Das jubilierende Loretokloster in Salzburg
Dies soll heute das Thema meiner Predigt bei dieser
Fatima-SŸhnemesse am 13. Juli 1986 sein, denn am 13. Juli 1636, also vor genau
350 Jahren, inmitten der schweren Kriegszeit des 30jŠhrigen Krieges bezogen die
ersten Schwestern das damals noch unvollendete Kloster und begannen ihr Beten, Opfern
und SŸhnen unter dem Schutz der jungfrŠulichen Gottesmutter, unter deren Schutz
sich damals ganz Salzburg ob der nahen Gefahr des Eindringens feindlich
gesinnter Schweden gestellt hatte: ãMaria, breit den Mantel aus, mach Schirm
und Schild fŸr uns daraus! Lass uns darunter sicher stehn, bis alle StŸrm
vorŸbergehn. Patronin voller GŸte, uns allezeit behŸte!Ò
FŸrsterzbischof Paris Lodron, der mit gro§er Weisheit und
Tatkraft damals Stadt und Land Salzburg aus dem noch immer schrecklichen Krieg
heraushielt, hatte zwar die Stadt mit mŠchtigen Mauern und WŠllen und Bastionen
umgeben und die Tore der Stadt, von denen jedes einem besonderen Schutzheiligen
geweiht worden war, fest beschŸtzen und nachts verriegeln lassen, aber im
benachbarten Bayern war der schwedische Feind schon sengend und brennend
eingebrochen und hatte MŸnchen besetzt. Im April 1632 hatte der bayerische KurfŸrst
Max den Staatsschatz und das Archiv
aus SicherheitsgrŸnden nach Hohenwerfen gebracht, die KurfŸrstin aber brachte
das in Bayern und Salzburg hochverehrte Gnadenbild der Gottesmutter von
Altštting in Sicherheit und brachte es nach Salzburg, wo es zuerst im Dom, dann
in MŸlln zur Verehrung aufgestellt wurde. In Landshut hatte der Schwede die
Kapuzinerinnen aus ihrem Kloster vertrieben, sie kamen nach Salzburg als FlŸchtlinge
und bezogen hier zuerst Notquartiere in wahrhaft franziskanischer Armut.
Indessen begann man im EinverstŠndnis mit dem
FŸrsterzbischof den Bau eines Klosters. Die meisten Landshuter Kapuzinerinnen
zogen zwar, als sich die Kriegslage wieder besserte, zurŸck nach Landshut, aber
drei Schwestern, nŠmlich Sr. Maria Franziska Strobl von MŸnchen, Sr. Maria
Thekla Schrenk von EggenmŸll und Sr. Maria Martha Egger von Rosenheim bleiben
und zogen am 13. Juli 1336 in das noch unvollendete Loretokloster ein.
Das war wahrlich ein gro§er Gnadentag fŸr Salzburg, denn aus
dem kleinen Klšsterlein wuchs ein dreifaltiger Gnadenquell der Marienverehrung,
der viel Segen auf die Stadt- und Landbewohner von Salzburg ergoss.
Zum Šu§eren Zeichen der hier geŸbten Marienverehrung wurden
im Lauf der Jahre von 1637 bis 1648, dem Jahr des Friedensschlusses am Ende des
30jŠhrigen Krieges, drei Gnadenkapellen angefŸgt und den damals in Europa am
meisten verehrten Gnadenbildern Marias geweiht: der Gnadenmutter von Loreto bei
Ancona in SŸditalien, dem damals grš§ten Marienwallfahrtsort der ganzen Welt,
der Gnadenmutter von Altštting und der Gnadenmutter von Einsiedeln in der Schweiz.
Die Zahl der Kapuzinerinnen wuchs, der gute Geist der
marianischen Fršmmigkeit, der franziskanischen Armut und der asketischen
Bu§gesinnung wuchs ebenfalls und schwand nicht, als der Friede in Stadt und
Land wieder eingezogen war, im Gegenteil, dieser gute Geist erstarkte immer
mehr und steckte auch viele Bewohner der Stadt und des Landes an. So wurde von
hier aus mitgeholfen, dass die Salzburger Erzdišzese, die schon seit den Tagen
des hl. Rupertus der Gottesmutter geweiht worden war, immer eine marianische
Dišzese blieb. In der Festschrift zum 400-Jahr-JubilŠum, die vor 50 Jahren
erschienen ist, hei§t es mit Recht, dass das Loretokloster in Salzburg zu einer
ãGnadenstŠtte von unermesslichem SegenÒ unter dem Schutz der jungfrŠulichen
Gottesmutter geworden ist.
Eigenartig ist, wie hier in Loreto in ergreifender Weise
gezeigt worden ist, dass Marienverehrung nie Selbstzweck sein darf und nicht
bei Maria Halt machen darf. Maria will zu ihrem gšttlichen Sohn fŸhren, Mutter
und Kind gehšren zusammen. Darauf hat einmal der gro§e MŸnchener
Kardinal-Erzbischof Michael Faulhaber in der Festpredigt bei der Einweihung des
Immaculata-Doms in Linz besonders schšn hingewiesen. Er sagte damals:
ãIhr mŸden Menschenkinder des 20. Jahrhunderts, kommt mit
mir in die Morgenstunden des christlichen Altertums, wo die Frohbotschaft noch
frisch wie der Morgentau auf den Seelen lag. Im allerersten Kapitel des
Evangeliums wurde der Grundstein zum Marienkult gelegt: ãMaria, de qua natus
est JesusÒ (Mt 1,16). Aus dieser einzigartigen Beziehung zu Christus, aus der
Gnade der Mutterschaft dem Sohn Gottes gegenŸber leiteten sich alle weiteren
GnadenvorzŸge ab, die das Leben der ãGebenedeiten unter den FrauenÒ vom ersten
Anfang bis zum letzten Ende umstrahlten. Lukas, der marianische Evangelist, hat
uns in seiner klassischen Sprache die meisten Bausteine zur Mariologie gegeben
und auch den Gottesgru§ an die Jungfrau von Nazareth wšrtlich aufgeschrieben:
ãGegrŸ§t seist du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir!Ò (Lk 1,28). Der
nŠmliche Evangelist beurkundet, wie dieser Gru§ des Himmels auf der Erde Widerhall
weckte, zunŠchst im Gru§ der Elisabeth: ãDu bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes!Ò (Lk 1,42), und wie von der
lebendigen Harfe des Hl. Geistes des Magnifikat stršmte. Der vierte Evangelist
aber hšrte unter dem Kreuz das Wort: ãSiehe deine Mutter!Ò (Joh 19,26), und er,
der feurige ChristusjŸnger, nahm mit den Armen der Ehrfurcht das VermŠchtnis
des sterbenden Meisters entgegen, um es der jungen Kirche zu Ÿbergeben. Nach
dem Zeugnis der Apostelgeschichte (1,14) waren die ersten JŸnger des Herrn um
Maria, die Mutter Jesu, versammelt. Der Marienkult hatte also schon in den
Tagen der Apostel Wurzel im auserwŠhlten Volke geschlagen.
Wer darf vor diesen biblischen Zeugnissen noch fragen, ob
Marienkult nicht doch vielleicht ein Raub an den AltŠren Gottes sei, ob eine
Marienkirche nicht doch vielleicht der Christuskirche den Platz versperre?
Marienkult ist nicht ein rostiger Bodensatz des Heidentums im Christentum,
nicht getaufter heidnischer Dianakult, nicht geboren aus dem heidnischen
Aberglauben, es werde eine weibliche Gottheit mehr Mitleid mit unseren Nšten
haben als ein mŠnnlicher Gott. Marienkult ist Geist vom Geist des Evangeliums,
ist reines Christentum. Die Urkirche sagte sich: wenn Gott einen Menschen
grŸ§en lŠsst, kann es nicht gottwidrig sein, diesen Gru§ nachzusprechen. Wenn
der Geist Gottes im Magnifikat eine Weissagung gibt, kann es nicht geistlos
sein, diese Weissagung zu erfŸllen und Maria mit allen Geschlechtern selig zu
preisen. Was das Evangelium verbunden hat, ãdas Kind und seine MutterÒ (Mt 2,11
u. 13f), dŸrfen die JŸnger des Evangeliums nicht trennen. Was mit Christus so
verbunden ist wie seine Mutter, in Blutsverwandtschaft und Geistesverwandtschaft,
darf die Christusreligion nicht auseinanderrei§en.Ò
Um nun hier in Loreto besonders nachdrŸcklich zu zeigen,
dass Mutter und Kind, Maria und Jesus Christus, nicht voneinander getrennt
werden dŸrfen, kam 14 Jahre nach dem vor 350 Jahren stattgefundenen
klšsterlichen Anfang Loretos zu der hier dreifaltig verehrten Gnadenmutter
Maria in ganz auffallender und Ÿberaus segenbringender weise das gšttliche
Kind, das Loretokindl, dazu: Im
Jahre 1650 hielt hier das Loretokindl seinen Einzug und zwar auf folgende
Weise:
FŸrsterzbischof Paris Lodron hatte zur StŠrkung der
bescheidenen kleinen Schar der schwestern erfahrene Ordensfrauen aus dem Elsass
gerufen. Eine dieser ElsŠsser Ordensschwestern war Sr. Maria Euphrasia
Silberrath. Diese hatte als junge Ordensfrau von einer GrŠfin …ttingen das
Loretokindl als ãSponsleinÒ erhalten. €hnlich wie am Nonnberg das sogenannte
Tršsterlein war das Sponslein, eine Jesuskind Figur, in der Barockzeit ein
Ÿbliches Geschenk, das einer jungen Ordensfrau zur Profess-Feier von Verwandten
oder Freunden vermacht wurde und das an die geistliche VermŠhlung mit Christus
die junge Ordensschwester allzeit in ihrem Ordensleben erinnern sollte.
Diese kleine Elfenbeinstatue des Jesuskindes kam also durch
Sr. Maria Euphrasia Silberrath im Jahre 1650 hierher nach Loreto. Bald wurde
dieses FigŸrchen auf einem eigenen Altar zur šffentlichen Verehrung
ausgestellt. Das glŠubige Volk fasste bald gro§es Vertrauen zu diesem Bild des
gšttlichen Heilands in der Gestalt eines Kindes. In der JubilŠumsschrift zum
300-Jahr-JubilŠum der GrŸndung von Loreto hei§ es (S. 16): ãNie hat das
Jesuskind (in Loreto) aufgehšrt, die MŸhseligen und Beladenen zu erquicken, die
Traurigen zu tršsten, die Kranken zu heilen und den SŸndern zu verzeihen.Ò Das
wird ausfŸhrlich bewiesen in einem aufschlussreichen Buch, das hier in Salzburg
1754 unter dem etwas barocken, aber vielsagenden Titel erschienen ist: ãLauretanischer Gnaden-Schatz, oder: Das in seiner Bildnuss kleine, in seinen
Wundern gro§e sogenannte Salzburger Kindl, welches in dem loblichen Frauen-Closter Maria Loreto in Salzburg zu šffentlicher Andacht
ausgesetzt, mit sonders gro§en Gnaden leuchtet. Wie solches neben einem kurzen
Vorbericht von dessen Ankunft in allhiesiges Frauen-Closter,
aus nachfolgendem Begriff immer neuen Wunderwerken erhellet. Samt einer
Verzeichnung verschiedner Opfer und Verehrungen, die bei dem heiligen Kindlein abgestattet
werden.Ò
Im Katalog zur gegenwŠrtigen Ausstellung im Dommuseum Ÿber
ãSalzburgs Wallfahrten in Kult und BrauchÒ werden auf den Seiten 167 –
196, also auf 29 Seiten aus den Verzeichnissen der Gebetserhšrungen, die beim
Loretokindl geschehen sind, 1060 solcher Gebetserhšrungen in den
verschiedensten Anliegen aufgezŠhlt und beschrieben. Immer noch kommen glŠubige
Menschen vertrauensvoll zum Loretokindl, lassen sich dieses aufsetzen, beten
davor und tragen dem Heiland in dieser zarten Kindesgestalt ihre Bitten und
Sorgen vor.
Ein schšnes Beispiel wie eine besorgte Mutter sich und ihre
Familie dem Loretokindl empfohlen hat, ist die Mutter Mozart. Aus Mannheim
schrieb sie im Dezember 1777 vor ihrer Abreise nach Paris ihrem Gatten Leopold
Mozart: ãIch habe beim heiligen Kindl von Loreto eine heilige Messe versprochen
wie auch zu Maria Plain, also bitt ich dich, solche lesen zu lassen, bei dem
Loreto Kindl gleich, zu Maria Plain aber, wann es wŠrmer wŸrd, auf dass die
Nannerl hinausgehen kann. Diese beiden – das Loreto-Kindl und die Planer
Gnadenmutter sind mein Schutz auf unserer Reise, ich habe mein ganzes Vertrauen
dazu, sie werden mich gewiss nicht verlassen!Ò (Katalog S. 71)
Die jungfrŠuliche Gottesmutter Maria will nicht ohne ihr
gšttliches Kind verehrt werden. Das zeigte sie hier in Loreto, als Christus in
der Gestalt des Kindes hierherkam und sich im Loreto-Kindl anrufen, verehren
und anbeten lie§ herauf durch die Jahrhunderte seit dem Jahre 1650. Aber Christi
Anwesenheit im gnadenreichen Bild des Loreto-Kindls war der Mutter Maria
gewisserma§en zu wenig, sie wollte, dass ihr gšttlicher Sohn auch in der vollen
Wirklichkeit seiner eucharistischen Gegenwart in dieser Maria geweihten Kirche
in besonderer Weise anwesend sei. So hat die Gottesmutter im Jahre 1940 der
damaligen Oberin Sr. Maria Theresia Osl und dem damaligen FŸrsterzbischof
Sigismund Waitz den Wunsch eingegeben, der eucharistische Heiland sollte hier
in Loreto ganz besonders eifrig angebetet und durch Aussetzung der Monstranz
zur Tages- und Nachtanbetung dazu Gelegenheit geboten werden, die Schwestern
Kapuzinerinnen aber sollten zum sichtbaren Zeichen dafŸr ihre auf
FŸrsterzbischof Paris Lodron zurŸckgehenden Statuten dahin Šndern, dass sie
sich zu eifriger Anbetung des menschgewordenen Sohnes Gottes im Hl. Sakrament
verpflichten und dem entsprechend sich ãKapuzinerinnen von der ewigen AnbetungÒ
nennen.
Seit dem 15. Juli 1940, da hier die Ewige Anbetung
eingefŸhrt worden ist, geht nun nicht mehr blo§ von den Gnadenbildern Mariens,
wie sie in Altštting, Maria Einsiedeln und Loreto in SŸditalien verehrt wird
und nicht blo§ vom Loreto-Kindl reicher Segen aus, sondern noch viel mehr von
dem hier so eifrig angebeteten Allerheiligsten Altarssakrament, in welchem der
Gottmensch Jesus Christus ja wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwŠrtig ist
und allen glŠubigen Menschen immer wieder zuruft: ãKommt zu Mir alle, die ihr
mŸhselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.Ò
Aus den Sitzungen des Salzburger Domkapitels darf ich
verraten, dass in der Altstadt nach einer passenden, wŸrdigen StŠtte
immerwŠhrender Anbetung des Allerheiligsten gesucht wird. In der Neustadt aber
ist eine solche GnadenstŠtte seit fast 50 Jahren hier in Loreto. Und es ging
– wie vom Loreto-Kindl – auch vom ausgesetzten Allerheiligten
bisher schon viel Segen aus.
Mšge all das, was hier in Loreto seit 350 Jahren so eifrig
gepflegt wird, auch in den weiteren 50 Jahren bis zum 400-Jahr-JubilŠum so
bleiben: Eine vertrauensvolle Verehrung der jungfrŠulichen Gottesmutter Maria:
sie hat sich millionenfach in Altštting, in Maria Einsiedeln und im gro§en
Gnadenort Loreto in SŸditalien als Hilfe der Christen, als Tršsterin der
BetrŸbten, als Zuflucht der SŸnder und als Heil der Kranken erwiesen. Mšge sie
dies auch hier im Salzburger Loreto weiter tun, zumal hier in Loreto Monat fŸr
Monat an jedem Dreizehnten auch an die Botschaft Mariens in Fatima erinnert
wird und so viele treue Pilger dabei immer wieder zur Fatima-SŸhnemesse hierher
pilgern.
Mšge auch weiterhin das Loreto-Kindl verehrt werden mit
glŠubiger Zuversicht. Diese kleine Gestalt ist uns kein Gštzenbild und kein
Talisman, es ist uns nur Erinnerung an die herablassende Demut und GŸte des
Sohnes Gottes, wie er sie im Geheimnis seiner Menschwerdung im jungfrŠulichen
Scho§ Mariens kundgetan hat. Warum ist Gott ein Kind geworden? Es gibt der
GrŸnde dafŸr viele, ein besonderer Grund ist sicher der, dass uns der
menschgewordene Sohn Gottes zeigen wollte, wie es auf das rechte, demŸtige
Kindsein Gott gegenŸber ankommt, denn das Kind in Not und Gefahr vertraut sich
ganz der Mutter an. So machen auch wir es: ãUnter deinen Schutz und Schirm
fliehen wir, heilige GottesgebŠrerin...Ò
Im Loreto-Kindl ist Christus nicht gegenwŠrtig, er knŸpft
nur an dieses Werkzeug seine Gnadenhilfe, wenn man vertrauensvoll zu Ihm betet.
Real und wirklich aber ist der Sohn des himmlischen Vaters und der
jungfrŠulichen Mutter Maria gegenwŠrtig im heiligsten Sakrament des Altares.
Mšge darum weiterhin Christus im Hl. Sakrament eifrig verehrt und voll
Ehrfurcht angebetet werden.
Wenn das alles weiterhin so gepflegt wird in Loreto, dann
bleibt dieses Kloster mit seinen Schwestern und diese Kirche mit den darin
andŠchtig betenden Menschen eine gro§e, segenbringende GnadenstŠtte fŸr Stadt
und Land Salzburg, fŸr das benachbarte Bayern und Oberšsterreich!
Es blŸhe, wachse und gedeihe auch in den kommenden 50 Jahren
bis zum 400-Jahr-JubilŠum das stille bescheidene Kloster der ãKapuzinerinnen
von der ewigen AnbetungÒ!