Das Marienbild des Alten Bundes

Loreto, 13. Dez. 1977

 

Der Advent des Kirchenjahres erinnert uns immer wieder mit seinem sehnsuchtsvollen Rufen und Beten um den Messias an den Alten Bund. So sei am  heutigen Fatimatag im Advent (13. Dezember 1977) an das Marienbild des AB erinnert. Das Marienbild des NB ist ja jedem religišs halbwegs gebildeten Katholiken bekannt. Wir sollten aber nicht vergessen, dass auch das AT vom Hl. Geist inspiriert ist. Der Hl. Geist ist ja der eigentliche Urheber der Hl. Schrift, er war es, der die Niederschrift aller 72 BŸcher des AT und NT angeregt und die heiligen Schriftsteller dann gelenkt, geleitet und bei der Niederschrift vor IrrtŸmern bewahrt hat. Und was uns der hl. Geist in allen 72 BŸchern der Hl. Schrift des AT und NT zu kŸnden wei§, ist bedeutsam, und es gilt, was der hl. Paulus geschrieben hat: ãJede von Gott eingegebene Hl. Schrift dient zur Belehrung, zum Erweis der Wahrheit, zur sittlichen Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes in gehšrigem Stande sei, gerŸstet zu jeder guten TatÒ (2 Tim 3,16)

Fast zahllos sind nun die stellen des AT, die auf den kommenden Messias und Erlšser hinweisen, ganz abgesehen von den eigentlichen messianischen Weissagungen, die immer deutlicher und deutlicher den verhei§enen Messias ankŸndigen als den Schlangenzertreter, als die Sehnsucht der Všlker, als den Spross aus Davids kšniglichem Geschlecht, dessen Reich kein Ende finden werde, als die menschgewordene Weisheit Gottes, als die Sonne der Gerechtigkeit, als das Licht der Heidevšlker, als den starken Helden, der zugleich Sohn Gottes, Knecht Gottes und Lamm Gottes sein wird, das zur Schlachtbank gefŸhrt wird, um den Frieden zwischen Gott und den Menschen herzustellen.

Aber nicht blo§ vom kommenden Messias und Erlšser reden die BŸcher des AB in der Kraft dessen, der – wie es im Credo der hl. Messe hei§t – ãgesprochen hat durch die ProphetenÒ, sondern auch von der Mutter des Messias reden die BŸcher des AB, denn zum Sohn gehšrt die Mutter, weil der Sohn Gottes im Geheimnis seiner Menschwerdung zwar auf alles verzichten wollte in herablassender Demut und SelbstentŠu§erung, nur auf eins nicht, auf eine Mutter und zwar auf eine ganz reine, ganz schšne, ganz makellose jungfrŠuliche Mutter.

So leuchtet in den messianischen Weissagungen des AT nicht nur ein herrliches Christusbild auf, sondern auch – wenn auch bisweilen nur in schattenhaften Umrissen – das Bild der Messiasmutter, das Bild Mariens.

Dreimal gleichsam lŠutet die Ave-Glocke im AB besonders klar und hell: sie lŠutet am Morgen, sie lŠutet am Mittag, sie lŠutet am Abend der alttestamentlichen Heilsgeschichte.

Das erste Ave-LŠuten am Morgen der alttestamentlichen Heilsgeschichte ist ein Gru§ an die Erlšsermutter:

Es war nach dem SŸndenfall der Stammeltern, die Gottes Gebot Ÿbertreten und damit den Fluch Gottes auf sich geladen hatten: der Gnade der Gotteskindschaft und der leiblichen Unsterblichkeit beraubt sollten sie aus dem Paradies beglŸckender GottesnŠhe vertrieben werden. Dunkel war es nun in ihnen und um sie herum geworden. Da lie§ Gott in die dŸstere Dunkelheit hinein ein erstes Adventlicht hineinleuchten. Dieses erste Adventlicht ist das sogenannte Protoevangelium oder Urevangelium, das die allererste Frohbotschaft vom kommenden Messias und seiner Mutter enthŠlt, wie es uns im 1. Buch des AT, im Buch Genesis 3, 15 aufgezeichnet ist: Gott spricht da zum Teufel in der Gestalt der Schlange: ãFeindschaft will Ich setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Dieser wird dir den Kopf zertreten, du aber wirst ihn nur an der Ferse verletzen!Ò Dem Teufel wir hier radikalste Feindschaft angekŸndigt und gesagt, dass seine Besiegung sicher ist:  Der Kopf wird ihm zertreten vom Samen jener Frau, die mit ihrem Samen, mit ihrem Spross in radikalster Feindschaft zu ihm stehen wird. Der Schlangenzertreter, der hier angekŸndigt wird, ist niemand anderer als der Messias, der Erlšser. Hinter ihm aber steht seine Mutter. Als Jesus Christus, der Messias am Kreuze hing und starb, war dies scheinbar der Triumph des Teufels, in Wahrheit aber die radikalste Niederlage des Teufels, seine siegreiche †berwindung: Der einst am Holze siegte, am Baum inmitten des Paradieses, als es ihm gelang, die Stammeltern zur ersten SŸnde zu verfŸhren, er wurde am Holz des Kreuzesbaumes besiegt. Jene aber, die dem Messias und Erlšser bei der Besiegung des Teufels half, war seine Mutter: wie der Messias, der Erlšser, vom ersten Augenblick seines Daseins an in Todfeindschaft mit dem Teufel lebte, so auch Maria, die Mutter des Erlšsers! Beide hatten niemals etwas mit dem Teufel und seinen Werken zu tun, Christus nicht, der Reinste und Heiligste und Maria nicht, die makellos Empfangene. Wie Christus, so ist auch Maria eine unbezwungene Festung, die niemals vom Teufel durch eine SŸnde bezwungen wurde.

So ist in jener schriftstelle des AB, die wir Urevangelium nennen und an der zum ersten Mal in prophetischer Schau der Schleier vom kŸnftigen Erlšsungsgeheimnis weggezogen wurde, ein Gru§ an die unbefleckt empfangene Erlšsermutter, die einst unter dem Kreuz und zum Kreuz des Erlšsers stehen sollte als Gehilfin des Erlšsers. Maria ist so zum Morgenrot der Erlšsung geworden als Mutter des Schlangenzertreters, die ihm dabei half, weil auch sie zeitlebens in radikaler Feindschaft zum Widersacher Gottes stand!

Beachten wir noch, dass an dieser ersten alttestamentlichen Stelle, die in schattenhaften Umrissen erstmalig auf Maria, die unbefleckt empfangene Erlšsermutter hinweist, nur die Mutter des Erlšsers und kein Vater des Erlšsers genannt wird. So wird es bei allen kommenden alttestamentlichen Schriftstellen, die prophetisch auf die Messiasmutter hinweisen, sein. Man sollte das wirklich nicht Ÿbersehen, weil hier erstmalig ein Hinweis dafŸr gegeben wird, dass die Messiasmutter den Messias nicht durch Zutun eines Mannes, sondern jungfrŠulich empfangen wird.

So lŠutet also die erste Ave-Glocke am Morgen der alttestamentlichen Heilsgeschichte und ruft uns auf, Maria zu grŸ§en als die ganz schšne, makellos reine, jungfrŠuliche Mutter und Gehilfin des Erlšsers!

Das zweite Ave-LŠuten am Mittag der alttestamentlichen Heilsgeschichte am Hšhepunkt des Alten Bundes ist dann noch viel stŠrker und fast schon unŸberhšrbar ein Gru§ an die Jungfrau-Mutter, die jungfrŠulich empfangen und jungfrŠulich gebŠren wird, sodass sie dann die einzige Jungfrau unter allen MŸttern und die einzige Mutter unter allen Jungfrauen sein wird:

Es ist die prophetische Stelle im Buch des Propheten Jesaia 7,5: Seit dem ersten Ave-LŠuten in der Morgenstunde der alttestamentlichen Heilsgeschichte waren Jahrhunderte vergangen. Das auserwŠhlte Volk war nach €gypten verschlagen worden. Es schmachtete in harter Knechtschaft. Doch Gott fŸhrte sein Bundesvolk durch Moses unter Zeichen und Wundern in die Freiheit und dann durch Josue in das gelobte Land hinein.

Aber anstatt hier seinem Bundesherrn, dem einen, wahren Gott in Treue zu dienen, begann das Volk Israel mehr und mehr, seiner Berufung untreu zu werden und mit den heidnischen Gottheiten und mit heidnischer Sittenlosigkeit zu liebŠugeln. Besonders arg wurde das unter dem gottlosen Kšnig Achaz, der von 736 bis 721 vor Christi Geburt in Jerusalem regierte und alle seine VorgŠnger an Gottlosigkeit Ÿbertraf und in JudŠa ganz systematisch den Gštzendienst einfŸhrte.

Da ereignete sich im Jahre 735 v. Chr. Folgendes: es brach ein Krieg aus zwischen Syrien und dem Landstrich, der dem stamme Ephraim zugewiesen worden war. Jerusalem wurde wŠhrend dieses Krieges von den Kšnigen von Damaskus und Samaria belagert. Diese beiden Kšnige wollten Jerusalem zwingen, ihrem BŸndnis gegen den Gro§kšnig von Assyrien beizutreten. Allen Bewohnern von Jerusalem lag deshalb der Schrecken in den Gliedern, am meisten aber dem Kšnig Achaz, der sich in grš§ter Not und BedrŠngnis wusste und dabei nicht mehr aus und ein wusste. Ohne Halt, ohne Hilfe, ohne Glauben zitterte er wie Espenlaub, hei§t es in der Hl. Schrift. Statt in so verzweifelter Situation ganz fest und stark auf Gott zu vertrauen, wollte er bei der heidnischen Weltmacht Assyrien Schutz und Hilfe suchen. Er schickte seine UnterhŠndler dorthin, was erst recht všllig verfehlt war, denn von Assyrien war damals keine wahre Hilfe zu erwarten, es war ja nur – Šhnlich wie etwa heute Sowjetrussland unter dem Vorwand echter Waffenhilfe – auf Eroberung und nicht auf Frieden aus.

In dieser kritischen Situation wurde nun der Prophet Jesaia zu Kšnig Achaz gesandt. Der Kšnig war gerade bei der Besichtigung der Befestigungswerke der Stadt Jerusalem. Da sprach ihn der Prophet Jesaia an: ãMajestŠt, glauben Sie doch an Gott, den Bundesherrn Israels und vertrauen Sie! Der Herr wird helfen! Lassen sie doch alles Paktieren mit Assyrien! Das wŠre nur erst recht zum Unheil des Volkes Israel!Ò – Der Kšnig darauf: ãEs ist zu spŠt. Und von Gott ist keine Hilfe zu erwarten!Ò – Darauf der Prophet Jesaia: ãGanz sicher wird Gott helfen! Man muss nur glauben und vertrauen!Ò Zum Beweis dafŸr, dass Gott und Er allein in dieser verzweifelten Situation noch hilft, solle der Kšnig ein Wunderzeichen verlangen! So wahr dieses Wunderzeichen eintreten werde, so wahr sei auch die Tatsache, dass Gott jetzt, in dieser verzweifelten Situation, noch helfen und zu seinem Bundesvolk stehen wird. – Darauf Kšnig Achaz in heuchlerischer Weise: ãIch will Gott dadurch, dass ich ein selbstgewŠhltes Wunderzeichen erbitte, nicht versuchen!Ò – Darauf der Prophet Jesaia in heiligem Zorn Ÿber den gottlosen Kšnig Achaz: ãSo hšre denn, Haus David! Ist es euch zu wenig, dass ihr Menschen zur Last fallet, da ihr auch meinem Gott zur Last fallet? Da Ihr, Kšnig, in eurem Unglauben vom Herrn, Eurem Gott kein Zeichen gefordert habt, sei es in der Tiefe unten, sei es in der Hšhe oben, so wird der  Herr selber Euch jetzt ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebŠren und sein Name wird sein: Emmanuel, Gott mit uns!Ò – Der Prophet kŸndigte also dem gottlosen Kšnig, seinem  Hof, dem Hause David und seinem Volk, dem Volk Israel an: So sicher als dereinst der verhei§ene Messias von einer Jungfrau empfangen und geboren werden wird und in seinem Wesen Emmanuel, d.h. Gott mit uns sein wird, so sicher soll auch Jerusalem und das davidische Kšnigshaus aus der gegenwŠrtigen Situation, die menschlich gesprochen verzweifelt ist, errettet werden. ãSiehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebŠren: Sein Name wir sein Emmanuel, Gott mit uns!Ò

Hier in der Mittagsstunde der alttestamentlichen Heilsgeschichte klang die Ave-Glocke zum zweiten Mal! Hier leuchtete das gro§e verhei§ungsvolle Zeichen der Urzeit aufs Neue auf, diesmal schon deutlicher und noch schšner als damals im Protoevangelium. Es ist jetzt nicht mehr blo§ in schattenhaften Umrissen das Bild der Mutter des Schlangenzertreters, also der Erlšsermutter, die keinen Mann an ihrer Seite hat in der radikalen Feindschaft zur teuflischen Schlange, sondern nur ihren Spross, ihren Sohn. Jetzt wird es schon ausdrŸcklich gesagt, dass diese Erlšsermutter jungfrŠulich empfangen und jungfrŠulich gebŠren wird und Jungfrau und Mutter zugleich sein wird, wobei der Sohn, den sie jungfrŠulich empfangen und gebŠren wird, Gott und Mensch  zugleich sein wird. Nicht blo§ sein Erlšsungsprogramm und sein Erlšsungsziel wird lauten: ãGott mit uns MenschenÒ, auch sein eigenes Wesen wird darin bestehen, dass der die Gottnatur mit der Menschennatur in sich vereint und dass in Ihm und durch Ihn Gott mit uns (mit uns Menschen) sein wird!

Halten wir es glŠubig froh und dankbar fest, was in diesem zweiten Ave-LŠuten am Mittag der alttestamentlichen Heilsgeschichte angekŸndigt wurde: Der Messias, der Emmanuel, der starke ãGott-mit-unsÒ wird nicht aus dem Samen eines Mannes oder – wie es im Prolog des Johannes-Evangeliums dann hei§en wird – nicht aus dem Verlangen des Fleisches und nicht aus dem Wollen des Mannes gezeugt und geboren werden, sondern aus Gott, durch den Hl. Geist aus einer Jungfrau!