Predigt bei der
Maiandacht in Nonntal am Abend des Muttertages, 9.5.1948
ãDie christliche
Mutter im Lichte der GottesmutterÒ
das ist das Thema,
wie es der heutige Tag fŸr die Predigt bei der Maiandacht nahelegt: Es war ja
heute Muttertag, und jede christliche Mutter sollte ein Abbild der Gottesmutter
sein an Opferbereitschaft und selbstloser Liebe, an Fršmmigkeit und
Gottvertrauen, an Edelsinn und Reinheit, an Verantwortungsbewusstsein und
tiefer Berufsauffassung.
Am Abend des Tages pflegt man ein paar Augenblicke der Besinnung
und Gewissenerforschung zu widmen. Am Abend des Muttertages wollen wir
miteinander im Lichte der Kerzen am Maialtar Gewissenserforschung halten Ÿber
christliche Mutterschaft im Lichte der Gottesmutter.
Wir fragen nach den christlichen MŸttern, die nach dem
Vorbild der Gottesmutter leben, und wir mŸssen da eine traurige und eine ernste
Feststellung machen.
1) Und die
erste, die traurige Feststellung, die wir da in unserer abendlichen
Gewissenerforschung am Muttertag machen mŸssen, ist die, dass es in unserer
Zeit und in unserem Lande so wenig wahrhaft christliche MŸtter gibt!
Ja, die Kirche in
…sterreich leidet nicht blo§ an Priestermangel, sie leidet noch viel mehr an
MŸttermangel: Mangel an wahrhaft christlichen MŸttern haben wir. Glaubt es mir,
es ist so: wir wollen uns heute in rŸhrseliger Muttertagsstimmung keiner
sinnlosen TŠuschung hingeben, es stimmt leider: Wir haben leider so wenig
wahrhaft christliche MŸtter! Da sage ich einmal einem inhaftierten MŠdel vor
seiner Entlassung Worte priesterlicher Mahnung. Und das MŠdel gab mir zur
Antwort: HochwŸrden, Sie haben leicht reden: Sie haben sicher eine gute Mutter
gehabt, aber meine Mutter ist keine Mutter. Ein furchtbar trauriges Wort, das
leider vielfach stimmt.
Wo sind denn die
christlichen MŸtter bei uns zulande, die sich wirklich an das Vorbild der
Gottesmutter halten? Wo sind denn die MŠdchen bei uns zulande, die sich
wirklich am Vorbild der Gottesmutter schulen und auf den Mutterberuf
vorbereiten in Reinheit und Edelsinn, in tiefer Fršmmigkeit und
Opferbereitschaft wie Maria? Wo sind denn die Ehefrauen bei uns zulande, die
wirklich nach dem Vorbild Mariens Evas Namen wenden zu jedem Kind, das Gott
ihnen schickt, ein frohes, dankbares Ave sagen und das Kind als Gottesgabe
willkommen hei§en wie Maria, die nach ihrer EmpfŠngnis im Magnifikat jubelte:
ãGro§es hat an mir getan, der da mŠchtig und dessen Name heilig ist!Ò?
Wo sind denn unsere
christlichen MŸtter? O ja, es gibt schon noch solche, wahrhaft christliche,
wahrhaft marianische MŸtter. Aber sie sind leider eine kleinwinzige Minderheit
geworden. Ihr mŸsst mir Recht geben, wenn ihr folgende Feststellungen hšrt:
1. Man hat
festgestellt, dass in unserem sogenannten christlichen …sterreich fast zweimal
so viele Kinder unter dem Herzen der Mutter gemordet als geboren werden! Wo
sind also unsere christlichen MŸtter, wenn wir mehr Mšrderinnen als MŸtter
haben? Nach dem Vorbild Mariens ist das nicht. Denn sie hat ihr Kind vor der
Mšrderhand des Herodes geschŸtzt durch die opfervolle Flucht. Und als sie ihr
erwachsenes Kind vor der Mšrderhand nicht mehr schŸtzen konnte, da hat sie
gegen den Gottesmord am Kreuze unter dem Kreuze stehend protestiert,
schweigend, leidend, opfernd, sŸhnend, betend.
2. Man hat
festgestellt, dass in unserem christlichen Land zehnmal, nein hundertmal mehr
Kinder das Leben verweigert als wirklich geschenkt wird; so vielen Kindern wird
das Leben verweigert durch Frauen, die in der Ehe nur mehr die Lust, aber nicht
mehr die Last, die hl. Last der Mutterschaft suchen! Wo sind denn da unsere
christlichen MŸtter, wenn genau wie die MŠnner vielfach auch unsere Frauen nur
mehr Sklavinnen der Leidenschaft sind? Nach dem Vorbild Mariens ist das nicht.
Denn sie hat in heiliger Demut und aber auch in heiliger Freude in den Auftrag
Gottes zur Mutterschaft eingewilligt: fiat mihi sec. verbum tuum, mir geschehe
nach deinem Worte sagte sie, nachdem sie, die Schlangenzertreterin, die
Immaculata, erklŠrt hatte, dass sie niemals Sklavin der Leidenschaft, sondern
nur Magd des Herrn sein wolle.
3. Man hat
weiter festgestellt, dass in unserer Schuljugend viel kindliche
Aufnahmebereitschaft vorhanden wŠre fŸr die Wahrheiten christlicher Glaubens-
und Sittenlehre, aber dass leider so viele MŸtter daheim das im
Religionsunterricht ins Kinderherz gepflanzte durch VerstŠndnislosigkeit und
Interesselosigkeit verdorren und verkŸmmern lassen, statt den im Kinderherzen
aufgehenden Samen des Wortes Gottes durch gute Worte und durch das gute
Beispiel zu heben und zu pflegen und durch mŸtterliches Gebet vor den Kindern,
fŸr die Kinder und mit den Kindern zu begie§en. Wo sind da unsere christlichen
MŸtter, die wir zum religišs-sittlichen Wiederaufbau unseres Vaterlandes
brauchen? Das Vorbild Mariens sieht anders aus. Sie hat ihr Kind auf ihrem
Mutterscho§e nicht blo§ sprechen, sondern vor allem auch beten gelehrt und mit
dem 40-tŠgigen Kind auf den Armen und mit dem 12jŠhrigen Kind am Arm den
Opfergang in den Tempel angetreten. Heute macht man es umgekehrt und redet die
Kinder vielfach vom sonntŠglichen Opfergang zur hl. Messe ab, statt sie zum
gšttlichen Kinderfreund zu fŸhren.
4. Man hat
in den hšheren Schulen und in den Heimen und Internaten festgestellt, dass in
unserer heranwachsenden Jugend trotz der schlechten Erfahrungen der vergangenen
Zeit viel opferbereiter Idealismus vorhanden wŠre, aber dass dieser Idealismus
meist durch das Elternhaus, durch das Versagen des glaubenslosen, sittenlosen Vaters
und leider oft noch mehr durch das Versagen der Mutter zugrunde gerichtet wird,
wo sind da unsere christlichen MŸtter, wenn die Verantwortlichen feststellen
mŸssen: Mit der Jugend wŠre etwas anzufangen, die Jugend wŠre hšherzufŸhren,
aber das Elternhaus versagt fast hundertprozentig? Nach dem Vorbild der
Gottesmutter ist dies nicht. Das Elternhaus des JŸnglings Jesu, die hl.
Familie, hat nicht versagt, denn da gab es eine liebende, sorgende, betende,
verantwortungsbewusste Mutter und einen ebensolchen Vater, die beide um das
hšchste Ideal rangen, um die Heiligkeit.
5. Man hat
feststellen mŸssen, dass in sehr vielen FŠllen der entsetzlich anwachsenden
JugendkriminalitŠt die VŠter und vor allem auch die MŸtter schuld waren, weil sie erbŠrmlich versagten in ihrem
Erzieherberuf, ja meist selber sittlich minderwertig und haltlos waren. Wo sind
da unsere christlichen MŸtter? Nach dem Vorbild der Gottesmutter ist das nicht.
Denn sie war zeitlebens jene, an die sich SŸnde und Gemeinheit nicht
heranmachen konnten: Die makellos Reine!
6. Man hat
bei den verantwortlichen Stellen bei FŸrsorge und Gericht festgestellt, dass
gar manchmal heute die MŸtter es sind, die ihre Kinder statt abzuhalten, zum
M٤iggang, zum Verbrechen, zum Lasterleben, zum Dirnenleben anhalten und
ermutigen. Sind das noch christliche MŸtter? Das hehre Vorbild der Gottesmutter
sieht anders aus. In der Schule Mariens lernt man Edelsinn und Reinheit,
Arbeitsamkeit und wahre Fršhlichkeit, Fršmmigkeit und jegliche Tugend.
So ist dies die
erste, traurige Feststellung, die wir in unserer abendlichen
Gewissenserforschung am Abend des Muttertages machen mŸssen!
Es fehlen so vielfach
die wirklich christlichen MŸtter, die nicht blo§ rein physisch biologisch,
sondern auch moralisch ethisch durch MŸtterlichkeit im vollen Sinn des Wortes
MŸtter sind und damit wie Maria Vorbild sind fŸr die Kinder und Jugendlichen.
2) Und dazu
kommt jetzt noch eine zweite, ernste Feststellung, nŠmlich die, dass wir in
unserer Zeit des Wiederaufbaues des Vaterlandes und Ÿberhaupt ganz Europas und
der Welt, nichts so notwendig brauchen als wahrhaft christliche MŸtter!
Es steht und fŠllt
ein Volk mit seinen Frauen, mit seinen MŸttern! Es stimmt. Nichts tut uns so
not, wie dies. Ein altes, in der Hl. Schrift des AB schon festgelegtes Wahrwort
sagt: wie die Priester, so das Volk! Niemand aber steht den Priestern so nahe
in der verantwortungsvollen Aufgabe wie die MŸtter. Darum kann man und muss man
auch und fast mit mehr Recht sagen: wie die MŸtter, so das Volk! Ein altes
Sprichwort sagt: Corruptio optimi pessima! Die Verdorbenheit der Besten ist am
unheilvollsten. Das gilt von denen, die die besten im Volke sein sollten:
Unsere MŸtter! Wenn sie nichts mehr taugen, ist der Untergang eines Volkes
nicht mehr aufzuhalten. Wenn sie wieder taugen, geht es aufwŠrts, weil dann
immer wieder gesunde, frohe, christliche junge Generationen heranwachsen und
heranreifen durch wahrhaft christliche MŸtter!
Wo eine liebende,
sorgende, betende Mutter an der Wiege des Kindes wacht, gibt Gott den Segen fŸr
das leibliche und seelische Wachstum des Kindes.
Wo eine
verantwortungsbewusste, religišse Mutter das Kindesparadies der Unschuld wie
ein Engel mit Feuerschwert bewacht, wŠchst ein starkes, gesundes, reines
Geschlecht heran.
Wo eine glŠubige
Mutter um die religišse Erziehung und Unterweisung der Kinder besorgt war, ist
der Glaube nicht mehr aus dem Herzen herauszurei§en, denn das Beispiel der
Mutter ist der beste Katechismus fŸr die Kinder, wie der gro§e Bischof Sailer
gesagt hat.
Und wo eine kluge,
vernŸnftige, christliche Mutter dem jungen Menschen in den Entwicklungsjahren,
in den StŸrmen der Jugend, FŸhrerin und Raterin war, ist es fast unmšglich,
dass der junge Mensch auf schiefe Bahn gerŠt. Und fast immer war es so: Gro§e
Heilige, gro§e Gelehrte, gro§e KŸnstler haben fast immer gute, opferbereite,
ganze MŸtter gehabt. Es zeigt sich das schon an der Kinderzahl. Eine kleine Liste
von Heiligen und gro§en MŠnnern ist dafŸr bezeichnend:
á Die hl. Hildegard, die
gelehrte deutsche Benediktinerin des MA, war das 10. Kind,
á die hl. Katharina von
Siena, diese gro§e Frau, die so einschneidend in die Kirchengeschichte
eingegriffen hat, war gar das 24. Kind,
á die kleine hl. Theresia
war das 9. Kind,
á der hl. Ignatius von
Loyola war das 11. Kind,
á der hl. Franz Xaver war
das 7. Kind,
á der hl. Klemens Maria
Hofbauer war das 12. Kind,
á der hl. Petrus Canisius
hatte 19 Geschwister,
á der hl. Bruder Konrad von
Parzham war das 9. Von 10 Kindern,
á Papst Pius X. entstammte
aus der neunkšpfigen Kinderschar eines armen LandbrieftrŠgers,
á der gro§e gelehrte
Bischof Fenelon war das 13. Kind,
á der gro§e Prediger
Abraham a S. Clara war das 9. Kind
á Benjamin Franklin, der
Erfinder des Blitzableiters, der gro§e Amerikaner, war das 18. Kind,
á Werner Siemens, der gro§e
Elektrotechniker hatte 13 Geschwister,
á Christoph von Schmid, der
bekannte Jugendschriftsteller war das 9. Kind,
á Alban Stolz, der gro§e
religišse Schriftsteller war das 16. Kind,
á Joseph Haydn, der gro§e
šsterreichische Komponist war das 12. Kind,
á Albrecht DŸrer, der gro§e
deutsche KŸnstler, hatte 17 Geschwister.
Und was dieser wohl
grš§te deutsche KŸnstler des ausgehenden MA, der nicht mŸde geworden ist, in
immer anderem und neuem Ausdruck das Bild der Gottesmutter zu malen, Ÿber seine
Mutter geschrieben hat, mšchte ich zum Abschluss vorlesen. Es zeigt euch am
besten, warum das sogenannte dunkle MA so Gro§es geleistet hat auf dem Gebiet
der Kunst und Wissenschaft.
DŸrer schreibt:
ãMein Mutter hatte immer
wegen meiner und meiner BrŸder gro§e Sorge vor SŸnden. Und ich ging aus oder
ein, so war immer ihr Sprichwort: ãGeh in dem Namen Christus!Ò Und sie gab uns
mit hohem Flei§ stetiglich heilige Vermahnung und hatte alleweg gro§e Sorge fŸr
unsere Seele. Und ihre guten Werke und die Barmherzigkeit, die sie gegen
jedermann erzeigt hat, kann ich nicht genugsam anzeigen und ihr gutes Lob.
Diese meine gute Mutter hat achtzehn Kinder getragen und erzogen, hat viele schwere
Krankheit gehabt, hat gro§e Armut gelitten, Verspottung, Verachtung, hšhnische
Worte, Schrecken und gro§e WiderwŠrtigkeit. Doch ist sie nie rachsŸchtig
gewesen. Da man zŠhlte das Jahr 1514 – es war der 17. Tag im Maien, zwei
Stunden vor Mitternacht – ist meine fromme Mutter Barbara DŸrerin
verschieden christlich mit allen Sakramenten. Sie hat mir noch zuvor ihren
Segen gegeben und den gšttlichen Frieden gewŸnscht mit viel schšner Lehr, auf
dass ich mich vor SŸnden sollt hŸten. ...Gott sei ihr gnŠdig. Ihre grš§te Freude
ist allweg gewesen, von Gott zu reden; und sie sah gerne die Ehre Gottes. Und
ich habe sie ehrlich nach meinem Vermšgen begraben lassen. Und in ihrem Tode
sah sie viel lieblicher aus, denn da sie noch das Leben hatte.Ò
Wie tief und lebendig
muss doch damals in jener Zeit die Glaubenswelt des Christentums in den Seelen
der Menschen gewesen sein, die solche MŸtter und solche Sšhne hervorbrachte.
So geht denn der
Ruf der Kirche heute am Abend des Muttertages an unsere MŸtter, dass sie das ganz
sein sollen, was sie sind: wahrhaft christliche MŸtter, die mit bestem Beispiel
den Kindern und den MŠnnern voranleuchten nach dem Vorbild Mariens.
So geht denn der
Ruf der Kirche am Abend des Muttertages an unsere weibliche Jugend, dass sie
sich bewahre vor der Haltlosigkeit
unserer Zeit und den Idealismus hochhalte, treu dem Ideal, sich in
reiner, frommer Jugendzeit auf den Mutterberuf zu bereiten.
So geht denn der
Ruf der Kirche am Abend des Muttertages an unsere MŠnner und JungmŠnner, viel
mehr Achtung und Ehrfurcht zu haben vor unseren Frauen und MŸttern, weil sie
nicht Gegenstand geiler Lust, sondern kšnigliche Schwestern der Hohen Frau
Maria sein wollen, und wie sie ungetrŸbt und rein Quellen des Lebens und der
Gnade fŸr ein ganzes Volk sind.
Und so geht der Ruf
der Kirche am Abend des Muttertages hinauf zu ihr, der Mutter aller MŸtter mit
der Bitte, dass sie nach ihrem Vorbild unseren Frauen und MŸttern wahre
MŸtterlichkeit, selbstlos dienende Liebe und heilige, verzichtende
Opferbereitschaft vermitteln mšge am Throne Gottes.
Und so geht zuletzt
der Ruf der Kirche, unser Ruf an Ihn, den Herrn im Sakrament, den Sohn Mariens
und Heiland der Welt, dass er die klein gewordene Zahl der wahrhaft
christlichen MŸtter segnen, stŠrken, erhalten und vermehren wolle, damit unser
Volk wieder gesunde an wahrhaft christlichen MŸttern.
Ein gro§er Bischof
unserer Tage hat gesagt: Gebt mir viele gute Priester und viele gute MŸtter,
und ich werde mein Land in wenigen Jahren mit Gottes und Mariens Segen wieder
christlich machen!
Unser Bischof hat
den gleichen Wunsch fŸr unsere Dišzese, die der Gottesmutter geweiht ist.
Helfen wir ihm durch unser Gebet und unser Beispiel und unsere Tat, dass dieser
Wunsch sich erfŸlle. Amen