Das Heilsereignis in der FŸlle der Zeit
Kollegienkirche 9.8, Pilgerfahrt Kevelau 1980,
Kollegienkirche, Nov. 1985
†ber dieses
gewichtige Thema soll ich bei der heutigen Maiandacht predigen und zwar im
Anschluss an das Pauluswort im Gal. 4,4 -7, wo es hei§t:
ãAls aber die
FŸlle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn – geworden aus einer Frau
– gestellt unter das Gesetz -, damit er die unter dem Gesetz Stehenden
loskaufe – und damit wir an Kindesstatt angenommen wŸrden.Ò Wenn der Gal
zwischen 48 und 54 n. Chr. abgefasst wurde, geht es hier zweifellos um eine der
Šltesten stellen des NT, die Ÿber das Heilsereignis der Menschwerdung des
Sohnes Gottes berichten.
Was der
Všlkerapostel Paulus hier in
kurzer, knapper, ja lapidarer Sprache Ÿber das Heilsereignis der Menschwerdung
des Sohnes Gottes schreibt, klingt zwar nicht pathetisch warm und begeisternd,
wie man es sich fŸr ein Marienfest erwarten wŸrde, aber die Sprache ist doch
sehr einprŠgsam, fast einhŠmmernd, sie vermeidet jedes ŸberflŸssige Wort und
ist dabei doch ungemein vielsagend:
1.
In
der FŸlle der Zeit, in einem Zeitpunkt der Geschichte, der von Ewigkeit her im
gšttlichen Heilsratschluss festgesetzt worden war, sandte Gott seinen Sohn, der
also schon existierte, der also prŠexistent in der Ewigkeit Gottes, des Vaters
lebte. Und Gott Vater sandte ihn, auf dass er Mensch werde, einer aus uns, in
allem uns gleich au§er der SŸnde, die er von uns nehmen sollte.
2.
Geworden
ist dieser Sohn Gottes im Geheimnis der Menschwerdung ãaus einer FrauÒ, aus
einer Mutter.
In dem was der Všlkerapostel Paulus
Ÿber diese Frau, die da zur Mutter des menschgewordenen Sohnes Gottes wurde,
nun schreibt, fŸhlt man sich auf den ersten Blick bitter enttŠuscht; es ist
jedenfalls auf den ersten Blick gar nicht fŸr eine begeisternde Marienpredigt
angetan, wenn es da der hl. Paulus nicht einmal der MŸhe wert findet, den Namen
der Mutter des menschgewordenen Sohnes Gottes zu nennen. ãGeworden aus einer FrauÒ.
Nur das schreibt Paulus.
Der Name dieser Frau dŸnkte
ihm wohl nebensŠchlich im Vergleich zu der unerhšrten Tatsache, dass sich der
Sohn Gottes im Geheimnis der Menschwerdung so tief herablie§ und so klein, so
klein wie der Kopf einer Stecknadel, im Mutterscho§ einer Frau wurde und so wie
jedes Menschenkind in diesem Mutterscho§ neun Monate lang wuchs und
heranreifte, bis er das Licht der Welt erblickte und in die Geschichte eintrat.
Unscheinbar und unbeachtet von
der gro§en Welt trat der prŠexistente, von Ewigkeit her existierende, dem Vater
wesensgleiche Sohn Gottes in der FŸlle der Zeit in die Geschichte ein. Paulus
will also zu allererst unsere ganze Aufmerksamkeit darauf lenken, dass das
Heilshandeln Gottes an der Menschheit im Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes
Gottes kein Mythos, kein MŠrchen, keine schšne, fromme Legende ist, sondern
geschichtliche Tatsache in der Zeit, in der FŸlle der Zeit.
3.
Aber
warum sagt der hl. Paulus Ÿber die Mutter Jesu nicht doch noch mehr aus als nur
dieses ãgeworden aus einer FrauÒ? Wo bleibt etwa der Glaubenssatz, der schon im
Symbolum Apostolicum klar ausgesprochen wird: ãEmpfangen vom Hl. Geist, geboren
aus Maria der JungfrauÒ? Warum formuliert es Paulus so eigenartig und fast
befremdend, dass der Sohn Gottes aus einer Frau geworden ist? Wei§ er nichts
von der JungfrŠulichkeit Mariens?
Wir
mŸssen darauf wohl antworten: Von einem Nichtwissen oder gar Leugnen der
jungfrŠulichen EmpfŠngnis des Sohnes Gottes im Mutterscho§ Mariens kann keine
Rede sein, er hat nur nicht ausdrŸcklich davon gesprochen, weil ihm die
geschichtliche Tatsache der Menschwerdung des Sohnes Gottes allein schon so
ungeheuer wichtig vorkam, dass er nur darauf ausdrŸcklich hinweisen wollte.
Viele
Exegeten, nicht blo§ katholische, sondern auch evangelische, haben aber mit
recht auf den Umstand hingewiesen, dass der hl. Paulus an dieser
Galaterbriefstelle nur von einer frau, nur von der Mutter, nicht aber von einem
Mann, von einem Vater spricht.
Paulus
hŠlt sich hier an die bemerkenswerte Tatsache, dass auch die Hl. Schrift des
Alten Testamentes dort, wo sie von der Herkunft des verhei§enen Messias
spricht, immer nur die Mutter, nie aber einen menschlichen Vater erwŠhnt,
angefangen vom Protoevangelium (Gen 3,5) Ÿber die messianische Weissagung bei
Jes 7 bis hin zum Propheten Micha, der dort, wo er die Geburt des messianischen
FriedensfŸrsten in Bethlehem ankŸndigt und voraussagt, auch nur die gebŠrende Mutter,
aber keinen Vater erwŠhnt.
Es
ist schon den KirchenvŠtern, etwa beispielsweise dem hl. Cyrill von Jerusalem,
aufgefallen, dass der hl. Paulus im Gal 4,4 die Menschwerdung des Sohnes Gottes
nicht als ãgeworden aus Mann und FrauÒ, sondern als ãgeworden aus einer Frau
alleinÒ beschreibt. Da erklŠrt sich nur daraus – bemerkt der bedeutende
ev. Theologe und Exeget Theodor Zahn - , ãdass Paulus von einem Mann, der Jesus
gezeugt haben soll, nichts wusste. FŸr einen solchen Mann ist kein Raum neben
Gott, dem Vater Jesu, der ihn als seinen Sohn von einer Frau geboren werden
lie§. Die Mutter Jesu hier aber ausdrŸcklich als ParthŽnos (als Jungfrau) zu
bezeichnen, dazu hatte Paulus hier ebenso wenig Anlass, wie sie mit Namen zu
nennen. Aber Paulus hat hierŸber kein anderes Wissen oder Meinen gehabt als
sein SchŸler LukasÒ, der ja in seinem Evangelium ausdrŸcklich und eindeutig
klar von der jungfrŠulichen EmpfŠngnis und Geburt Jesu aus Maria der Jungfrau
berichtet.
Paulus
wusste also um die jungfrŠuliche Herkunft des menschgewordenen Gottessohnes aus
Maria. (Und wenn er nur die Mutter und keinen menschlichen Vater
nennt, so ist das vielleicht sogar vielsagender, als wenn er den Ausdruck
ãParthŽnosÒ-Jungfrau gebraucht hŠtte und dabei dann der Streit moderner
Exegeten mitschwingen wŸrde, ob das griechische Wort ãpartŽnosÒ
hier die richtige Wiedergabe des hebrŠischen Wortes ãAlmaÒ sei, das sowohl
junge Frau als auch Jungfrau bedeuten kann.)
4.
Neben
dem ãGeworden-Sein aus der FrauÒ erwŠhnt der hl. Paulus vom menschgewordenen
Sohn Gottes noch besonders sein ãGestellt-Sein unter das GesetzÒ. Damit soll
nochmals und noch verstŠrkt die demŸtige Selbsterniedrigung des Gottessohnes
zum Ausdruck gebracht werden: Er hat sich dem Gesetz ganz und gar unterstellt.
Gemeint ist konkret vor allem das mosaische Gesetz. Der Sohn Gottes ist also
Glied des jŸdischen Volkes geworden. Wir kommen an dieser geschichtlichen
Tatsache nicht herum.
(Es gab
bei uns eine Zeit, in der man meinte, sich dessen schŠmen zu mŸssen, so wie
jetzt Bundeskanzler Kreisky in einem Zeitungsinterview gemeint hat, es gŠbe bei
uns Menschen, die sich schŠmten, dass an der Spitze unserer Regierung ein
geborener Jude steht. Nein, dessen schŠmen wir uns nicht, wohl aber darŸber,
dass die Regierungspartei mit dem Bundeskanzler an der Spitze uns das Gesetz
mit der teuflischen Fristenlšsung beschert hat und daran ging, auch die
Unauflšslichkeit der Ehe grundsŠtzlich aufzugeben, und die Ehe in einen Vertrag
mit dreijŠhriger KŸndigungsfrist umzuwandeln. Solch ungerechten, den Schutz des
ungeborenen Lebens missachtenden und die Ehe und Familie zerstšrenden Gesetzen
wollte der Gottmensch Jesus Christus weder sich noch uns unterstellt wissen,
er, der sich herabgelassen hat, aus einer Frau geboren und unter das Gesetz
gestellt zu werden.)
Was
aber die semitisch-jŸdische Herkunft der Menschennatur Jesu Christi betrifft,
so sei an das erinnert, was das II. Vaticanum in der ãErklŠrung Ÿber die
nichtchristlichen ReligionenÒ geschrieben hat:
ãDie
Kirche kann nicht vergessen, dass sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus
unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten
Testaments empfing und dass sie genŠhrt wird von der Wurzel des guten …lbaums,
in welchem die Heiden als wilde Schš§linge eingepfropft worden sind. Die Kirche
glaubt, dass Christus, unser Friede, Juden und Heiden durch das Kreuz versšhnt
und beide in sich vereinigt hat. Die Kirche hat auch stets die Worte des
Apostels Paulus vor Augen, der von seinen jŸdischen Stammesverwandten sagt, das
ihnen die Annahme an Sohnes Statt und die Herrlichkeit, der Bund und das
Gesetz, der Gottesdienst und die Verhei§ungen gehšren ... und dass aus ihnen Christus
dem Fleische nach stammtÒ, der Sohn der Jungfrau Maria.
Wenn
der Sohn Gottes in seiner herablassenden Demut durch seine Menschwerdung sich
in das jŸdische Volk eingegliedert und dem Gesetz unterstellt hat, so haben wir
nicht mit Gott zu rechten, zu hadern und zu fragen, ob das richtig war und ob
es Ÿberheblichen, vom Rassenwahn befallenen Menschen passt, wir kšnnen dann nur
in ehrfŸrchtiger Anbetung der HeilsratschlŸsse Gottes mit dem Dichter des Te
Deum sprechen: ãNon horruisti Virginis uterumÒ, ãDu Kšnig der Herrlichkeit, Christus, ewiger Sohn
des himmlischen Vaters, du hast der Jungfrau Scho§ nicht verschmŠhtÒ und auch
nicht die Zugehšrigkeit zum jŸdischen Volk, zum viel geschmŠhten, viel
verfolgten; du bist Mensch geworden, um uns zu erlšsen aus der Knechtschaft des
Gesetzes, der SŸnde und des Todes und um uns zu Sšhnen und Tšchtern Gottes, des
himmlischen Vaters und zu deinen BrŸdern und Schwestern zu machen. ãDu hast
bezwungen des Todes Stachel und denen, die glauben, das Reich des Himmels
aufgetan... Dich bitten wir denn, komme deinen Dienern zu Hilfe, die du erlšst
hast mit deinem kostbaren Blute. In der ewigen Herrlichkeit zŠhle uns deinen
Heiligen zu, wo sie schon weilt mit Seele und Leib, die deine Mutter war und
die du uns vom Kreuz herab zu unserer Mutter gegeben hast!
Wer
an dieses Heilsereignis in der FŸlle der Zeit glaubt und aus diesem Glauben
lebt in der Liebe zu Gott und den Mitmenschen, der kann das Te Deum im Vertrauen
auf Christus und seine jungfrŠuliche Mutter Maria zu Ende beten: ãIn Te,
Domine, speravi, non confundar
in aeternumÒ. Amen.