffen hat. Maria selbst mag damals, als sie Ÿber das Gebirge zu ihrer Verwandten Elisabeth eilte, beim Anblick der herrlichen FrŸhlingspracht gespŸrt haben, wie unbeschreiblich grš§er die Pracht und Schšnheit ihres Seelenreichtums u. ihrer GnadenfŸlle war, wenn sie es aus Ÿbervollem Herzen heraus jubelte : "Gro§es, hat an mir getan, der da mŠchtig und dessen Narre heilig ist!" Sie musste da gleichsam die Allmacht und Heiligkeit des ewigen Gottes selber zu Zeugen anrufen fŸr das Gro§e, das Er in ihrer Seele geschaffen und gebildet hatte in jener GnadenfŸlle, die er Ÿber sie ergoss. Aber noch Grš§eres, hatte wenige Stunden vorher der ewige Gott an ihr getan, als sie von der Kraft des Allerhšchsten Ÿberschattet worden war und vom Hl .Geist empfangen hatte und Mutter des Sohnes Gottes wurde. Das ist Mariens ganze Grš§e, das ist Mariens hšchste WŸrde. Und alle anderen GnadenvorzŸge, die wir bisher an ihr bewundert haben, sind nur Voraussetzung fŸr diese hšchste aller WŸrden. Unbefleckte EmpfŠngnis, GnadenfŸlle, SŸndelosigkeit, Tugendreichtum, sie sind gleichsam nur die Umrahmung des glŠnzenden Bildes, das vor uns ersteht, wenn wir bekennen: Maria = Gottesmutter!

Und Grš§eres und Gewaltigeres lŠsst sich von Maria nicht mehr sagen als eben dieses: Maria - Gottesmutter.

Kein Wunder , wenn darum auch die Angriffe gegen diesen Ehrentitel Mariens von den Feinden unseres Glaubens in allerschŠrfster Form gefŸhrt wurden von Nestorius im 4.Jahrhundert angefangen Ÿber die Reformatoren herein zu den Vertretern des Neuheidentums der letzten Jahre, von denen einer in gemeiner Weise sich zur gotteslŠsterischen Behauptung verstiegen hat:

Was geht das uns an, dass vor zweitausend Jahren die jŸdische Dirne Maria ihr lediges Kind in einem Stalle zur Welt gebracht hat! So spricht nur Hass und blinder Unglaube.

Wir glŠubigen Menschen aber bekennen mit unserer Kirche: Credo, ich glaube an Gott den AllmŠchtigen ...und an Jesus Christus seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist vom hl. Geist, geboren aus Maria, der Jungfrau...          Und weil wir an die Menschwerdung Gottes und an die Gottheit Jesu Christi glauben, darum glauben wir auch, dass Maria wirklich im vollen Sinn des Wortes der Ehrentitel "GottesgebŠrerin - Gottesmutter" zusteht. Und wir wissen uns darin in †bereinstimmung mit dem Glauben der Blutzeugen der Katakomben Zeit, wir wissen uns darin in Einklang mit den Konzil von Ephesus im Jahre 431, wir wissen uns darin in Einklang mit der gesamten †berlieferung herauf durch die Jahrhunderte bis in unsere Tage, da Pius XI. auch noch ein eigenes Fest zu Ehren der Gottesmutterschaft Mariens einsetzte und allgemein in der Kirche zu feiern befahl. Wir wissen uns darin vor allem aber auch in Einklang mit der Offenbarung Gottes in der Hl. Schrift, wo der griechische Geschichtsschreiber Lukas aus Antiochien in geschichtlicher Genauigkeit und ZuverlŠssigkeit von dieser grš§ten Stunde der Menschheitsgeschichte berichtet: "In den Tagen des Herodes, des Kšnigs von JudŠa... wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt GalilŠas mit Namen Nazareth zu einer Jungfrau...         
Und da erklingt dann die gro§e Botschaft, die Isaias Jahrhunderte vorher vorausgesagt hatte: ".Siehe, du wirst empfangen u. einen Sohn gebŠren. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Dieser wird gro§ sein u. Sohn des Allerhšchsten genannt werden...und seines Reiches wird kein Ende sein!" Maria, die Makellose Jungfrau, fragt in ehrfurchts­vollem Staunen: ãW.ie wird das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" Sie will mit ihrer Frage nicht Zweifel setzen in Gottes Wort. Sie wei§ sich nur schon gebunden, da sie irdischer Liebe entsagte und ihr ganzes Sein dem Herrn verlobte zu immerwŠhrender JungfrŠulichkeit.

Und der Bote des Himmels gibt AufklŠrung u. Antwort: "Der Hl .Geist wird Ÿber Dich kommen und die Kraft des Allerhšchsten wird Dich Ÿberschatten. Darum wird auch das Heilige, das aus Dir geboren werden soll, Sohn Gottes hei§en...." Der allmŠchtige Gott bietet hier der Jungfrau die Krone heiligster MutterwŸrde an, mit der Versicherung, den Lilienkranz ihrer JungfrŠulichkeit nicht zu zerblŠttern. Und nun spricht Maria in heiliger Bereitschaft u. in tiefster Demut zugleich das grš§te Wort ihres Lebens: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte!Ò

Und dieses Jawort macht aus der demŸtigen Magd die heiligste Mutter und besiegelt die geheimnisvollste Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen dem ewigen Gott u. dem Menschengeschlecht. Nach diesem Jawort wird es stille in der Zelle der Gottesbraut; so stille wie bei der Wandlung  in unseren Kirchen, weil ja auch hier das Wort am Platze ist: Mysterium fidei! Der Engel aber neigt sich in tiefster Ehrfurcht, denn er wei§ um die Grš§e dieses Augenblicks und um die Heiligkeit des Ortes, an welchem spŠtere Generationen die Worte einmei§eln sollten in Goldbuchstaben tiefsten Glaubens und dankbarster Liebe: Hic Verbum caro factum est! Hier ist das Wort Gottes Fleisch geworden!

Wenn wir diesem schauervoll gro§en Geheimnis der Menschwerdung Gottes nachsinnen, wie es uns Lukas in seinem Evangelium berichtet, so ahnen wir, welche unbeschreibliche WŸrde in jenem Augenblick Maria zuteilwurde : Gott Sohn bietet sich in unbegreiflicher Herablassung u. Liebe dem Vater an, die sŸndige Menschheit zu erlšsen. Dazu will er Mensch werden, um leiden u. sterben zu kšnnen. Er will dabei auf alle Herrlichkeit gšttlicher MajestŠt verzichten und den Menschen in allem gleich werden, alles mit ihnen teilend: Armut und Not, Obdachlosigkeit u. Heimatlosigkeit, Hunger und Durst, Sorge u. MŸdigkeit, Leid u. Tod. Nur eins will er sich dem Vater gegenŸber ausbedingen: Zu einem Menschen will er im vollen Sinn des Wortes Mutter sagen kšnnen und von einem Menschen will er die zarteste Liebe empfangen, die denkbar ist: Mutterliebe. Und da fŠllt von Ewigkeit her Gottes Gnadenwahl auf Maria!

Als dann die FŸlle der Zeiten nach dem langen Všlkeradvent dunkelsten Heidentums u. tiefster SŸndennot anbrach, da vollzieht sich unter dem unbefleckten Herzen Mariens das gro§e Geheimnis: Die zweite Gšttliche Person nimmt im Mysterium der hypostatischen Union Menschennatur an, vereinigt in der einen gšttlichen Person gšttliche u. menschliche Natur zum Gottmenschen Jesus Christus: Empfangen vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau. Und so beginnt die menschgewordene ewige Liebe ihren Herzschlag auf dieser Welt am Herzen der Jungfrau Mutter Maria. Und der erste Blick des Gotteskindes in der Krippe fŠllt auf diese reinste Mutter. Und die erste Liebe, die der Gottmensch sich schenken lŠsst, ist Mutterliebe. Und das erste dort, das Ÿber seine Lippen kommt, hei§t Mutter. Und seine heiligen HŠnde, die sich einmal ausbreiten sollen, um alle Menschen an sich zu ziehen, strecken sich beim ersten Mal einer Mutter entgegen. Am Mutterherzen Mariens wird er dann in den Tempel getragen, um zum ersten Mal immaculata hostia zu sein in den Armen der Virgo immaculata. Am Mutterherzen geborgen flieht er dann vor den Nachstellungen des Herodes nach €gypten. Den grš§ten Teil seines Erdenlebens verbringt der Gottmensch dann in der Verborgenheit von Nazareth in der NŠhe seiner Mutter. Das letzte Pochen des zermarterten gottmenschlichen Herzens am Kreuze gilt dann auch noch seiner Mutter.

Seht, liebe GlŠubige, das ist Mariens ganze Grš§e: Dass sie dem Gottmenschen nahe sein durfte wie sonst niemand, durch die heilige NŠhe der Mutterschaft.

Jetzt begreifen wir es auch besser, warum Maria und sie allein unbefleckt empfangen werden musste: Wegen der GottesnŠhe, zu der sie berufen war in der Mutterschaft.

Jetzt begreifen wir es auch besser, warum Gott Ÿber dieses Geschšpf eine GnadenfŸlle sondergleichen ergossen hat: Wegen der GottesnŠhe, zu der sie berufen war in ihrer Mutterschaft.

Mariens GottesmutterwŸrde ist der tiefste Grund, warum sie und sie allein eine GnadenfŸlle und Seelenschšnheit, SŸndelosigkeit und TugendfŸlle aufzuweisen hat, wie sie keinem der heiligen sonst und auch nicht allen zusammengenommen zu eigen war.

Diese GottesmutterwŸrde Mariens ist aber auch der tiefste Grund, warum wir Katholiken Maria solch zarte, warme, starke Liebe und Verehrung zollen: Weil sie eben Gottesmutter ist, Mutter des menschgewordenen Sohnes Gottes. Und niemals kšnnen wir hierin zu viel des Guten tun, denn alle Verehrung, die wir der Mutter zollen, stršmt ja auf ihren Sohn zurŸck. Wir verehren und lieben und grŸ§en sie ja nur, weil die Frucht ihres Leibes, Jesus, unser Herr u. Heiland u. Erlšser ist.

Und diese GottesmutterwŸrde ist schlie§lich auch der tiefste Grund, warum wir glŠubigen Menschen in Maria so grenzenloses Vertrauen auf die Macht ihrer FŸrbitte setzen; weil sie eben als Mutter dem Gottmenschen Jesus Christus so nahe steht. Wer vermag denn mehr beim Sohn als seine Mutter?

So sehen wir glŠubigen Menschen Maria in ihrer hšchsten WŸrde: Die jungfrŠuliche Mutter unseres Herrn.

In Rom zeigt man im Kloster Sma Trinita ai Monti ein schšnes Gnadenbild Mariens unter dem Titel Mater ter amabilis.

Und die Legende erzŠhlt: Eine Klosterfrau wollte an die Hauptwand ihrer Zelle ein Bild Mariens malen. Aber je mehr sie es versuchte und je mehr sie sich mŸhte, umso mehr musste sie merken, wie armselig dieses Bild jener entsprach, die sie in ihrer ganzen Schšnheit darstellen wollte. Traurig ging sie zur Ruhe mit dem Gebet auf den Lippen, Maria mšchte ihr doch helfen, ihr Bild so zu malen, wie es ihrer Schšnheit halbwegs entsprechen kšnnte. Und als sie am anderen Morgen erwachte, erblickte sie an Stelle des armseligen Versuches vom Vortag jenes ergreifend schšne Bild, das heute noch gezeigt und viel verehrt wird.

Seht, liebe GlŠubige, so ist es auch mir ergangen. Ich versuchte vor euren Augen ein Bild derer zu entwerfen, die die ãtota pulchraÒ die ganz schšne, jungfrŠuliche Mutter unsres Herrn ist. Aber es gelang mir schlecht. So steige ich nun von der Kanzel mit der Bitte an Maria auf den Lippen, sie selber mšge in euch allen ihr Bild so ergreifend schšn entwerfen und in eure Herzen graben, dass ihr sie nimmer vergessen kšnnt, sie von der Christus der Herr uns zuruft: Alles, was schšn ist, alles was heilig, klingt aus dem Wort dir: Eine Mutter.! Alles, was Liebe, alles, was GŸte, kŸndet das Wort dir: Meine Mutter!