Maria, Kšnigin der Pole
Ein Marienmonat
geht zu Ende, der źberreich an Festen und festlichen Ereignissen war. Ich denke
da nicht nur an die gro§en Feste des Kirchenjahres, die diesmal in den Monat
Mai fielen. Ich denke da vor allem an die festliche Domfestwoche, zu deren
festlichem Gelingen auch Ihr BorromŠisten so viel beitragen musstet und sicher
auch – trotz aller zeitlichen Belastung – gerne beigetragen habt.
Wenn ich da
einleitend zu meinem Vortrag fźr eure letzte Maiandacht nochmals an die
Domfestwoche und an den so herrlich wieder erstandenen Dom erinnerte, so tat
ich es deshalb, weil in dieser Mutterkirche unserer Erzdišzese schon seit den
Tagen des hl. Virgil, des ersten Domerbauers neben dem gšttlichen Heiland auch
seine jungfrŠuliche Mutter immer verehrt wurde.
Der sel. Alkuin,
der berźhmte Hoftheologe Karls des Gro§en – wir kšnnten wohl auch sagen:
der erste Unterrichtsminister des frŠnkischen Reiches – besuchte einmal
hier in Salzburg seinen Freund Arno, den ersten Salzburger Erzbischof.
Der sel. Arno mag
seinen Freund Alkuin nach St. Peter und in den von seinem VorgŠnger, dem hl.
Virgil erbauten Dom gefźhrt haben. Alkuin mag diesen schšnen Dom von damals
ehrlich bewundert haben. Was ihm aber besonders gefiel, war wohl dies, dass
darin in ganz selbstverstŠndlicher, echt katholischer Weise ein Ehrenplatz in
der Verehrung neben Christus auch der seligsten Jungfrau Maria eingerŠumt war.
Und Alkuin schrieb nach dem Besuch des Domes in sein Fahrtenbuch die Verse:
ăHaec
domus Ecclesiis aliis ut mater habetur,
Virgo
Dei Christi mater quapropter in ista
Cum
Christo colitur, precibus
quae servet ovile
Istud
ab hoste piis, flagitamus, semper ubique.Ó
Dieses Gotteshaus ist fźr
die anderen Kirchen (des Landes) gleichsam die Mutter.
Darum wird in ihm zusammen
mit Christus auch die Jungfrau-Mutter des Gottkšnigs Christus verehrt.
Sie mšge – so flehen
wir – immer und źberall die Herde Christi (in diesem Lande) kraft ihrer
frommen Fźrbitte vor dem Feinde bewahren!
Fźr den
Marienaltar in der Kirche von St. Peter in Salzburg aber verfasste der Gelehrte
Alkuin seinem bischšflichen Freund Arno ein Epigramm, das in seiner trotz der
Kźrze staunenswerten Tiefe uns zum Ausklang des heutigen Festes Maria Kšnigin
und zum Ausklang des Marienmonats des Jahres 1959 viel zu sagen hat. Es lautet
so:
ăAuxiliare
tuis precibus, pia Virgo Maria,
Aeterni
Regis famulos, regina polorum.
Nomine
namque tuo quoniam haec est ara
dicata,
Tristia depellens, nobis et prospera donans!Ó
Frei kšnnte man
diese Verse etwa so źbersetzen:
Mit deiner Fźrbitte hilf den
Dienern des ewigen Kšnigs,
Jungfrau, du gźtige, die du
Kšnigin bist vom Nordpol zum Sźdpol!
Deinem Namen ist ja seit je
dieser Altar geweiht.
Trauriges halte fern von
uns, Glźckhaftes beschere uns!
1) Sehen wir uns
dieses inhaltsreiche Epigramm nŠher an: Alkuin spricht von einem Marienaltar,
der da in der St. Peterskirche in Salzburg stand. Und ein solcher stand auch im
virgilianischen Dom. Ein solcher stand sicher auch in allen anderen, damals
noch nicht sehr zahlreichen Kirchen ringsum im Lande. So ist es geblieben
herauf durch die Jahrhunderte. Salzburg als katholisches Land ist ein
Marienland. In allen seinen Kirchen gilt nach dem dreifaltigen Gott und dem
Gottmenschen Jesus Christus der Ehrenplatz Maria! Keine Kirche im Lande gibt es
darum wohl, in der nicht ein Marienaltar oder mindestens ein Marienbild stźnde,
um dem glŠubigen Volk dieses Landes immer wieder zu sagen: wie Christus durch
Maria zu euch Menschen kommen wollte, so will er es, dass alle durch sie zu ihm
kommen: Per Mariam ad Jesum!
2) Wie aber nennt
nun Alkuin Maria?
Zuerst nennt er
sie Virgo, bzw. Virgo Die Christi Mater! Alkuin gibt Maria also den Titel, der
ihre ganze Grš§e ausspricht: Sie ist die jungfrŠuliche Gottesmutter! Darin, in
der jungfrŠulichen Gottesmutterschaft Mariens haben wir ja das Grunddogma der
kath. Marienkunde, den Wurzelgrund aller Gnadenprivilegien Mariens zu sehen.
Aus Mariens Gottesmutterschaft, fźr die sie von Ewigkeit her vom dreifaltigen
Gott vorherbestimmt war, wachsen alle Gnadenprivilegien Mariens heraus, von der
Anfangsbegnadigung in ihrer unbefleckten EmpfŠngnis angefangen bis zu ihrer
Endbegnadigung in ihrer Aufnahme in den Himmel mit Seele und Leib.
3) Nachdem Alkuin
Maria bei ihrem schšnsten Ehrentitel genannt hat: Virgo-mater, sie, die einzige
Jungfrau unter allen Mźttern, die einzige Mutter unter allen Jungfrauen, gibt
er Maria noch einen anderen Titel, der ganz dem Festgeheimnis des heutigen,
doch erst vier Jahre alten Festes vom Kšnigtum Mariens entspricht. Er nennt
Maria Regina-Kšnigin. Und zwar nennt er sie Regina polorum Kšnigin der Pole! Es
ist das eine Formulierung, wie ich sie in der gesamten Tradition bisher sonst
nirgendwo gefunden habe. Man mšchte fast meinen, als ob dieser Titel Mariens
Regina polorum aus unserer Zeit, aus unserem Jahr, aus diesem geophysikalischen
Jahr, in welchem gerade auch die Pole der Erde, der Nordpol und Sźdpol
durchforscht wurden, stammte. Aber nein, der Titel stammt nicht aus dem Jahre
1959, sondern aus dem Jahre 800, ist also mindestens 1100 Jahre alt. Kšnigin
der Pole, Kšnigin vom Nordpol zum Sźdpol. Bildlich gesprochen: Dort, wo die
Erdkugel an den Enden ihrer Achse ins Universum hinausgehŠngt ist, um um sich selbst und um die Sonne zu kreisen, da ist Maria Kšnigin.
Ihr Kšnigtum erstreckt sich wie das ihres Sohnes vom Nordpol zum Sźdpol, vom
Norden zum Sźden durch alle Zonen und Breiten, sie ist die Regina mundi, die Kšnigin
der Welt wie sie die Kšnigin aller Herzen, die auf dieser Erde schlagen, sein
mšchte.
Hier, wo zuletzt
vom Kšnigtum Mariens in den Herzen der Menschen die Rede war, darf dieser Titel
Regina polorum, Kšnigin der Pole, auch noch bildlich, vom positiven und
negativen Pol, wie wir das in der ElektrizitŠt meinen, gedeutet werden. Ist
nicht das Menschenherz der Adamskinder negativ und positiv geladen? Positiv
durch die guten wertvollen Anlagen der Natur und der †bernatur,, die wir von
unserer Geburt und unserer Wiedergeburt im Sakrament der Taufe ins Leben mitbringen.
Negativ aber auch ist das Menschenherz geladen durch die erbsźndliche erbliche Belastung
mit der ungeordneten, bšsen Begierlichkeit und Triebhaftigkeit, die in uns
allen steckt und uns unser Leben lang zu schaffen macht, vor allem im Kampf um
die Herzensreinheit. Soll da nicht in unserem positiv und negativ geladenen
Herzen Maria die Regina polorum sein? Sie mšge das Positive in uns fšrdern
durch ihr strahlendes Vorbild, durch ihre mŠchtige Fźrbitte und durch ihre
MittlertŠtigkeit als Mittlerin aller Gnaden. Sie mšge uns im Kampf gegen die
negative Beladenheit unseres Herzens beistehen und der hšllischen Schlange, die
in uns gegen das Gšttliche aufbegehrt, den Kopf zertreten als Siegerin in allen
Schlachten Gottes, die auf dem Kampffeld des Menschenherzens gerade auch in den
Stźrmen der Jugend geschlagen werden mźssen. Regina polorum, ora pro nobis!
Regina polorum, auxiliare nos!
4) Beachten wir
auch noch, wie Alkuin in seinem Epigramm fźr diesen Salzburger Marienaltar jene
betitelt, denen Maria, di Kšnigin der Pole, helfen soll: ăAuxiliare tuis precibus, pia Virgo Maria, Aeterni Regis famulos Regina polorum!Ň Alkuin nennt uns, denen Maria, die
Kšnigin der Pole, helfen und beistehen soll, ăaeterni
Regis famuliŇ! Ich finde diese Formulierung wieder
gro§artig! Die ăfamuliŇ des ewigen Kšnigs, die zu
seiner Familie gehšrigen Dienstknechte. Und auf wen trifft dieser Titel besser
zu als auf die Priester und Priesterkandidaten!