Franciscus * 1182, + 4.10.1226

Loreto 4.10.1981, 4.10. 1987, 4.10.1992

 

1976 haben wir sein 750. Todesjahr begangen. Jetzt aber vom 4. Oktober 1981 bis 4. Oktober 1982 wird sein 800. Geburtsjahr gefeiert. Wieso feiert man diesen Heiligen so oft und so nachhaltig? Die Antwort ist leicht gegeben: Weil kaum ein Heiliger so stark auf die Christenheit eingewirkt und so viel gesunde, echte Reform der Kirche bewirkt hat, wie der seraphische Heilige von Assisi.

I.       Die Situation der Christenheit und im Besonderen der Kirche war damals im 13. Jahrhundert sehr ernst: wenn auch der katholische Glaube damals in den Seelen noch unversehrt oder wenigstens nicht všllig verdunkelt war, wie es heute vielfach der Fall ist, der echte Geist des Evangeliums aber war doch fast ganz verschwunden und deshalb auch die Liebe zu Christus in der menschlichen Gesellschaft derma§en schwach geworden, dass man hŠtte glauben kšnnen, sie sei vollstŠndig erloschen.

Um von den ParteikŠmpfen derer, die es bald mit der Kirche, bald mit dem Staat hielten, ganz zu schweigen, jedenfalls zerfleischten sich die StŠdte Italiens damals in BŸrgerkriegen. Manche StŠdte wollten sich der Oberherrschaft des Landesherrn entziehen und so die politische UnabhŠngigkeit erringen; andere StŠdte, die mŠchtig waren, suchten kleinere StŠdte zu unterjochen; anderswo kŠmpften in ein und derselben Stadt mehrere Parteien um die Vorherrschaft. Dabei kam es auf beiden Seiten vielfach zu entsetzlichem Blutvergie§en, zu Mordbrennerei, zu Raub und PlŸnderung, zu Verbannung und zu Konfiskation des Eigentums. Die soziale Lage breitester Volksschichten sprach aller Gerechtigkeit Hohn. Denn zwischen Herren und Knechten, zwischen den sogenannten Gro§en und den Kleinen, zwischen EigentŸmer und PŠchtern herrschten ŸbermŠ§ige Standesunterschiede, die nicht mehr menschenwŸrdig waren. Die niederen Volksschichten wurden gewohnheitsmŠ§ig von den MŠchtigen unterdrŸckt und ungestraft gequŠlt. Vor lauter Egoismus und Habgier lie§en sich jene, die nicht in armseligen VerhŠltnissen lebten, von unersŠttlicher Sucht nach Reichtum hinrei§en. – Vereinzelte gesetzliche Ma§nahmen gegen allzu gro§en Aufwand blieben wirkungslos. In der Kleidung, in Gelagen und VergnŸgungen jeder Art entfalteten die Vermšgenden einen unsinnigen Aufwand. Armut und Arme verachtete man. Mit AussŠtzigen, deren es damals in Europa noch eine Menge gab, wollte man nichts zu tun haben; man sonderte sie ab und Ÿberlie§ sie ihrem Schicksal. Von dieser Ÿbertriebenen Genuss- und VergnŸgungssucht wussten sich damals auch viele hšhere Geistliche nicht freizuhalten. Auch in kirchlichen Kreisen suchte sich gar mancher mit allen erdenklichen Mitteln mšglichst ergiebige Erwerbsquellen zu erschlie§en. Man erpresste Geld gewaltsam, man forderte ungerechte Wucherzinsen. Man lie§ sich šffentliche €mter, Ehrenstellen, die Handhabung der Gerichtsbarkeit, ja sogar die Straflosigkeit Angeklagter schwer bezahlen mit Schmiergeldern aller Art.

Auch in die meisten Klšster war damals arge Verweltlichung eingedrungen, die kirchliche Zucht lag vielfach darnieder.

Das war in den HauptzŸgen die Lage der Gesellschaft und der Kirche von damals.

 

II.     In diese Situation hinein wieder Licht zu bringen und zum unverfŠlschten Ideal des gelobten Evangeliums zurŸckzufŸhren, dazu erschien damals nach dem Ratschluss der gšttlichen Vorsehung der Heilige von Assisi. In ihm leuchtete der Welt, wie der gro§e italienische Dichter Dante gesagt hat, die Sonne wieder auf. Und der erste Biograph des hl. Franziskus, Thomas von Celano, schrieb: ãFranziskus strahlte wie ein Stern, er leuchtete im Dunkel der Nacht.Ò

Als junger Mensch von Ÿbersprudelnder und fast leidenschaftlicher GemŸtsart liebte es Franziskus, der Sohn des reichen Kaufmanns Pietro Bernardone, in kostbaren Kleidern im Kreise vornehmer, fršhlicher Kameraden Ÿppige GastmŠhler zu geben und mit munterem Gesang durch die Stra§en seiner Vaterstadt Assisi zu ziehen. Aber in sittliche Haltlosigkeit und Zuchtlosigkeit verlor er sich dabei nicht.

Nach den Beschwerden einer Gefangenschaft in Perugia und nach einer durchlittenen Krankheit fŸhlte er sich zu seiner eigenen Verwunderung auf einmal innerlich wie umgewandelt. Er suchte sich der Hand Gottes zu entziehen. Deshalb machte er sich zur Ablenkung nach Apulien in SŸditalien auf, um dort Heldentaten zu bestehen. Unterwegs aber erhielt er von Gott die unzweideutige Weisung, wieder nach Assisi zurŸckzukehren; dort sollte er erfahren, was er zu tun habe. Lange wurde er von Unruhe und Ungewissheit geplagt. Aber der Antrieb der gšttlichen Gnade und das wŠhrend einer hl. Messe gehšrte Wort des Evangeliums von der Aussendung und armen Lebensweise der Apostel lie§ ihn zur Erkenntnis kommen, dass er nach dem Vorbild des heiligen Evangeliums leben und Christus dienen mŸsse.

Damals schon ging Franziskus daran, sich mit Christus aufs Innigste zu verbinden; er suchte –  zuerst unbewusst, dann immer bewusster – Christus ganz Šhnlich zu werden. Er wurde ein Ritter Christi mit dem ganzen hochgemuten Edelsinn seines Charakters. Damit er selbst samt seinen JŸngern, die sich ihm anschlossen, in keinem Punkt mit dem gšttlichen Meister in Widerspruch gerate, pflegte er sich bei Entscheidungen an das Evangelienbuch zu wenden, er schlug es wie ein Orakel auf und holte sich daraus Rat fŸr sein Leben.

Au§erdem hat Franziskus die Regel des Ordens, den er stiftete, ganz dem Evangelium angeglichen. Darum schrieb er in der Einleitung zu der Regel des von ihm gestifteten Ordens der MinderbrŸder: ãDas Leben der MinderbrŸder muss darin bestehen, in allem das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu beobachtenÒ.

Er selbst ging dabei mit bestem Beispiel voran, vor allem durch seine Liebe zur Armut und zur Demut:

1.    Die Liebe des hl. Franziskus zur Armut: Da zog er einmal mit einer Schar von Kameraden singend durch die Stadt Assisi. Plštzlich blieb er wie verklŠrt – fast wie in Ekstase – stehen. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, fragten ihn seine Kameraden, ob er etwa eine schšne Frau im Sinn habe. Begeistert antwortete Franziskus: Ja, ihr habt recht, ich gedenke eine Frau heimzufŸhren, wie es edler und schšner keine gibt. Damit meinte er die Armut. Von Christus, der, obgleich er reich war, unsertwegen arm geworden war, damit wir durch seine Armut reich wŸrden, hatte Franziskus jene himmlische Weisheit gelernt, die keine Erfindung menschlicher Weisheit je zunichtemachen wird; es ist die Weisheit, die aus der ersten Seligpreisung  Christi in der Bergpredigt spricht: ãSelig die Armen im Geiste!Ò ãWillst du vollkommen sein, dann geh hin, verkaufe alles, was du hast und schenke den Erlšs den Armen; du wirst dann einen Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir nach!Ò Dieser Armut im Sinn von Freiheit von jeder ungeordneten AnhŠnglichkeit an das VergŠngliche, ergab sich Franziskus so herzlich, dass er sie in Ehrfurcht und Liebe seine Braut und Herrin nannte.

2.    Die hohe Auffassung von der Armut und die gro§mŸtige Hingabe an sie, wie sie fortan Geist und Herz des hl. Franziskus beherrschten, lie§en sich nicht auf den Verzicht auf Šu§ere GŸter einengen und beschrŠnken. Wer kšnnte sich die echte Armut nach dem Vorbild Christi aneignen und sich ganz zu ihr bekennen, ohne zugleich durch die Tugend der Demut wahrhaft klein geworden zu sein? Deshalb trennte Franziskus niemals die Tugend der Armut und BedŸrfnislosigkeit von der Tugend der Demut. Beide Tugenden zusammen grŸ§te er und hie§ sie willkommen: ãO Herrin, heilige Armut, der Herr behŸte dich mit deiner Schwester, der heiligen Demut!... Die heilige Armut beschŠmt alle Begehrlichkeit und Habsucht und Šngstliche Sorge um die weltlichen Dinge. Die heilige Demut beschŠmt den Stolz und alle Menschen dieser Welt und alles, was in der Welt ist!Ò So schrieb der hl. Franziskus spŠter nieder in seinem ãGru§ an die TugendenÒ.

TatsŠchlich war fortan seine Hauptsorge, ganz arm und bedŸrfnislos und ganz klein und demŸtig zu leben. Er wollte der allergeringste und allerletzte sein. Es macht ihm jetzt auch nichts mehr aus, wenn er verspottet und verhšhnt wurde.

Armut und Demut sollten nach dem Willen des hl. Franziskus das Fundament sein, auf das sich der Orden der MinderbrŸder grŸnden und stŸtzen sollte. Die Liebe zur Armut und zur Demut entsprossen bei Franziskus aber der Hauptquelle aller Tugenden: der Gottesliebe! DiesbezŸglich hat der erste Biograph des hl. Franziskus, Thomas von Celano, Ÿber ihn geschrieben: ãGlŸhend von Liebe zu Gott... bemŸhte sich Franziskus, an heroische Aufgaben Hand anzulegen; gro§mŸtigen Herzens wandelte er den Weg der Gebote Gottes und sehnte sich danach, den Gipfel der Vollkommenheit zu erreichen:Ò Nach dem Zeugnis des hl. Bonaventura ãschien das ganze Wesen des hl. Franziskus... wie eine glŸhende Kohle von der Flamme gšttlicher Liebe verzehrt zu sein.Ò Diese gro§e Gottesliebe aber stršmte bei Franziskus in solchem Ma§ auf die Mitmenschen Ÿber, dass er alle Notleidenden, darunter unglŸckliche AussŠtzige, vor denen er in seiner Jugend einen natŸrlichen Abscheu empfunden hatte, mit ganzer Liebe umfing; ihrem Dienst und ihrer Pflege widmete er sich vorbehaltlos. In ebenso gro§er Bruderliebe sollten nach dem Willen des hl. Franziskus auch seine JŸnger einander zugetan sein.

 

III.            Mit solchen Tugenden war Franziskus ausgerŸstet, als der Herr ihn berief, seinen entscheidenden Beitrag zur wahren Reform der Kirche zu leisten: In der Kirche San Damiano, wo Franziskus viel zu beten pflegte, hšrte er eines Tages dreimal eine Stimme vom Himmel her zu ihm sprechen: ãFranziskus, geh und baue meine Kirche wieder auf!Ò

Die geheimnisvolle, tiefere Bedeutung dieser Worte hat er anfangs nicht begriffen, weil er allzu bescheiden war und sich selber zu gro§en Taten kaum fŸr tauglich hielt. Den tieferen Sinn dieser Worte erschloss ihm schlie§lich Papst Innozenz III., der im Traum gesehen hatte, wie der arme Bettler Franziskus die dem Einsturz nahe Lateranbasilika in Rom, d.h. die Papstkirche, mit seinen Schultern stŸtzte und vor dem Einsturz bewahrte.

Franziskus hat damals mit seiner Armutsbewegung, die er durch sein Beispiel und seinen dreifachen Orden, den Orden der MinderbrŸder, den Orden der Klarissinnen und den Dritten Orden, in der Kirche ausgelšst hat, die Kirche wirklich vor dem Untergang bewahrt und den wichtigsten Beitrag zu ihrer wahren Erneuerung geleistet.

Nachdem der seraphische Heilige die zwei Orden gegrŸndet hatte, den einen, um MŠnner, den anderen, um Frauen zur Vollkommenheit des Evangeliums emporzufŸhren, machte er sich nun daran, die StŠdte Italiens zu durchwandern und sowohl persšnlich als auch durch die gewonnenen JŸnger dem Volk in knappen, aber hšchst eindringlichen Worten Bu§e zu predigen. Es ist unglaublich, wie viel Franziskus mit seinem Apostolatseifer in dieser Seelsorgsarbeit als Wanderprediger erreichte. Wohin immer er kam, stršmte ihm die Geistlichkeit und das Volk in Prozession unter GlockengelŠut und Gesang entgegen. Um ihn drŠngte sich die Menge jeglichen Alters, Geschlechtes und Standes. Wenn er predigte, widerstand keiner, selbst jene nicht, die im SŸnden- und Lasterleben alt und grau geworden waren. So kam es, dass viele Leute, auch solche gesetzten Alters, scharenweise aus Begeisterung fŸr das Leben nach dem Evangelium allem entsagten. Noch mehr: Italiens StŠdte kamen wieder zur Selbstbesinnung und Besserung, die BŸrger stellten sich wie SchŸler unter die Leitung des hl. Franziskus. Schlie§lich mehrte sich seine JŸngerschaft derart, Ÿberall flammte ein solcher Feuereifer auf, ihm nachzufolgen, dass der seraphische Patriarch sich des šfteren gezwungen sah, MŠnner und Frauen von dem Entschluss, sogar der Ehe und der hŠuslichen Gemeinschaft zu entsagen und die Welt zu verlassen, wieder abzubringen. Er riet ihnen, in der Welt ein gottwohlgefŠlliges Leben nach dem Evangelium zu fŸhren. So entstand der sogenannte Dritte Orden des hl. Franziskus. Die Regel dieses dritten Ordens enthielt in der Hauptsache die folgenden Kapitel: 1. Es dŸrfen nur solche aufgenommen werden, die am kath. Glauben festhalten und dem Papst und dem zustŠndigen Klerus in wahrhaft kirchlicher Gesinnung, Treue und Gehorsam leisten. 2. Die Terziaren sollen sich dem Geist der Armut entsprechend kleiden, ohne jegliche eitle Putzsucht. 3. Die Terziaren dŸrfen an Ÿppigen Gelagen und unanstŠndigen Schauspielen sowie an Tanzveranstaltungen nicht teilnehmen. 4. Die Terziaren sollen brŸderlich in Eintracht und Frieden untereinander und mit den Ÿbrigen Menschen zusammenleben.

Aus den weiteren Bestimmungen fŸr die Terziaren, die das religišse Leben betreffen, wŠre noch auf gar manches hinzuweisen. Jedenfalls ging auch von den Mitgliedern des Dritten Ordens damals eine wahre Erneuerung der Kirche aus.

 

IV.   Vieles wŠre aus dem Leben des hl. Franziskus noch zu berichten, etwa seine Liebe zu den vernunftlosen Geschšpfen, den Tieren, dann Ÿberhaupt seine Naturverbundenheit, seine Kreuzesliebe, durch die er – auch Šu§erlich in den Wundmalen – dem gekreuzigten Heiland Šhnlich wurde. Es sei nur noch betont, dass dieser Mann auch nach der Reform, die er in Kirche und Welt ausgelšst hatte, ungemein demŸtig blieb und sich bis zu seinem Lebensende als armen, nichtsnutzigen SŸnder empfand. Noch in den letzten Monaten seines Lebens, als er fast erblindet war und schwer leidend, aber innerlich glŸhend von Gottes- und NŠchstenliebe, da bat er seine BrŸder: ãLasst uns doch anfangen, meine BrŸder, dem Herrgott zu dienen, denn bisher haben wir kaum einen Fortschritt gemacht!Ò

Franziskus war ganz durchdrungen von der Erkenntnis, dass der Mensch nichts ist vor Gott. Er erwartete nichts von seiner eigenen Anstrengung, er setzte seine ganze Hoffnung auf Gott. Die Grundkraft seines Lebens war Gott. Es ist einleuchtend, wenn berichtet wird, dass Franziskus zuletzt ganze Stunden verbracht haben soll mit dem stŠndig wiederholten Ausruf: ãMein Gott und mein Alles!Ò Die Verherrlichung Gottes erkannte er immer mehr und immer tiefer als seine eigentlichste Lebensaufgabe. Darum jubelte er es in seinem Sonnengesang: ãHšchster, allmŠchtiger, guter Herr, dein ist das Lob und der Ruhm und die Ehre, und alle Benedeiung ... kein Mensch ist wŸrdig, dich auch nur zu nennen...Ò

HŠtten wir auch diese gro§e Auffassung von Gott, wir wŸrden uns dann auch – wie Franziskus – bemŸhen, glaubwŸrdige Glieder der einen wahren Kirche zu sein zur Ehre und Verherrlichung Gottes durch ein Lebe nach dem Evangelium. Amen