Mari Unbefleckte Empfngnis 1977
Darf ich die Predigt zu Ehren der
Immaculata mit einem persnlichen Bekenntnis beginnen:
Der Immaculata-Tag ist mir jedes Jahr ein
ganz besonders lieber Festtag. Das ist mir schon als jungem Gymnasiasten in der
Marianischen Studentenkongregation so eingeimpft worden: Damals hie§ es: Der
Sodale der MK hat sich fr die Ehre der unbefleckt Empfangenen, jungfrulichen
Gottesmutter einzusetzen, sie zu lieben und nachzuahmen. Als Professor an der
Salzburger Universitt ist mir die Verteidigung der Ehre der jungfrulichen,
unbefleckt empfangenen Gottesmutter von der ehrwrdigen Tradition der
ehemaligen Benediktiner-Universitt her eine heilige Verpflichtung gewesen.
Denn an der Salzburger Universitt bestand einst der schne Brauch, dass sich
die Professoren, angefhrt von ihrem Rektor und von den Dekanen der vier
Fakultten, durch einen eigenen Eid, der manchmal sogar mit dem eigenen But
unterschrieben wurde, verpflichteten, sich in Wort und Tat, in Lehre und Leben
fr die unbefleckt empfangene, jungfruliche Gottesmutter einzusetzen. Das
geschah hier an der Salzburger Universitt wohlgemerkt schon zwei Jahrhunderte
lang, bevor Papst Pius IX. am 8. Dez. 1854 die Offenbarungswahrheit von der Unbefleckten
Empfngnis Mariens feierlich als Dogma verkndete. – Von der Geschichte
der Salzburger Universitt her war es mir, seit ich an ihr als Professor ttig
bin, immer eine ererbte, heilige Verpflichtung, den Glauben an die berragende
heilsgeschichtliche Funktion Mariens und an ihre Gnadenprivilegien, voran an
das Privileg ihrer Unbefleckten Empfngnis zu verteidigen und mich fr die der
makellos reinen, jungfrulichen Gottesmutter geschuldete ehrfrchtige Verehrung
und kindliche Liebe einzusetzen
Manche glauben ja heute sonderbarerweise,
dass eine innige Marienverehrung ein Hindernis sei fr den rechten Christusglauben,
fr starke, opferbereite Christusliebe und vor allem fr die so wichtige
christozentrische Ausrichtung unserer Frmmigkeitshaltung im liturgischen wie
im privaten Gebet. Das ist aber vllig falsch, denn die richtig erfasste und
gebte Marienverehrung ist der beste Ansporn fr treue, starke Christusliebe,
weil Maria ja nichts anderes will als uns immer inniger und strker mi ihrem
gttlichen Sohn zu verbinden und ihm immer hnlicher zu machen.
Es ist auch ganz falsch, wenn man heute
vielfach bersieht, wie uns in der unbefleckt empfangenen und in die himmlische
Herrlichkeit bereits mit Seele und Leib aufgenommenen Gottesmutter Maria ein
leuchtendes Beispiel fr all das
vor Augen gestellt wird, was der gro§e, heilige Gott mit gar jedem Menschen an
Herrlichem vorhat in seinem Schpfungsplan und auch noch nach geschehenem
Sndenfall immer noch vorhat in seinem wunderbaren Erlsungsplan. Bei der
Opferung betet die Kirche, dass Gott den Menschen wunderbar erschaffen und noch
wunderbarer erlst und erneuert hat.
Das gilt ganz allgemein von allen
Menschen, in einzigartiger, beispielgebender Weise aber von Maria: wunderbar
erschaffen, noch wunderbarer erlst in der Anfangsbegnadigung ihrer
Unbefleckten Empfngnis, in der Endbegnadigung ihrer leiblichen Aufnahme in den
Himmel.
Das ist aber nur ein Paradigma, ein
Musterbespiel und ein exemplarischer Vorgriff fr das, was Gott mit uns allen
vorhatte und immer noch vorhat auf Grund seines Schpfungs- und
Erlsungsplanes. Daran gilt es zu glauben, wieder zu glauben, wieder viel
strker zu glauben, dass Maria in ihren Gnadenprivilegien eigentlich nur all
das exemplarisch verkrpert, was Gott mit jedem Menschen vorgehabt hat und
vorhat: Maria ist der einzige Mensch, der in den Augen Gottes gem§ seinem Schpfungsplan
ganz in Ordnung ist!
Wenn ich an das denke, kommt mir immer
jener eigenartige Kauz unter den griechischen Denkern und Philosophen der Antike
in den Sinn, Diogenes mit Namen: in einem Fass hauste er; er wollte einfach
anders leben als die anderen, in vlliger Bedrfnislosigkeit; und er wollte
ganz Mensch sein und suchte dafr nach einem Vorbild, nach einem vollkommenen
Menschen. Eines Tages, am hellen Mittag, machte er sich in der Hauptstadt
Griechenlands, in Athen, aus seinem Fass heraus auf den Weg, mit einer
brennenden Laterne in der Hand. Er ging ber die Stra§en und Marktpltze Athens
und suchte etwas. Die Leute lachen und fragten, was er denn heute, am
helllichten Tag mit seiner Laterne suche. Und die Antwort des alten Diogenes:
ãIch suche einen Menschen, einen Menschen suche ich.Ò ãJa, da sind doch genug
Menschen! Sind wir denn keine Menschen?Ò Und Diogenes darauf: ãIch suche einen
Menschen, der ganz in Ordnung ist!Ò
Liebe Glubige! Die Kirche macht es heute
eigentlich wie der alte Diogenes: Sie sucht fr uns nach einem Menschen, der
ganz in Ordnung ist und findet dabei Maria und sagt das Gleiche, was Pontius
Pilatus von Mariens Sohn gesagt hat: ãEcce homo!Ò Maria ist der Mensch, der
ganz und gar dem Schpfungsplan Gottes entspricht: ohne Snde, strahlend rein
und schn durchgnadet von gttlichem Leben. Ein Mensch ist Maria, der all das
gro§e widerspielgelt, das Gott mit dem Menschen insgesamt vorgehabt hat, ein
Mensch, der Gottes Gr§e, Schnheit, Gte und Heiligkeit widerspielgelt. Gottes
herrliche Eigenschaften und Vollkommenheiten spiegeln sich nach seinem
Schpfungsplan in allen seinen Geschpfen in irgendeiner meist sehr begrenzten
Weise wider, am schnsten, vollkommensten und ungetrbtesten aber spiegelt sich
Gott in seinem schnsten Geschpf, in Maria; sie ist gerade in ihrer
Unbefleckten Empfngnis, wie die Schriftstellerin Ida Friederike Grres einmal
gesagt hat, das unverdorbene Konzept Gottes in dem, was er mit dem Menschen
ursprnglich vorhatte. Ich bekomme da vielleicht den Einwand zu hren, dass
doch das schnste Spiegelbild der herrlichen Eigenschaften und Vollkommenheiten
Gottes der Gottmensch Jesus Christus sei, der doch in der hl. Schrift des NT
ausdrcklich der strahlende Abglanz des himmlischen Vaters, das wesensgleiche Abbild
Gottes des Vaters genannt wird und zwar mit Recht und zwar so sehr, dass Christus
von sich sagen konnte: ãWer mich sieht, sieht den Vater!Ò
Aber Christus ist ja nicht Geschpf,
jedenfalls nicht blo§es Geschpf, sondern eben der ungeschaffene, ewig rein
geistig gezeugte Sohn Gottes, der im Geheimnis der Menschwerdung die
geschaffene Menschennatur angenommen hat. – Maria aber ist blo§es
Geschpf, sie ist tatschlich in ihrer herrlichen Gnadenausstattung das
schnste geschaffene, geschpfliche Spiegelbild der Vollkommenheit Gottes, das
uns zeigt, was Gott mit dem Menschen vorhatte, als Er sprach: ãLasset uns den
Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis!Ò
Mit vollem Recht wird Maria in der
Lauretanischen Litanei ãSpiegel der GerechtigkeitÒ, d.h. Spiegel der
Vollkommenheit Gottes genannt. Es ist das ein guter, vielsagender Vergleich,
der freilich etwas nher erklrt gehrt. Versuchen wir es: Ein Mdchen, eine Frau
vor dem Spiegel! Vielleicht eine alltgliche, selbstverstndliche Angelegenheit
bei einer Frau, die etwas auf sich hlt. Ob aber nicht manche Frau, manches Mdchen,
je lnger und je mehr sie vor dem Spiegel stehen, erschrecken ber die
zunehmenden Runzeln und Makel und vielleicht noch mehr ber die Ausdruckslosigkeit,
bisweilen sogar Seelenlosigkeit des eigenen Antlitzes? Und man sucht dann vor
dem Spiegel – meist mit wenig Erfolg – durch ein sogenanntes Make
up nachzuhelfen...
Heute steht gleichsam Maria vor dem
Spiegel, wenn sie im (alten) Introitus der Festmesse vom Fest der Unbefleckten
Empfngnis jubelt: ãGaudens gaudebo in Domino et exsultabit anima mea in Deo
meo... freuend freuÔ ich mich im Herrn und meine Seele jubelt auf in meinem
Gott, denn er hat mich gekleidet in Gewnder des Heils, er hat mich umhllt mit
dem Mantel der Gerechtigkeit, wie eine Braut im Schmuck ihres Geschmeides!Ò
Maria vor dem Spiegel! Vielleicht kommt
Ihnen dieser Vergleich primitiv und naiv vor. Und doch, es ist so! Maria
spiegelt sich heute gleichsam im unendlichen Meer gttlicher Schnheit, und sie
erkennt beglckt, dass sie die strahlende, lautere, herrliche Schnheit und
Heiligkeit, Gerechtigkeit und Vollkommenheit Gottes in ungetrbter, in
vollendeter weise widerspiegeln darf seit ihrer unbefleckten Empfngnis, die ja
fr sie nicht blo§ vollstndiges Freisein von jeder Makel der Erbschuld bedeutet,
sondern in der Folge dann auch Freisein von jeder persnlichen Snde und
Erflltsein von der Gnade vom allerersten Augenblick ihrer irdischen Existenz a
n: Gratia plena!
Gnadenvoll! Von Gnade ganz durchtrnkt,
ganz erfllt, ganz durchgnadet und dies vom ersten Augenblick an. Darum ruft
die Kirche heute Maria zu: Tota pulchra es, Maria, ...! Im Gnadenstand vom
ersten Augenblick an, niemals ausgeliefert dem hsslichen Schmutz der Snde,
von eh und je hineingetaucht in das gttliche Leben der Gnade in einem fr ein
Geschpf hchstmglichen Ausma§, das ist die Schnheit Mariens, das ist wahre Schnheit.
ãSpiegel der GerechtigkeitÒ, d. h. der Vollkommenheit Gottes!
Warum haben wir so wenig Sinn fr diese
wahre Schnheit, die in der Gottverbundenheit und Gotterflltheit eines Menschen
im Gnadenstande grndet? Wie gut tte es uns allen, voran unserer weiblichen
Jugend und unseren Frauen insgesamt, wenn sie ihr Ideal nicht in Filmstars und Schnheitskniginnen
shen, sondern sich immer wieder in Maria, dem Spiegel der Gerechtigkeit,
spiegeln, besehen, beschauen und beurteilen wollten, um an diesem Spiegel
entweder beglckt zu erkennen: Ich besitze wahre Seelenschnheit, weil ich mir
trotz allen Gefahren und Versuchungen unserer sexualisierten Zeit die
Herzensreinheit bewahrt oder wieder erkmpft habe... oder aber um an diesem
Spiegel enttusch festzustellen: Alle u§ere Schnheit mit allem aufwendigen
Make up ist bei mir ein bertnchtes Grab, eine Fratze und Maske, von der unser
bayrisch-krftiger Spruch ãau§en hui, innen pfuiÒ gilt, weil ich wahre, innere Schnheit
und Sauberkeit lngst eingeb§t und verloren habe, nur noch in der Todsnde
dahinvegetiere und darum lngst nicht mehr fhig bin, auch nur schattenhaft und
andeutungsweise Gottes Schnheit und Heiligkeit widerzuspiegeln.
De Sptter unter den Dichtern des vorigen
Jahrhunderts, Heinrich Heine, wurde zutiefst ergriffen, als er eines Tages
einem edlen, unverdorbenen, reinen Mdchen begegnet war; er drckte seine
Empfindungen in den Versen aus: ãDu bist wie eine Blume: so hold und schn und
rein; / ich schauÔ dich an, und Wehmut schleicht mir ins Herz hinein!Ò
Aber nicht blo§ Wehmut soll sich in unser
Herz schleichen beim Anblick der Schnheit und Reinheit der Immaculata, sondern
noch mehr: dankbare Freude darber, dass Gott in Maria ein solches Paradigma,
ein solches Beispiel des Menschen, wie er vom Schpfer und Erlser geplant und
gewollt wurde, uns vor Augen stellte.
Und zur dankbaren Freude soll das
vertrauensvolle Wissen kommen, das Gott auch uns alle dazu berufen und bestimmt
und mit seiner Gnade befhigt hat, Spiegel seiner Gerechtigkeit und
Vollkommenheit zu sein und immer mehr zu werden. ãSeid vollkommen wie euer
Vater im Himmel vollkommen ist!Ò
(Gewiss ist das nicht leicht in einer
Zeit der sittlichen Haltlosigkeit, aber: ãretrouver la foi cÕest plus que
retrouver la vueÒ, den Glauben wiederfinden hei§t auch, den Idealismus
wiederfinden und wieder sehend werden fr die bernatrlichen Werte der Gnade
und wahrer Seelenschnheit!
ãO Gott,
du hast den Menschen wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erlst...Ò Es
gilt ganz allgemein fr alle Menschen, was da die Kirche bei der Opferung der
hl. Messe betet. Es gilt in ganz einzigartiger, paradigmatischer Weise von
Maria: Wunderbar erschaffen, noch wunderbarer erlst in der Anfangsbegnadigung
ihrer Unbefleckten Empfngnis, in der Endbegnadigung ihrer leiblichen Aufnahme
in den Himmel!)
ãTrahe nos, Virgo Immaculata...Ò Ziehe
uns, locke uns, begeistere uns, Immaculata, fr die uns von Gott zugedachte
Gnadenschnheit! Mache an uns durch die Erlsungsgnade Deines gttlichen Sohnes
im schnsten Sinn wahr: Das ewig Weibliche, das Lautere, das Reine, das Edle,
das Schne, wie es in Dir verkrpert ist,
zieht uns hinan zu Gott, zur Urschnheit, durch Ihn, dem Du, Maria, in
Deiner Unbefleckten Empfngnis und Sndelosigkeit im Advent seines ersten
Kommens eine wrdige Wohnstatt darbieten durftest!
ãTrahe nos, Virgo
Immaculata, post Te curremus...Ò Ziehe uns wie ein Magnet durch Dein Vorbild von allem Niedrigen und
Gemeinen, Sndhaften, Lasterhaften weg und dorthin, wo der wahre Seelenadel und
die wahre Schnheit offenbar werden.Ó
Post Te curremus... Wir wollen Dir nacheifern
in der Kraft der Erlsungsgnade deines Sohnes, der Dich in solcher Gnadenflle
so herrlich und schn ausgestattet hat fr sich und fr uns. Amen.